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1. November 2013 / 10:30 Uhr

Lindner plaudert über ORF-Karriere im Dunstkreis der Politik

Ganz nach dem Motto des Filmtitels “Täglich grüßt das Murmeltier” überrascht die wilde Nationalratsabgeordnete Monika Lindner mit neuen Enthüllungen. In einem demnächst erscheinenden Buch des Haymon Verlags spricht die derzeit arg gescholtene Politikerin ganz offen über ihre ORF-Karriere im Dunstkreis der Politik. Sie erzählt unverhohlen, wie Wolfgang Schüssel und Wilhelm Molterer ihre Wiederwahl zur ORF-Generalin “verbockten” und wie sie mit Hilfe von Erwin Pröll zur ORF-Chefin aufstieg.

Pikanterie daran: Der Band “Tirol lebendig erinnert – Zeitzeugen im Gespräch” wird neben der Tiroler Tageszeitung und den Casinos Austria auch vom ORF herausgegeben. Lindner lässt jedenfalls keinen Zweifel aufkommen, dass ihr berufliches Schicksal von der Politik, insbesondere der ÖVP, bestimmt war. Am Anfang ihres Aufstiegs stand der Name Erwin Pröll. Dabei hatte der niederösterreichische Landeshauptmann Lindner zunächst als Landesdirektorin abgelehnt, als diese vom damaligen ORF-Generalintendanten Gerhard Zeiler für die Position ins Spiel gebracht worden war. “Viele haben gegen mich intrigiert, das war nicht unflott”, so Lindner. Und Pröll habe jedes Mal Nein gesagt, wenn Zeiler ihren Namen nannte. Ein Mittagessen mit dem mächtigen Landeschef und ÖVP-Politiker drehte schließlich die Stimmung. “Der Pröll erzählt heute noch gern, dass er danach seinen engsten Mitarbeiter angerufen und ihm gesagt hat, er sei der schlimmsten Intrige aufgesessen: Rufen s den Zeiler an uns sagen Sie ihm, ich will jetzt die Lindner.”

Eiszeit mit Erwin Pröll

1998 wurde die Nationalratsabgeordnete Landesdirektorin von Niederösterreich. Schon bald danach gab es den ersten Krach mit Pröll. Anlass war ein Interview mit dem damaligen Innenminister Karl Schlögl, laut Lindner ein “Intimfeind” Prölls. Nach der Geschichte “wurden wir vom Landeshauptmann und der Landesregierung geächtet”, erzählt Lindner. “Wir haben einen Rüffel bekommen, was uns einfällt, den Schlögl zu interviewen und in Niederösterreich eine Geschichte über ihn zu machen. Wir sind zu keiner Pressekonferenz und keiner Veranstaltung mehr eingeladen worden. Es herrschte Eiszeit.” Eines Tages sei sie dann von Pröll “zum Rapport” bestellt worden. “Wir hatten eine lange Aussprache unter vier Augen, wo ich versucht habe, dem Landeshauptmann klarzumachen, dass ich die Flugrichtung des Heiligen Geistes in Niederösterreich schon kenne, dass ich aber auch dem Rundfunkgesetz und damit der objektiven Berichterstattung verpflichtet bin. Es war ein langes Gespräch, sehr ernsthaft. Und seit damals habe ich keine Probleme mehr gehabt.”

Vorwürfe gegen Mück berechtigt

Die Amtszeit Lindners von 2001 bis 2006 war von Vorwürfen der ÖVP-Nähe und der Willfährigkeit gegenüber der schwarz dominierten Regierung begleitet. Sinnbild des Wechselspiels zwischen Politik und ORF waren damals ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer und das legendäre “Moltofon” sowie Fernseh-Chefredakteur Werner Mück. Lindner: “Der Molterer ist nie an mich herangetreten. Der hat ganz sicher den Mück angerufen. Und wie ich den Mück gestellt habe, hat der das bestritten. Ich bin aber überzeugt, dass es da eine ganz enge Kommunikation gab.”

In der Nachbetrachtung räumt Lindner ein, dass viele Vorwürfe gegen Mück berechtigt gewesen seien. Die ÖVP-Führung sei aber nicht bereit gewesen, auf ihn zu verzichten. Sie und andere hätten Schüssel und Molterer auch darauf hingewiesen, dass Mück nicht zu halten sei. “Aber da waren taube Ohren.” Dass ihre Wiederwahl 2006 scheiterte und ihr kaufmännischer Direktor Alexander Wrabetz das Ruder im ORF übernahm, schreibt Lindner denn auch Mück, Schüssel und Molterer zu. “Wolfgang Schüssel und Willi Molterer haben es verbockt. Und sie haben sich selbst am meisten damit geschadet. Ich habe immer gesagt, wir bekommen die Stimmen, aber wir müssen auf den Mück verzichten. Und wie sie kapiert haben, dass es wirklich am Mück liegt, war es zu spät.”

Zeiler sagte zum Schutz der SPÖ ab

Bei der jüngsten ORF-Wahl 2011 setzte sich Lindner für den inzwischen international äußerst erfolgreichen und ursprünglich aus der SPÖ kommenden Gerhard Zeiler ein. “Ich bin wirklich gelaufen, überall. Ich habe angeboten, dass ich die Stimmen der Schwarzen bringe, ich wollte mit den Blauen reden. Und ich war ziemlich weit.” Letztlich sei Zeiler aber an seiner eigenen Partei gescheitert und habe zum Schutz der SPÖ abgesagt. “Zeiler war damals in Lans auf Kur. Er hat mich angerufen und gesagt: Ich weiß, dass ich sie enttäusche. Aber wenn ich antrete, zerreißt es die Partei. ” Zeiler hätte mit Stimmen von einigen SPÖ-Stiftungsräten rechnen können, Parteichef und Bundeskanzler Werner Faymann wollte damals aber unbedingt Wrabetz verlängern. “Faymann wollte Zeiler nicht. Er hat Angst gehabt, er züchtet sich da einen Nachfolger. Ich habe mir dann halt gedacht, für Hollywood reicht es, nur für Wien nicht. Der ORF hat eine große Chance versäumt.”

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