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Der Nicaragua-Kanal soll Transportwege wesentlich erleichtern.

12. Jänner 2015 / 13:00 Uhr

Der Nicaragua-Kanal – Ein Mammutprojekt nimmt Gestalt an

„Dai ichi“ – „Wir die Ersten“ – ist eine klassische Losung der Japaner. Aber mit der einzigartigen Umsetzung des Nicaragua-Kanals ist es nun ein Chinese, Wang Jing, der den Söhnen der Sonne den Rang abläuft. Mit ihm als Vorsitzender gewann die HK Nicaragua Canal Development Investment Co Ltd (HKND Group) im Juni 2013 ohne Gebot (no-bid) eine Vergabe auf 50 Jahre über ein gewöhnliche Größenordnung sprengendes geschätztes Volumen von 40 – 50 Milliarden US-Dollar. Diese gigantische Investition dürften wohl nur Chinesen wagen und Realität werden lassen. Wang bestreitet eine Regierungsbeteiligung, hält sich jedoch in Fragen der Finanzierung bedeckt und lässt seinen Sprecher Lu Dong verlautbaren, HKND werde keine Informationen zu den Investoren an die Öffentlichkeit bringen; man habe sich auf Stillschweigen verständigt.

Gastbeitrag von Michael Johnschwager

Eine Machbarkeitsstudie kam zu dem Schluss, dass der weiter anschwellende globale Güteraustausch gesteigertes Interesse und die beteiligte Wirtschaft entsprechenden Bedarf an der Umsetzung des GCN (Grán Canal de Nicaragua) erkennen lassen. Die anschließende Konstruktionsphase erstreckte sich auf fünf Jahre. So entstand die Idee, den südlichen Teil vom Nicaragua See für die Verbindung von Brito am Pazifischen Ozean bis nach Punta Gorda am Atlantik zu nutzen. Mit knapp 280 Kilometern ist die Streckenführung etwa um ein Dreifaches länger als der Panamá-Kanal (Canal Interoceánico). Der Personalbedarf ist immens und kann von den heimischen Arbeitskräften allein nicht gedeckt werden, sodass auch auswärtige Arbeitsuchende herangezogen werden müssen. Nicaragua belegt in der Armutsstatistik den zweiten Platz in der Hemisphäre und seine Menschen verbinden mit diesem Projekt die Aussicht auf zusätzliche Beschäftigung durch den Kanal selbst und die ihm angegliederte Industrie. Dazu zählen eine Freihandelszone, Feriendomizile, sowie ein internationaler Flughafen. Dem mittelamerikanischen Land soll der Kanal jährlich 10 Millionen US-Dollar für die Dauer von 10 Jahren in die Staatskasse spülen. Über einen Zeitraum von einem Jahrhundert wird er dann graduell bis zu 100 % in den Besitz Nicaraguas übergehen.

China setzt hohe Erwartungen

Die chinesische Seite knüpft hohe Erwartungen an die neu geschaffene Transportverbindung. Das Reich der Mitte erblickt in den Ländern Lateinamerikas die Chance auf außergewöhnlich hohen Absatz seiner Produkte. In Chinas Importbilanz nimmt Eisenerz aus Brasilien und venezolanisches Erdöl einen hohen Stellenwert ein. Venezuelas bedeutende Ölvorkommen haben dazu geführt, dass die Chinesen als Abnehmer des schwarzen Goldes auf dem zweiten Platz rangieren nach den USA. Der Venezuela gewährte Vier-Milliarden-Sollar-Kredit für das Petroleumgeschäft dürfte dem chinesischen Präsidenten leicht von der Hand gegangen sein und unterstreicht den ökonomisch pragmatischen Gleichklang zwischen beiden Ländern.

