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24. Feber 2015 / 09:27 Uhr

Wirtschaftskammer: Wurde öfter gewählt als erlaubt?

Aktuell finden in ganz Österreich noch bis Donnerstag finden in ganz Österreich die Wahlen in der Wirtschaftskammer statt. Indessen beschäftigen Vorfälle rund um die letzte Wahl 2010 noch immer die Justiz. Die Behörden ermitteln seit mittlerweile fast fünf Jahren rund um Wahlmanipulation, die es vor allem aufgrund des Systems mit den Wahlkarten im großen Stil gegeben haben dürfte. Einvernahmen von Zeugen ergaben, dass der schwarze Wirtschaftsbund und der rote Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) großen Wert darauf legten, dass Unternehmer auch wirklich von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Zumindest eine der Fraktionen dürfte sogar mit Taxis durch Wien gefahren sein, um Wähler ins Wahllokal zu führen.

Mit Taxi ins Wahllokal geführt

Aus einer Zeugenvernehmung heißt es wie folgt:

Ich kann mich erinnern, dass ich mit der Post eine Wahlkarte erhalten habe. Was ich getan habe, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, an welchem Tag, jedenfalls wurde ich von einem Mann vom Lokal abgeholt, und mit einem Taxi zum Wahllokal in Wien 2.; Hollandstraße 1-13 gefahren. Der Mann ersuchte mich um eine Vorzugsstimme. Ich glaube, dass es sich um Turecek Wilhelm gehandelt hat. Mir wird ein Foto auf der WKO Homepage gezeigt und ich erkenne Turecek als den Mann am linken Rand des Bildes. Ich kann mich noch erinnern, dass er es sehr eilig hatte, das Taxi wurde von einer Frau gelenkt, ohne den Taxameter eingeschaltet zu haben. Der Mann überzeugte sich noch, dass ich in das Wahllokal ging, dann fuhr er weiter. Er brachte mich nicht zu meinem Lokal zurück, ich bin zu Fuß zurückgegangen.

Unternehmer, die bereits mit Wahlkarte wählten, wurden ersucht, ins Wahllokal zu gehen

Aus den Vernehmungen geht hervor, dass auch Personen im Wahllokal wählen waren, die zuvor schon mit Wahlkarte gewählt hatten. Vernommen wurde auch Franz Sattlecker. Er gab an, eine Wahlkarte beantragt, sie ausgefüllt und der Wirtschaftskammer per Post übermittelt zu haben. Dennoch soll er vom Cafebesitzer Bernd Querfeld, der für den Wirtschaftsbund kandidiert, am Wahltag telefonisch kontaktiert worden sein, dass er noch nicht gewählt habe. Sattlecker gab zu Protokoll, dass er daraufhin ins Wahllokal gefahren sei. Er dürfte also zweimal gewählt haben.

Sattlecker ist nicht ganz unbekannt. Er ist seit Juni 2012 alleiniger Geschäftsführer der Schloß Schönbrunn Kultur- und BetriebsgesmbH (SKB) über dessen Verflechtungen Unzensuriert.at schon mehrmals berichtet hat. Ernannt wurde er von Reinhold Mitterlehner – damals noch Wirtschaftsminister, was eine ÖVP-Nähe erahnen lässt. Insider sagen Sattlecker eine Freundschaft zum einstigen ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel nach. Ein Freundschaftsanruf dürfte jener von Bernd Querfeld gewesen sein, der auch in Schönnbrunn über Gastronomie verfügt. Warum Querfeld überhaupt wusste, dass Sattlecker nicht wählen war, ist hinterfragenswert.

Wahlkarten in Praternähe verloren?

Über doppeltes Wählen weiß auch ein anderer Zeuge zu berichten. Zu Protokoll gegeben wurde, dass die Person eine Wahlkarte bestellt hatte. Eine Woche nach deren Zustellung kamen zwei Studenten ins Lokal, welche die Wahlkarte abholen wollten. Der Lokalbesitzer füllte die Wahlkarte aus und übergab sie den Studenten. Dennoch wurde er am letzten Wahltag um etwa 16 Uhr vom Funktionär Ronald Gutharc kontaktiert. Gutharc ist Wirt des Szenelokals "Zum Kuchldragoner" und Kandidat des SWV für die Sparte der Kaffeehäuser. Dieser kam laut Gerichtsakt samt Taxi zum Lokal des Zeugen und fuhr ihn ins Wahllokal. Seinen Hinweis, dass der Zeuge bereits gewählt habe, soll Gutharc nicht erwidert haben. Gutharc soll lediglich berichtet haben, dass angeblich Taschen voller Wahlkarten in Praternähe aufgefunden worden seien. Nachdem der Zeuge seine Stimme im Wahllokal abgab, wurde er mit dem Taxi wieder in sein Lokal geführt. Die Frau, die das Taxi fuhr, soll noch gemeint haben, sie sei den ganzen Tag schon mit solchen Fahrten beschäftigt gewesen.

Laut einer weiteren Zeugenvernehmung dürfte noch eine Person im Wahllokal wählen gewesen sein, obwohl sie zuvor eine Wahlkarte erhielt. Die Person berichtete gegenüber der Polizei, dass sie nicht mit der Wahlkarte wählen wollte und das ungeöffnete Kuvert dem Präsidenten des SWV und Spitzenkandidaten Fritz Strobl persönlich überreicht habe. Was dieser damit machte, ist nicht geklärt.

Schweigen von SWV und Wirtschaftsbund

Unzensuriert.at ersuchte die Presseabteilungen des Wirtschaftsbunds und des SWV per E-Mail um Stellungnahmen. Trotz schriftlicher Zusage gab es keine Stellungnahme vom Wirtschaftsbund. Der SWV blieb seiner Linie erneut treu – er reagierte auch diesmal auf die Anfrage von Unzensuriert.at konsequent nicht.

Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

 

Nachtrag:

Die Redaktion von Unzensuiert.at erreichte mittlerweile vom Wirtschaftsbund folgende Stellungnahme:

Zu Beginn ist zu sagen, dass alle Fraktionen an den Wahltagen drei Mal pro Tag darüber in Kenntnis gesetzt werden, wer bereits gewählt hat oder nicht. Sollte eine Wahlkarte abgeschickt aber noch nicht eingetroffen sein, gilt diese Person ebenfalls als noch nicht gewählt. Es ist üblich und nicht verboten, dass die Fraktionen und ihre Kandidaten dann jene Personen anrufen die noch nicht gewählt haben, von denen sie jedoch aus Naheverhältnissen, Freundschaften oder Mitgliedschaften wissen, dass diese potentielle Wähler für die eigene Fraktion sind. Im Falle der Betriebsgesellschaft Schönbrunn kann ich nicht sagen, was ausschlaggebend war, dass die Wahlkarte noch nicht als gewählt gewertet wurde. Es besteht die Möglichkeit, dass diese noch nicht in der Wirtschaftskammer war, dafür sind wir als WB aber der falsche Ansprechpartner. Ausschließen können wir jedoch, dass eine Stimme doppelt gezählt wird.

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