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27. November 2014 / 06:00 Uhr

Comeback der Inseratenaffäre: Staatsanwaltschaft ermittelt wieder

Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass das Verfahren gegen Werner Faymann (SPÖ) wegen der “Inseratenaffäre” eingestellt wurde. Bis Oktober 2012 hatte sich damit auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss beschäftigt, der – für viele überraschend – ohne Einvernahme des Bundeskanzlers abgeschlossen wurde. Aussagen in diesem Untersuchungsausschuss sind nun jedoch Gegenstand weiterer staatsanwaltlicher Ermittlungen – die Faymann erneut in Bedrängnis bringen könnten.

–> Die Chronologie der Inseratenaffäre

Wie Unzensuriert.at erfuhr, wird bei der Staatsanwaltschaft Wien ein Verfahren wegen des Verdachts der Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss geführt. Beschuldigte sind Marc Z., früherer Kommunikationschef der ASFINAG, sowie Thomas L. und Marcin K. Beide waren zur Zeit der umstrittenen Inseratenaufträge 2007 im Kabinett des damaligen Infrastrukturministers Faymann für Pressearbeit zuständig.

Die Mediensprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, bestätigte Unzensuriert.at, dass dieses Verfahren – bereits seit Ende 2013 – laufe. Die Anklagebehörde sei von sich aus nach dem Studium der U-Ausschuss-Protokolle tätig geworden. Wie lange noch ermittelt werden müsse, bis mit Anklageerhebung oder Einstellung zu rechnen sei, konnte Bussek nicht sagen. Auch nicht, ob die Ergebnisse der Ermittlungen möglicherweise zu einer Neuaufnahme des Verfahrens gegen Faymann und seinen damaligen Kabinettschef Ostermayer führen könnten.

Gab Ministerium Aufträge für ASFINAG-Inserate?

Der Inhalt dessen, was die drei Beschuldigten als Auskunftspersonen im U-Ausschuss aussagten, dreht sich jedenfalls um die Kernfrage der Inseratenaffäre: Wurden aus dem Infrastrukturministerium (BMVIT) Aufträge für Inserate vergeben, die danach die dem Ministerium unterstellten Betriebe ÖBB und ASFINAG zu bezahlen hatten? Wurde also – denn das wäre strafrechtlich Untreue – über das Vermögen dieser Firmen von Außenstehenden frei verfügt?

Eine Schlüsselrolle dafür, dass dieser konkrete Verdacht laut wurde, kam dem ehemaligen ASFINAG-Unternehmenssprecher Marc Z. zu. Er fertigte im Laufe des Jahres 2007 mehrere Aktenvermerke an, aus denen hervorging, dass Medienkooperationen seines Unternehmens durch das BMVIT “beauftragt” oder “abgeschlossen” wurden. Wie es dazu kam, schilderte Z. in seiner Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft so:

Ein Monat, nachdem Faymann zum Verkehrsminister angelobt worden war, wurde mir vom Vorstand mitgeteilt, dass der Eigentümervertreter, mithin das BMVIT, nunmehr wünsche, dass die Werbung stärker in Erscheinung treten solle und unsere Leistungen besser in der Öffentlichkeit transportiert werden sollen.

In der Praxis hatte der Wunsch des Ministeriums gravierende Folgen. Auf die Frage, inwieweit “Direktschaltungen aus dem Kabinett” des Ministers den von Z. erstellten Mediaplan der ASFINAG durcheinandergewirbelt hätten, antwortete dieser im U-Ausschuss:

Zu einem Prozentsatz, würde ich sagen, von 50 Prozent.

Die von Z. mit einzelnen Aktenvermerken dokumentierten Medienkooperationen – für die seiner Aussage vor dem U-Ausschuss zufolge L. und K. die Ansprechpartner im BMVIT waren – zeichneten sich großteils dadurch aus, dass ihr konkretes Zustandekommen kaum nachvollziehbar war. Teilweise wurden Angebote der Inseratenabteilungen erst übermittelt, nachdem die Einschaltungen schon erschienen waren. Sogar die interne Revision der ASFINAG beschäftigte sich einmal mit einem derartigen Vorgang und kritisierte ihn heftig.

Belastungszeuge wurde zum Entlastungszeugen

Man hätte Marc Z. für den besten Zeugen der Anklage gegen Faymann halten können, hätte er nicht schlagartig seine Interpretation der damaligen Vorgänge geändert. Z. wurde im August 2012 gar vom damals noch beschuldigten Josef Ostermayer in einer Presseaussendung als “Entlastungszeuge” präsentiert, indem er aus Z.s Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft folgende Passage zitierte:

Es erfolgten keine Einschaltungen, […] ohne Genehmigung durch den Vorstand. Ich bleibe bei meinen Angaben, ich weiß von nichts, dass Aufträge vom BMVIT einfach erteilt wurden, ohne dass ich darüber informiert wurde und mit dem Vorstand Rücksprache halten konnte.

Diesen Sinneswandel erklärte Z., der von 2011 bis kurz vor seiner Einvernahme im U-Ausschuss am 2. Oktober 2012 im Umfeld des damals der SPÖ zurechenbaren Echo- Medienhauses beschäftigt war, vor den Abgeordneten im Parlament so:

In meinem persönlichen Empfinden habe ich das so empfunden. Wie gesagt, ich habe mir damals  [im Jahr 2007, Anm d. Red.] in diesem schnellen Schreiben auch nicht die absoluten Gedanken gemacht über die juristisch-formellen Hintergründe meines Schreibens. Ich habe mich gefühlt sozusagen als Bote zwischen den Wünschen und den Initiierungen des Kabinetts und auch meiner Vorstände, von denen ich dann den Auftrag bekommen habe, diese Kooperationen abzuwickeln.

Aus der Beauftragung bzw. dem Abschluss von Medienkooperationen durch das Ministerium – von denen in Z.s Aktenvermerken noch die Rede war – wurden also Jahre später “Initiierungen”. Wären die Aufträge für die Inserate ohne Wissen und Zustimmung des ASFINAG-Vorstands direkt vom Ministerium an die Medien ergangen, hätte dies möglicherweise den Tatbestand der Untreue erfüllt. Dies war der Kern der Ermittlungen gegen Faymann und sein ministerielles Umfeld.

Begründung für Verfahrenseinstellung steht noch aus

Das Justizministerium kündigte denn im November 2013 anlässlich der Einstellung des Verfahrens gegen Faymann und Ostermayer an, eine Begründung der Einstellung zu veröffentlichen, sobald “alle den Fall betreffenden Ermittlungen vollständig abgeschlossen sind”. Was das Ressort daran vorerst hinderte, waren laut eigener Aussage, dass im Zusammenhang mit “untergeordneten Beteiligten” beim Vorwurf der falschen Zeugenaussage noch Ermittlungen durchzuführen seien. Dass diese – wie sich jetzt zeigt – von enormer Brisanz sein könnten, war damals nicht absehbar. Ebenso wenig, wie jetzt – so Nina Bussek von der Staatsanwaltschaft – absehbar sei, ob die Ermittlungen nicht sogar zu einer neuerlichen Aufnahme des Verfahrens gegen den Kanzler führen könnten.

Unzensuriert.at hat den drei Beschuldigten im Verfahren wegen Verdachts der Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss die Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben. Thomas L. sagte nur: “Dazu sage ich nichts.” Z. und K. riefen weder zurück, noch antworteten sie auf eine per Mail ergangene Anfrage, die sich konkret auf dieses Verfahren bezog. Für alle drei gilt die Unschuldsvermutung.

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