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10. Jänner 2015 / 10:00 Uhr

ÖHV: Fehlstart für ELGA macht ein Zurück an den Start notwendig

Die Elektronische Gesundheitsakte – kurz ELGA – sorgt weiterhin für Wirbel. Seit Dezember vergangenen Jahres hätte ELGA übrigens schon mit Spitalsbefunden in Betrieb gehen sollen. Es werde nicht das letzte Versäumnis sein, ist Dr. Christian Euler, Präsident des Österreichischen Hausärzteverbandes (ÖHV) überzeugt. Im Zuge einer Pressekonferenz zog der ÖHV unter dem Motto „Ein Jahr ELGA – Nach Fehlstart droht Chaos“ eine durchgängig negative Bilanz. Demnächst wird der ÖHV mit einem neuen Sujet, das den Titel „Kranke Akte ELGA“ trägt und welches in etwa 11.000 Ordinationen angebracht werden kann, erneut für den ELGA-Austritt werben.

Nur Spitals-Befunde sind "ELGA-würdig"

Zahlreiche Kritikpunkte wurden bei der Pressekonferenz aufgezählt. Befunde, die im niedergelassenen Bereich erhoben werden, sind per Gesetz „nicht ELGA-würdig“. „Wenn heute der Kinderarzt feststellt, dass ein Mädchen kein Penicillin verträgt, so hat er keine Möglichkeit, diese wesentliche Nachricht in ELGA abzuspeichern. Diese Erkenntnis müsste in einem Spital gefasst worden sein, dann wäre sie in ELGA drin“, zeigte Euler anhand eines Beispiels auf. Ärzte im niedergelassenen Bereich würden daher – anders als es groß angekündigt wurde – keineswegs aufgewertet.

Ärzte sind per Gesetz zur ELGA-Einsicht verpflichtet

Sicher ist allerdings, dass jene, die die Befunde in das ELGA-System einspeichern müssen, einen Datenaufwand haben werden. Ärzte werden durch die Implementierung des ELGA-Systems genauso wie die Krankenanstalten in ihrer Administration stark beeinträchtigt werden. Denn durch das Gesetz ergebe sich auch eine „Einsichtspflicht“. Jeder behandelte Arzt müsse alle Gesundheitsdaten, die in ELGA eingespeichert sein werden, durchschauen. Es gäbe bisher aber keine Suchfunktion, weshalb jeder Arzt in PDF-Dateien scrollen müsse. Je älter der Patient, der behandelt werden muss, desto länger dann der Zeitaufwand für die Ärzte. Dass dadurch die Ärzte weniger Patienten behandeln können und in Folge finanzielle Einbußen hätten, werde vom Gesetzgeber komplett ignoriert.

Patienten können wesentliche Befunde löschen

Hinzu komme außerdem, dass Patienten nicht nur ab dem 14. Lebensjahr für ihre Krankenakte verantwortlich sind, sie können wesentliche Befunde löschen und Ärzte von Informationen ausschließen. „Wie kann ein Patient wissen, welche Befunde für ihn notwendig sind, wenn er nicht auch eine 10- bis 12-jährige Ausbildung hat, wie ein Arzt“, hinterfragt der ÖHV. Dieses Ausblenden und Löschen von vielleicht lebenswichtigen Informationen – es wird von ELGA-Befürwortern auch noch groß beworben – sei geradezu grotesk. Die Krankenakten wären somit lückenhaft und die Hausärzte, die für ihre Patienten haften müssen, können sich nicht auf das System verlassen.

Ungleichbehandlung: Patienten ohne PC können ELGA nicht nützen

Jene Patienten, die über keinen Computer verfügen – das sind vorwiegend ältere Personen –  können ihre Daten auch nicht verwalten, was rein rechtlich einer Ungleichbehandlung gleichkomme. Eine Ungleichbehandlung gäbe es auch beim ELGA-Austritt. Wer sie sich über das Internetportal abmelde, könne sich die Bestätigung selbst und sofort ausdrucken. Anders sei es bei Personen, die in schriftlicher Form austreten wollen und dafür monatelang warten müssten. Das komme einer Ungleichbehandlung zwischen „digitalen und analogen Menschen“, also zwischen computeraffinen Menschen und solchen die in schriftlicher Form aus ELGA austreten wollen gleich, lautete die Kritik.

