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17. September 2014 / 17:00 Uhr

ORF-Faktenchecker mit Neutralität überfordert

Journalistische Recherche sollte grundsätzlich ergebnisoffen erfolgen. Wer mit einer vorgefertigten Meinung ans Werk geht und selektiv nach Belegen zur Untermauerung seiner These forscht, wird kaum ein objektives Ergebnis präsentieren können. Diesen “Fehler” begehen ORF-Journalisten ohnehin Tag für Tag, besonders ärgerlich ist er, wenn der so entstandene Bericht auch noch als “Faktencheck” verkauft wird – wie in der ZiB2 am 16. September zur Frage der Neutralitätsverletzung durch die österreichische Bundesregierung in der Ukraine-Krise.

Neutral nur noch in militärischen Konflikten?

Die FPÖ prangert diese Neutralitätsverletzung seit Wochen an und beantragt kommenden Mittwoch im Nationalrat eine Ministeranklage gegen Kanzler Faymann wegen Verfassungsbruchs. Der ORF bot daher gleich vier “Experten” auf, die dagegen hielten, und qualifizierte den von FPÖ-Obmann HC Strache erhobenen Vorwurf als falsch. Zumindest bei einem davon war Kennern die parteipolitische Motivation völlig klar. Hans Winkler, Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien, der die Aussagen Straches als “völligen Unsinn” bezeichnete, war von 2005 bis 2008 auf einem ÖVP-Ticket Staatssekretär im Außenministerium.

Durch den EU-Beitritt, so argumentierte der Linzer Europarechts-Professor Franz Leidenmühler, sei Österreichs Neutralität auf ihren militärischen Kern reduziert worden und gelte in wirtschaftlichen Auseinandersetzungen – also bei den aktuellen EU-Sanktionen gegen Russland – nicht mehr.

Diese Argumentation erstaunt, hatten doch Politik und Medien vor der Volksabstimmung über Österreichs EU-Beitritt lauthals versprochen, Österreichs Neutralität bleibe. Solcherart informiert, dürfte den Bürgern nicht klar gewesen sein, gleichzeitig über eine massive Aushöhlung dieser Neutralität abzustimmen. Dabei wäre eine derartige Abstimmung angesichts der damit eintretenden Gesamtänderung der Verfassung verpflichtend vorgeschrieben gewesen.

Aufregung über Drohnen-Lieferung nach Libyen

Aber auch der “militärische Kern” der Neutralität wird vom Handeln der Bundesregierung berührt. Immerhin sollen – von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz massiv unterstützt – österreichische Drohnen zur Überwachung der russisch-ukrainischen Grenze, also de facto in ein Kriegs-, jedenfalls in ein militärisches Konfliktgebiet geliefert werden Über eine ähnliche Lieferung gab es noch im Jahr 2011 – also lange nach dem österreichischen EU-Beitritt – erhebliche Aufregung. 2009 hatte Österreich Drohnen an das, damals noch lange vor dem blutigen Bürgerkrieg im Zuge des “Arabischen Frühlings” stehende Libyen verkauft – ebenfalls zur Grenzüberwachung, denn Libyen wurde “als Bollwerk gegen den Flüchtlingsstrom” erachtet, wie Der Standard 2011 schrieb. Neben dem Grün-Abgeordneten Peter Pilz kritisierte vor allem der Verfassungsjurist Heinz Mayer den Waffendeal. Dieser könne als “Neutralitätsgefährdung geahndet werden”, erklärte Mayer und ortete zudem einen Verstoß gegen das Kriegsmaterialiengesetz.

Mayer ist übrigens gerne gezeigter Experte für so ziemlich alle Verfassungsfragen in diversen österreichischen Medien, auch im ORF, im ZiB-Faktencheck kam er – durchaus überraschend – nicht vor.

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