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21. September 2014 / 19:45 Uhr

Außenminister Kurz und das Völkerrecht – ein dreistes Missverständnis

Das Nachrichtenmagazin profil nimmt einen weiteren Anlauf, die Sanktionspolitik der EU gegen Russland zu rechtfertigen. Der Angriff erfolgt auf mehreren Ebenen. Im Artikel “Liebesgrüße aus Moskau” werden Bundespräsident Fischer, Wiens Bürgermeister Häupl, Wirtschaftskammerpräsident Leitl und FPÖ-Obmann HC Strache als “Neutralisten, Beschwichtiger und Putin-Apologeten” abqualifiziert. Russland-Experte Gerhard Mangott muss sich in einem Interview als “Putin-Versteher” verteidigen.

Deutsche Wirtschaft agiert politisch

Um zu zeigen, dass in Deutschland alles “besser” ist als hierzulande, wird ein weiteres Interview mit dem langjährigen Chef der deutschen Arbeitgebervereinigung, Dieter Hundt, gebracht, in dem dieser behauptet, die deutsche Wirtschaft stehe voll hinter den Sanktionen:

In der deutschen Wirtschaft herrscht die mehrheitliche Meinung, dass Verstöße gegen das Völkerrecht und Aggressionen, wie Putin sie derzeit durchführt, von der freien Welt nicht ohne Reaktion akzeptiert werden können.

Sanktionen wegen Bruchs des Völkerrechts?

Das Völkerrecht spielt auch in den Ausführungen von Außenminister Sebastian Kurz gegenüber profil eine entscheidende Rolle. Er sagt:

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich zu Sanktionen entschlossen, da man nicht tatenlos zusehen kann, wenn Russland eindeutig Völkerrecht bricht. [.] Österreich ist militärisch neutral, aber das heißt nicht, Völkerrechtsbruch nicht zu erkennen.

Welches Völkerrecht ist gemeint?

Das Völkerrecht wurde und wird also gebrochen, meinen die Sanktions-Befürworter und beziehen sich auf die territoriale Integrität eines Nationalstaats, die jedoch – im Fall der Krim – ganz offensichtlich im Gegensatz zum Selbstbestimmungsrecht des dort lebenden Volkes stand. Diese beiden Prinzipien des Völkerrechts – territoriale Integrität und Selbstbestimmungsrecht der Völker – werden, wie Markus Goritschnig vor einigen Tagen in einem Gastkommentar in der Tageszeitung Die Presse ausführte, “ganz offenbar je nach Perspektive und je nach konkreter Situation unterschiedlich gewichtet”. Goritschnig weiter:

So wurde im letzten Jugoslawien-Krieg das – lokale – Selbstbestimmungsrecht der Teilrepubliken gegenüber der Integrität Jugoslawiens insbesondere vom Westen höher gewichtet, die Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens wurden rasch anerkannt. In anderen Fällen wiederum wurde mit Hinweis auf die Integrität die Zentralregierung gegen Aufständische unterstützt.

Vorrang für Selbstbestimmungsrecht

Während die Putin-Sanktionierer im Chor mit dem Außenministers laut “Völkerrechtsverletzung!” schreien, tritt Goritschnig dafür ein, das Völkerrecht als Grundlage einer friedlichen Lösung des Konflikts um die Ostukraine heranzuziehen. So wie das vor 100 Jahren in Kärnten oder vor ein paar Tagen in Schottland geschah, denn er sieht das Selbstbestimmungsrecht dem Prinzip der territorialen Unversehrtheit von Nationalstaaten überlegen:

In demokratischer und zivilisatorischer Hinsicht käme noch ein Imperativ hinzu, nämlich für das Volk statt – wie ein Eroberer – für das Territorium zu votieren. Im heutigen demokratischen Europa kann man einfach nicht mehr eine große Bevölkerungsgruppe in einem Staat “einsperren”, mit dem diese sich nicht identifizieren kann. Als Demokrat kann man die territoriale Integrität eines Staates ja nicht über den Willen der lokalen Bevölkerung stellen. Für die Ostukraine hieße das, man müsste sich tatsächlich mehr um die Interessen der lokalen Bevölkerung vor Ort kümmern, statt sich auf ein Kräftemessen und Blockdenken einzulassen. Der politische Wille der Ostukrainer ist aber der große blinde Fleck in vielen politischen Argumentationen, bleibt als Unbekannte regelmäßig ausgespart.

Blockdenker Kurz missversteht das Völkerrecht

Sebastian Kurz exekutiert die Vorgaben der EU und die wiederum fühlen sich den Interessen der NATO verpflichtet. Als “Blockdenker” zitiert Kurz, der sein Jus-Studium zumindest nicht bis zum Abschluss gebracht hat, dennoch das Völkerrecht zur Rechtfertigung seiner Haltung. Ein Missverständnis des Außenministers, allerdings ein besonders dreistes.

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