Wegen E-Card ohne Foto können in ELGA falsche Patienten-Befunde gespeichert werden

Nicht ausgeschlossen werden könne, dass in ELGA falsche Befunde abgespeichert werden, zumal die E-Card  – die elektronische Schlüsselkarte zu ELGA – nicht mit einem Foto versehen ist. „Wir wissen, dass die E-Card öfters missbräuchlich verwendet wird, um sich Versicherungsleistungen zu erschleichen. Die Identität zwischen E-Card-Überbringer und Patienten muss nicht dieselbe sein. Es kann daher auch vorkommen, dass Befunde von Spitälern in falschen Karteien landen“, warnte Dr. Eva Raunig, Bundessekretärin des Hausärzteverbandes. Sie sprach von einem „Identitätschaos“. Die Abmeldung von ELGA ist zwar nur mit Lichtbildausweis möglich. Wer allerdings in ELGA eintreten will, braucht lediglich eine E-Card, die freilich kein Foto aufweist.

ELGA verletzt Grundrecht auf Datenschutz

An der Pressekonferenz nahm auch Rechtsanwalt Dr. Johannes Hock jun. teil. Er gilt als Vertreter jenes Kassengynäkologen, der gegen ELGA vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zieht. Hock zeigte sich zuversichtlich, dass das Gesundheitstelematikgesetz, welches Bestandteil des ELGA-Gesetzes ist, nach einer Überprüfung durch den VfGH aufgrund eklatanter Grundrechtsverletzungen nicht standhalten könne. So sei der bereits zuvor erwähnte Mehraufwand für Ärzte – wegen der Verpflichtung zur Einlesung aller Daten – problematisch, wie auch die Folgerung, dass ELGA die Datenautonomie jedes einzelnen Patienten abschaffe. „Der Patient wird vom Grundsatz dieses Gesetzes her verpflichtet, seine Daten dem behandelnden Arzt oder der Krankenanstalt zur Verfügung zu stellen. Das sind persönliche Daten, die laut Datenschutzgesetz besonders schutzwürdig sind. Der Patient wird grundsätzlich gar nicht gefragt, ob er zustimmt, dass seine Daten überhaupt gespeichert werden und dass seine Daten in dieses ELGA-Monster eingelesen und eingespeichert werden, sodass Dritte, ihm völlig unbekannte Personen, Zugang zu diesen Daten erhalten. Das Gesetz ersetzt diese sonst notwendige Zustimmungserklärung zur Gänze und das, obwohl gerade die Gesundheitsdaten besonders schutzwürdig sind“, so Hock.

Es gäbe somit einen Eingriff nicht nur in das Grundrecht auf Datenschutz, sondern auch einen nicht zumutbaren Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre laut Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. 

ELGA kann Datensicherheit nicht gewähren

Auch, was die Sicherheit der Daten anbelangt, warnt der ÖHV. ELGA-Befürworter meinen, dass das System nur als Netzwerk fungiere, das auf Daten der einzelnen Krankenhäuser zugreife. Allerdings seien die Daten der E-Medikation – also Daten darüber, welche Medikamente Patienten verschrieben werden – zentral gespeichert. Wer in Besitz dieser Daten kommt, könne leicht Rückschlüsse auf Erkrankungen von Patienten ziehen. Und seit dem NSA-Skandal sei ja bekannt, wie leicht man Systeme hacken könne.

ELGA soll nun erst Ende 2015 in Betrieb gehen. Die entsprechende Verordnung dazu gibt es nicht, weshalb sich das Programm in einem „rechtsfreien Raum“ bewege, meinte der Datenexperte Dr. Hans Zeger. Statt einem einheitlichen Management seien die Zuständigkeiten u.a. auf alle neun Bundesländer und das Gesundheitsministerium verteilt, weshalb jeder machen könne, was er will.

EGLA verschlingt Unsummen an Geldern

Bis dato habe ELGA Unsummen an Geldern verschlungen, die Höhe sei allerdings nicht bekannt. Es werde aber eine sehr hohe dreistellige Summe sein, warnte Zeger. So gab es etwa 20 Millionen Euro an Schönwetterwerbung für ein Produkt, das nicht einmal funktioniert und bei einem Test sogar eine Fehlmeldung bei der E-Medikation produzierte. Unabhängig gäbe es wohl kaum einen Hausarzt der keine elektronischen Daten verwalte. So gäbe es zahlreiche privat
e Anbieter, die im Rahmen des Gesetzes stehen und elektronische Gesundheitsakten als Produkte anbieten – und sich damit am Markt auch durchsetzen.

Der ÖHV rechnet damit, dass ELGA spätestens dann, wenn es zu teuer kommt, ohnehin zu den Akten gelegt wird. Besser sei nun ein Zurück an den Start. Zuerst die Schaffung eines einheitlichen Gesundheitsplans für Österreich und dann auf dessen Basis eine Datenverwaltung, die aber auf Freiwilligkeit basieren muss, anstatt einer Zwangsteilnahme.

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