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27. Juli 2010 / 09:29 Uhr

Polanski auf freiem Fuß: Österreich verkannte Situation

Die US-Justiz wirft dem polnisch-französischen Regisseur Roman Polanski (76) vor, 1977 in Los Angeles eine 13-Jährige sexuell missbraucht zu haben. Um dem Verfahren zu entgehen, flüchtete er noch im selben Jahr nach Frankreich, wo er dank französischer Staatsbürgerschaft keine Auslieferung zu befürchten hatte. 2009 kam der Drehbuchautor auch nach Österreich – die heimische Justiz verkannte jedoch die Situation und verabsäumte es, den mutmaßlichen Kinderschänder (für ihn gilt die Unschuldsvermutung) festzunehmen.

Sex mit 13jähriger – Flucht nach Europa

Das Leben des am 18. August 1933 in Paris geborenen Rajmund Roman Liebling ließt sich wie eines seiner Drehbücher zu Filmklassikern wie „Ekel“ (1965), „Tanz der Vampire“ (1967) oder zuletzt „Der Pianist“ (2002) und steht Hollywood-Filmen über flüchtige Verbrecher in nichts nach. An einem März-Abend im Jahre 1977 soll Roman Polanski die heute 45-jährige Samantha Geimer mit Champagner und Drogen gefügig und anschließend vergewaltigt haben. Um das damals noch minderjährige Opfer zu schützen, sollte es nicht öffentlich vor Gericht aussagen. Polanski stimmte dem Vorschlag des Opfer-Anwalts zu, weil dadurch die Anklage auf „außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen“ reduziert wurde, für die er sich schuldig bekannte.

Roman PolanksiWeil der mittlerweile verstorbene Richter Lawrence Rittenband allerdings einer solchen Vereinbarung wahrscheinlich nicht zugestimmt hätte, flüchtete der Regisseur über London nach Paris, wo er seit 1975 die Staatsbürgerschaft besaß und daher nicht ausgeliefert werden konnte. Am 26. September 2009 wurde Polanski aufgrund eines internationalen Haftbefehls, der seit 2005 bestand, am Züricher Flughafen verhaftet. In der Schweiz hätte er an diesem Abend beim Filmfestival das „Goldene Auge“ für sein Lebenswerk enthalten.

Doch Polanski war nicht zum ersten Mal seit seiner Flucht in die Schweiz eingereist. Im August 2008 war er Gast bei einem Poloturnier in Gstaad, vergangenen Winter wurde er beim Skifahren im Berner Oberland gesichtet. Warum er gerade an diesem Tag verhaftet wurde, erklärte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) schlichtweg so, dass man „diesmal genau gewusst habe, wann er einreise“. Polanski war aber nicht nur in der Schweiz sehr umtriebig. Am 16. September 2009 nahm dieser an der Premiere der Neuaufnahme des Musicals „Tanz der Vampire“ im Wiener Ronacher teil. Damals wurde von der österreichischen Justiz allerdings verabsäumt, den internationalen Haftbefehl zu vollstrecken. Es seien noch Fragen zum Haftbefehl offen gewesen, sagte das Justizministerium damals. „Es hat in keinem europäischen Land einen Haftbefehl gegeben“, lautete wiederum die Aussage eines Pressesprechers. In Polen sei der Fall nach dortigem Recht bereits verjährt, in Frankreich habe es Rückfragen gegeben, die nicht geklärt gewesen sind.

Österreich Justiz ließ Polanski laufen – aus Angst vor Medien und Promis?

Dass der hiesigen Justiz eine Panne unterlaufen sein könnte, bestätigt nun auch die Beantwortung einer parlamentarische Anfrage der FPÖ-Abgeordneten Dr. Susanne Winter durch Ministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP). Bandion-Ortner meint, dass Roman Polanski in der Schweiz deshalb festgenommen worden sei, weil „die US-amerikanischen Behörden ein förmliches Ersuchen um Verhängung der vorläufigen Auslieferungshaft übermittelt hatten“. Ein derartiges Ersuchen sei jedoch bei den österreichischen Behörden nie eingelangt. Fraglich ist, ob ein solches Ersuchen angesichts eines seit 2005 bestehenden internationalen Haftbefehls überhaupt nötig ist. Möglicherweise wurde die Sache aber auch zu heiß für unsere Beamten und die obersten Organe wussten von dem medialen Sprengstoff, den eine Verhaftung und mögliche Auslieferung bergen würde. Von zahlreichen Seiten kamen schließlich kurz nach seiner Verhaftung in der Schweiz Solidaritätsbekundungen. Die US-Schauspielerin Whoopi Goldberg – zuletzt Stargast beim Wiener Life-Ball – erklärte in einer morgendlichen Fernseh-Talkshow, dass Polanskis 13-jähriges Opfer gar nicht vergewaltigt worden sei. „Es war keine Vergewaltigung-Vergewaltigung“, meinte sie. Was immer das auch bedeuten mag.

Die Festnahme erzeugte besonders in den Medien und europäischen Politikerkreisen eine Welle der Solidarität mit dem Täter. So soll zum Beispiel der französische Kulturminister Frederic Mitterand folgende Aussagen getätigt haben: „Ihn so zu sehen ist schrecklich, alleine und eingesperrt wo er doch kurz vor einem Ereignis stand, wo er doch Lob und Anerkennung erhalten sollte“. Er sei höchst erstaunt über das Vorgehen gegen den international renommierten Regisseur.

Nach zehn Monaten wieder frei – keine Auslieferung

Vermutlich war der im Hintergrund aufgebaute Druck auch Auslöser, dass die Schweiz den „Star-Regisseur“ knapp zehn Monate nach dessen Inhaftierung und strengem Hausarrest nicht an die USA ausgeliefert, sondern Anfang Juli sogar freigelassen hat. „Die Schweizer Justiz könne nicht abschließend klären, ob Polanski die ihm 1977 auferlegte Strafe wegen Geschlechtsverkehrs mit einer 13-Jährigen nicht bereits verbüßt hat, weil das US-Justizministerium wichtige Akten unter Verschluss hält“, wird Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf (SVP) zitiert.

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Angefordert wurde das Protokoll zur Aussage des damals zuständigen Staatsanwalts Roger Gunson, der 2008 in einer erschienenen Dokumentation zur Flucht Polanskis Verständnis geäußert und den Vorwurf eines Justizskandals bestätigt haben soll. Die Einsicht wurde der Behörde allerdings verweigert.

Foto: © Sławek Skonieczny

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