Ersparnis beim Treibstoffverbrauch

Die chinesische Studie beziffert die Ersparnis beim Treibstoffverbrauch bei Transporten zwischen Asien und der US-Ostküste via Nicaragua auf ansehnliche 17 % bis zu 30 %, abhängig von der Größe der eingesetzten Schiffe. Aber auch für die USA rechnet sich die alternative mittelamerikanische Wasserstraße. So verkürzt sich die Reise von New York nach Los Angeles um etwa 800 Kilometer. Aber es gibt noch einen weiteren wesentlichen Grund für die Nutzung der neu entstehende Route: Es entfallen so die langen Wartezeiten, um den Isthmus von Panamá zu durchqueren. Die Verwaltung des dortigen Canal Interoceánico lässt momentan die drei Schleusen auf 32 Meter verbreitern. Deren Erweiterung soll 2016 abgeschlossen sein. Dennoch werden sie nicht mehr den Anforderungen der Zukunft entsprechen, denn die Container-Riesen der neuesten Generation messen bis zu 400 m Länge und erreichen die Höhe eines 20-stöckigen Gebäudes.

Chinas Kanalbau durch Nicaragua dokumentiert unbeugsames Vertrauen in seine wirtschaftliche Zukunft. Viele Häfen, einschließlich der amerikanischen, sind noch kaum dafür ausgelegt, dieserart ultra-large container vessels abzufertigen. In Deutschland wurde mit Wilhelmshaven der einzig existierende Tiefwasserhafen seiner Bestimmung übergeben. Die Hafenwirtschaft weltweit ist nun gefordert, Tiefwasserhäfen zu errichten, die künftig einer neuen Generation von Mega-Container-Schiffen erlauben, ihre Ladung zügig anzulanden bzw. an Bord zu nehmen.

Last not least gilt es ökologische Aspekte zu berücksichtigen

Umweltschützer sind auf den Plan gerufen und legen den Schwerpunkt ihrer Aufmerksamkeit auf den enormen und zugleich flachen Nicaragua-See. Zum einen besteht das Risiko, dass die Ozeanriesen den See mit salzhaltigem Meerwasser verunreinigen und auf heimische Spezies darin einwirken. Durch den flachen Nicaragua See muss eine künstliche Fahrrinne auf der beabsichtigen Route ausgebaggert werden. Darüber hinaus besteht die ernst zu nehmende Gefahr, dass Lebensräume bedrohter Tierarten, insbesondere im Osten Nicaraguas, wie Jaguare und Spinnen-Affen, beeinträchtigt werden. Eine überwältigende Herausforderung kommt auf die beteiligten Akteure zu: Im Urzustand befindliche 500 Jahre bestehende Wälder und Fauna im östlichen Landesteil (Indio Maíz), in dem u.a. sogar weithin unbekannte nur fingernagelgroße Frösche beheimatet sind. Der GCN-Chefprojektleiter Bill Wild ist sich der Tragweite des Themas bewusst und beschreibt die von seinem Büro übernommene Verpflichtung mit den Worten: „Der Kanal wird die Mittel zur Verfügung stellen, weitere Übergriffe zu stoppen. Dies ist nicht nur der Schlüssel den 'Indio Maíz' zu schützen, sondern der einzig gangbare Weg dazu.“

Einer staunenden Weltöffentlichkeit präsentiert sich China als der neue führende global player. Mit dem gigantischen Großen Kanal von Nicaragua rückt China seinem größten „Marktbegleiter“ USA mit dieser einzigartigen logistischen Meisterleistung für jedermann sichtbar auf den Pelz. Chinesische Präsenz im Zentrum Mittelamerikas ist dem Planungsstadium längst entwachsen. Die am Bau beteiligten Arbeiter haben inzwischen die Ärmel hochgekrempelt, der erste Spatenstich ist bereits erfolgt.

Michael Johnschwager, 1949 in Hamburg geboren, war als Außenhandelskaufmann von 1980 bis 1990 in Kolumbien, Venezuela und Honduras privatwirtschaftlich, sowie in Entwicklungsprojekten in Costa Rica in beratender Funktion im Einsatz. Seit 2004 ist Johnschwager als fremdsprachlicher Dozent und Autor mit Schwerpunkt Lateinamerika freiberuflich tätig. Für Unzensuriert.at schrieb er außerdem:

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