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Wie wird es in Zukunft in Südamerika weitergehen?

23. April 2015 / 15:13 Uhr

Auf dem Gipfel in Panama werden die Karten neu gemischt

Der vom 10. bis 11. April in Panama veranstaltete Gipfel lateinamerikanischer Staaten bedeutet eine Kehrtwende im Verhältnis der Vereinigten Staaten von Amerika zu seinen Nachbarn der südlichen Hemisphäre. 35 Staats- und Regierungschefs trafen im tropisch-heißen Panama-Stadt zusammen. Unter ihnen war einer, der zuvor noch nie auf der Gästeliste erschien: Raul Castro, der von seinem Bruder Fidel ernannter kubanischer Regierungschef, betrat erstmalig lateinamerikanisches Gipfelparkett. Ideologisch mit ihm verbunden, sein venezolanischer Amtskollege Nicolas Maduro, Nachfolger des legendären Kommandanten Chavez.

Gastbeitrag von Michael Johnschwager

Der amerikanische Subkontinent ist zunehmend von politischen Spannungen überschattet. Auf ihm herrscht die größte Ungleichheit weltweit, schlimmer als in Afrika. Ein nur selten feststellbarer Konsens besteht darin, zügig Abhilfe zu schaffen, wobei mittlerweile Bildung als geeignetes Instrument angesehen wird. “Prosperität und Gleichheit” lautet denn auch das Motto des Gipfels und dabei knüpfen die Staats- und Regierungschefs immense Erwartungen an die Organisation amerikanischer Staaten (OAS). Es sollen Wege in Richtung einer wirtschaftlichen Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten geebnet werden. Um diese hehre Absicht in die Tat umzusetzen, setzt man auf die finanzielle Unterstützung dreier Kreditgeber: der interamerikanischen Entwicklungsbank (BID), der Entwicklungsbank von Lateinamerika, sowie der altbewährten Weltbank.

Mit ihrem Direktor, dem Briten Guy Ryder, entsandte die Internationale Arbeitsorganisation (OIT) einen Experten der die Anwesenden behutsam auf künftige unliebsame Tendenzen einstimmt: “Lateinamerika muss sich in den kommenden Jahren auf eine zunehmende Arbeitslosigkeit vorbereiten.” Gleiches gelte ebenso für die restliche Welt, die sich einer globalen Beschäftigungskrise konfrontiert sieht. Lateinamerika bleibt die “Region mit der größten Ungleichheit auf dem Planeten”, und dies trotz einer Dekade wirtschaftlichen Wachstums. In den letzten zehn Jahren ist die Arbeitslosenquote Lateinamerikas von 11 Prozent auf 6,1 Prozent gesunken.

Das besondere Interesse der Weltöffentlichkeit richtete sich auf den Vertreter des erstmalig teilnehmenden Kuba, sowie auf den sich zuletzt recht widerborstig gebärdenden Repräsentanten Venezuelas. Im Falle der sozialistischen Karibikinsel hat das US-Außenministerium gegenüber dem Weißen Haus die Empfehlung ausgesprochen, Kuba von der Liste der „internationalen Terrorismus fördernden Staaten“ zu streichen. Dieser historische Vorstoß wird von allen Beteiligten als eine bedeutungsvolle Geste von Obama gesehen mit dem Ziel, die seit über einem halben Jahrhundert brach liegenden diplomatischen Beziehungen wieder zu reaktivieren. Ein inzwischen in die Jahre gekommener ehemals führender Mitstreiter der kubanischen Revolution von 1959, Raul Castro und Amerikas Präsident reichen sich die Hand, wenn auch nur kurz und nicht gerade überschwänglich.

Unzufriedenheit aus Venezuela

Noch weit davon entfernt ist die venezolanische Delegation unter Führung des ebenfalls im besten Mannesalter befindlichen volksnahen Nicolas Maduro. In Venezuela ging ein Aufschrei durch die Menge als das US-State Department verlautbarte, die südamerikanische Petroleumnation stelle eine Bedrohung für die Sicherheit der USA dar. Heftige Reaktionen, z.B. Visapflicht für US-Bürger und eine verschärfte Tonlage waren erwartungsgemäß die Folge auf das von Maduro als imperialistisch wahrgenommene Dekret aus Washington.

In Panama hingegen forderte Venezuelas Außenministerin Delcy Rodriguez, “dieses imperialistische Dekret zurückzuziehen.” In diesem Zusammenhang erinnerte sie daran, dass Obama inzwischen zugegeben habe, dass Venezuela keine Bedrohung für sein Heimatland sei. Erst auf Nachfragen erfuhren die indignierten Latinos, dass “Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA” eher als protokollarischer, denn als einschüchternder Ausdruck zu interpretieren sei. Die US-amerikanische Betrachtungsweise wurde den kaum geneigten Venezolanern vom Vizepräsidenten des Forums Consejo de las Americas, Eric Farnsworth, nahe gebracht: “Die Konfrontation mit den USA ist traditionell das am besten geeignete Mittel, die Aufmerksamkeit von internen Angelegenheiten abzulenken!”

Nicht zu übersehen war auf dem Gipfel der Schulterschluss der Staatenlenker aus Bolivien, Kuba, Nicaragua und Venezuela. Die ideologische Ausrichtung dieser Staaten hat einen tiefen Graben zum “großen Bruder im Norden” entstehen lassen. Der gemeinsamen Formulierung eines von Konsens getragenen Dokuments standen die Forderungen aus Caracas entgegen. Daher reichte es zum Ausklang des Treffens nur zu dem von Panama herausgegebenen Abschlussbericht.

Michael Johnschwager, 1949 in Hamburg geboren, war als Außenhandelskaufmann von 1980 bis 1990 in Kolumbien, Venezuela und Honduras privatwirtschaftlich, sowie in Entwicklungsprojekten in Costa Rica in beratender Funktion im Einsatz. Seit 2004 ist Johnschwager als fremdsprachlicher Dozent und Autor mit Schwerpunkt Lateinamerika freiberuflich tätig.

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