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4. Feber 2015 / 13:09 Uhr

Wirtschaftskammer-Wahl: Nicht nur Turecek im Visier der Justiz!

Wer hätte gedacht, dass die vor etwa fünf Jahren erfolgte Sachverhaltsdarstellung der FPÖ pro Mittelstand zu umfassenden Ermittlungen samt einem dicken Akt führte? Bekannt ist, dass es zu zahlreichen Ungereimtheiten bei der Wirtschaftskammerwahl 2010 gekommen war und der Vorwurf des Wahlbetrugs vorliegt.

Vor allem das System der Briefwahl – laut Wirtschaftskammer „Wahlkarte“ –, welches erst seit wenigen WK-Wahlgängen angewendet wird, dürfte Wahlergebnisse vor allem des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV) in einigen Sparten illegal aufgebessert haben. Wie für Leser von unzensuriert.at oder der Neuen Freien Zeitung bereits seit Jahren bekannt ist, wird gegen Wilhelm Turecek und seine Genossen Heinz Fischelmaier und Rudolf Bambule ermittelt.

Turecek bekleidet für den SWV zahlreiche Funktionen in der Wirtschaftskammer und ist de facto als „hohes Tier“ bekannt. Wie das Magazin News zuletzt berichtete, soll sich Turecek bei 57 Stimmzetteln im Zuge der WK-Wahl 2010 selbst die Vorzugsstimme gegeben haben. Turecek musste eine Schriftprobe abgeben, seine Urheberschaft an den Vorzugsstimmen wird nicht ausgeschlossen. Gegenüber den Magazin News wies er alle Vorwürfe in Zusammenhang mit Wahlmanipulation "auf das Schärfste" zurück.

14 Vorzugsstimmen für „Turicek“

Doch es dürfte auch zahlreiche weitere Vorzugsstimmen geben, die Turecek aufgrund von Wahlmanipulation erhalten haben könnte. Von den 1.268 Stimmzetteln, die im Zuge der Ermittlungen – betroffen sind drei Sparten – sichergestellt wurden, weisen insgesamt 207 Vorzugsstimmen die für Turecek abgegeben wurden, Auffälligkeiten auf. Pikant dabei ist, dass es weitere 14 Stimmzettel für Turecek gibt, die als Vorzugsstimme fälschlicherweise „Turicek“ aufweisen. Von der Schreibweise kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine einzige Person diese 14 Stimmzettel mit dem falschen Buchstaben ausgefüllt hat.

Eine Person wählte 56 Mal Günter Ferstl

Weiteres dürfte lediglich eine einzige Person 56 Vorzugsstimmen für Günter Ferstl gegeben haben. Ferstl, einst Fachgruppenobmann der Wiener Kaffeehäuser – bevor er den Posten an den Wirtschaftsbund verloren hatte – hat ebenfalls noch viele Funktionen in der WK inne. Auch er musste wie Turecek eine Schriftprobe abgegeben. Doch im Gegensatz zu Turecek hat sich der Verdacht, dass Ferstl selbst der Urheber der Vorzugsstimmen sein könnte, nicht erhärtet.

Zwei Schreibpasten auf Wahlkarten

Sichergestellt wurden auch 30 Wahlkarten, bei dem der Wählerwille eindeutig ein anderer war, als der von der Hauptwahlkommission offenbar akzeptierte. Wie aus den Ermittlungen hervorging, wurden zwei Schreibpasten verwendet. Eine Schreibpaste wurde für das Ankreuzen einer Liste verwendet, während mit der anderen alle Listen und Kreise durchgestrichen wurden – ausgenommen der SWV, der mit einem Kreuz versehen wurde. Im Zuge einer Beurteilung heißt es etwa, dass im Zuge der zerstörungsfreien optisch/physikalischen Untersuchung (Infrarot-, Fluoreszenz- und Absorptionseigenschaften) der auf den Stimmzetteln aufgebrachten Schreibmittel in 30 von insgesamt 32 Fällen eine nachträgliche Abänderung der ursprünglichen Wahl einer Wählergruppe der Listen 1,3,4,5 oder 6 auf die Liste 2 (Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband (SWV) Liste 2 – Turecek) festgestellt werden konnte. Es konnte aber nicht festgestellt werden, ob diese Abänderung vor oder nach der Abgabe des Stimmzettels durchgeführt wurde.

Funktionär war beim Ausfüllen „behilflich“

Turecek und Ferstl waren nicht die einzigen Funktionäre die eine Schriftprobe abgeben mussten und einvernommen wurden. Mit dabei war auch Leopold Dercsaly (Listenvierter der SWV-Liste 2-Tureck), der sich acht Mal eine Vorzugsstimme gegeben haben dürfte. Bei der Schriftenprobe teilte Dercsaly mit, dass er auf einigen Stimmzettel seine Vorzugsstimme angebracht hatte. Er sei von einigen Stimmberechtigten ersucht worden, dass er seinen Namen selbst hineinschreibt, weil dieser – so wird Dercsaly im Akt zitiert – so schwer zu schreiben sei. Dass dies einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis darstellt, wurde wohl bedenkenlos akzeptiert.

22 Stimmen für Gönültas trotz falscher Sparte

Untersucht wurden auch Vorzugsstimmen von Resul Ekrem Gönültas. 22 Mal wurde ihm eine Vorzugsstimme für die Fachgruppe Gastronomie gegeben. Pikant daran: Gönültas kandidierte für die Fachgruppe Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen und stand somit für die Fachgruppe Gastronomie nicht auf der Liste. Sichergestellt wurden allerdings nur Stimmzettel der Fachgruppen 601 A (Gastronomie), 601B (Kaffeehäuser) sowie 306 (Markt- Straßen- und Wanderhandel). Der Verdacht, dass auch in der Fachgruppe 505 (Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen) Wahlmanipulation stattgefunden hat, könnte vielleicht noch Teil weiterer Ermittlungen werden.

Turecek lässt sich seit 2011 von Anwalt vertreten

Sicher ist, dass die drei Sparten, welche die Staatsanwaltschaft, das Landesamt für Verfassungsschutz und Handschriftexperten des Bundeskriminalamts seit Jahren beschäftigen, den Verdacht auf Wahlmanipulation erhärten. Turecek dürfte mindestens seit 2011 bekannt sein, dass gegen ihn ermittelt wird. Datiert mit 1.2.2011 erklärt er mit einer Vollmachtsbekanntgabe, wer ihn rechtlich vertritt. Während Turecek in der Sparte Gastronomie die meisten Vorzugsstimmen selbst ausgefüllt haben dürfte, könnte das in der Fachgruppe 601 auf Ali Sahin zutreffen. Aufgrund der Schriftprobe, die Sahin leisten musste, gehen Experten davon aus, dass 23 Stimmzettel auf seine Urheberschaft hinweisen. Insgesamt erhielt Ali Sahin 43 Vorzugstimmen –  bei weitem nicht so viele wie Akan Keskin, der als „mächtigster Mann“ auf den Wiener Märkten gilt.

Man darf außerdem gespannt sein, ob es bei der WK-Wahl 2015 bei jenen Personen, die Teil der Ermittlungen der WK-Wahl 2010 waren, wieder zu Verdachtsmomenten kommt. Turecek, Ferstl, Gönültas und Dercsaly kandidieren wieder. Turecek sogar als Spitzenkandidat in zwei Sparten.

Mit welchen Ungereimtheiten Keskin sowie andere Funktionäre konfrontiert wurden, lesen Sie demnächst in einer Fortsetzung. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

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