Demokratisch, kritisch, polemisch und selbstverständlich parteilich

Das Interalpen-Hotel in Telfs ist ein idealer Tagungsort für die Bilderberger. Schon durch die Lage ist es bestens von der Umwelt abgeschirmt.

7. Juni 2015 / 13:03 Uhr

Bilderberger: “Die einflussreichste Gruppe der Welt”

Es ist wieder soweit: Von 10. bis 14. Juni geht die jährliche Bilderberger-Konferenz über die Bühne. Diesmal sogar in Österreich, konkret im Interalpen-Hotel in Telfs in Tirol. Nicht zum ersten Mal übrigens: Schon 1988 waren die Bilderberger in Telfs zu Gast. Zumeist werden für die Konferenzen ja eher abgeschiedene Orte und Hotels gewählt, die sich gut hermetisch abriegeln lassen.

Gastkommentar von Harald Vilimsky

Der Sicherheitsaufwand ist auch diesmal wieder gigantisch, die Kosten dafür ebenfalls. Angesichts dessen, dass es sich dabei um eine private Konferenz handelt, wird der Aufwand regelmäßig kritisch hinterfragt und ebenso regelmäßig zum größten Teil von den Staaten, wo die Konferenz stattfindet, auch bezahlt. Diesmal also von Österreich.

Wer will, kann auch dagegen protestieren: Ein gutes Stück entfernt zwar von den Mächtigen, aber immerhin. Am 13. Juni ab 14 Uhr startet am Rathausplatz in Telfs ein Protestmarsch.

Der Zeitpunkt heuer wäre historisch: Der Bankier und Milliardär David Rockefeller, das “Mastermind” hinter den Bilderbergern, feiert während der Konferenz am 12. Juni seinen 100. Geburtstag. Er war über Jahrzehnte hinweg der wohl wichtigste Gast in der illustren Runde. Jetzt ist er nicht mehr der Jüngste und nach immerhin sechs (!) Herztransplantationen gesundheitlich ziemlich angeschlagen. Stimmen die offiziellen Teilnehmerlisten, dann war Rockefeller zuletzt 2011 dabei (und erstmals im Gründungsjahr 1954). Aber seine Möchtegern-Welteliten-Freunde werden in Telfs wohl zumindest einen Toast auf ihn ausbringen.

Wer sind die Bilderberger eigentlich?

Mittlerweile sind die Bilderberger ja ganz gut dokumentiert – auch in durchaus ernst zu nehmenden Quellen. Daher hier in Kürze nur das Wichtigste dazu (wer sich detaillierter interessiert, findet am Ende des Artikels eine Linkliste zum Thema):

  • Die Bilderberger sind eine einmal jährlich stattfindende private Konferenzrunde mit 120 bis 150 Teilnehmern.
  • Die erste Konferenz fand 1954 statt – und zwar im holländischen Oosterbeek im Hotel De Bilderberg, woher denn auch der Name der Runde stammt.
  • Spiritus Rector hinter der Entstehung war Józef Retinger, der unter anderem auch maßgeblich an der Gründung der Europäischen Bewegungund des Europarates beteiligt war.
  • Von Anfang an war der US-Bankier David Rockefeller und seine Rockefeller-Stiftung stark involviert. Rockefeller ist auch die Person, die als einziger regelmäßig über Jahrzehnte an den Konferenzen teilgenommen hat.
  • Ziel der Bilderberger war und ist es, die Beziehungen zwischen Europa und den USA zu stärken (manche würden sagen, den US-Einfluss in Europa zu vergrößern).
  • Die Teilnehmer der Konferenzen kommen somit aus den USA (rd. ein Drittel) und Europa (rd. zwei Drittel).
  • Rund ein Drittel der Teilnehmer hat Regierungsfunktionen; die anderen zwei Drittel kommen aus der Privatwirtschaft (vor allem aus Finanz und Industrie) bzw. von Thinktanks und Universitäten, mitunter auch Medien.
  • Zur Konferenz muss man eingeladen werden; es gibt keine Teilnahmen kraft Funktion, gegen Bezahlung o.ä.
  • An Organen gibt es einen Vorsitzenden, der die Konferenz leitet, und einLenkungskomitee.
  • Vorsitzender ist seit 2010 Henri de Castries, Vorstandsvorsitzender des französischen Versicherungskonzerns AXA.
  • Das Lenkungskomitee entscheidet darüber, wer zu den Konferenzen eingeladen wird.
  • Die Bilderberger sind keine “Geheimorganisation” (wie das mitunter behauptet wird). Zeit, Ort und Teilnehmer der Konferenzen sind grundsätzlich bekannt (was keineswegs immer so war); die Organe kann man kontaktieren; es gibt auch eine offizielle Website.
  • Allerdings: Was auf den Treffen besprochen oder möglicherweise beschlossen wird, bleibt geheim. Daran müssen sich alle Teilnehmer halten. Und spätestens hier beginnt das Problem.

Top-Verschwörungstheorie: Nur ein bisschen golfen

Rund um die Bilderberger ranken sich zahlreiche Verschwörungstheorien. Die meiner Meinung nach beste davon: Es treffen sich rund 130 Top-Leute aus internationaler Wirtschaft, Finanz und Politik, um einfach nur zwei, drei nette gemeinsame Tage in Luxushotels zu verbringen.

Man begegnet einander im Wellness-Bereich und auf dem Golfplatz, um ein bisschen zu plaudern, ein bisschen zu saunieren und sich beim Dinner ein bisschen über Weltpolitik und Weltwirtschaft auszutauschen. Tiefere Absicht? Natürlich keine. Nur ausspannen im Kreise von seinesgleichen. Man hat ja schließlich sonst nicht viel zu tun.

Zugegeben: Von allen Verschwörungstheorien gehört diese zu den unglaubwürdigsten. Sie ist aber auch die am häufigsten verbreitete.

Die Österreicher unter den Bilderbergern

Die aktuellen “Ober-Bilderberger” Österreichs sind Kontrollbank-Chef Rudolf Scholten (unter Vranitzky in den 90er-Jahren Minister für Unterricht und Kunst) sowie Oscar Bronner, Eigentümer und Herausgeber der Tageszeitung “Der Standard”. Beide haben seit 2006 an allen Bilderberger-Konferenzen teilgenommen (siehe Grafik). Sie werden wohl auch heuer wieder dabei sein.

Kanzler Faymann hat ausrichten lassen, dass er diesmal nicht kommen wird. Ob abgesagt oder gar nicht mehr eingeladen blieb offen. Schließlich lautet ja eines der Bonmots in dem Zusammenhang: Seitdem Faymann bei der Bilderberg-Konferenz war, wisse man, wie ungefährlich diese Runde sei.

Bleibt Bundespräsident Heinz Fischer, der die Konferenz eröffnen wird – und immer eine Idealbesetzung ist, wenn es darum geht, viel zu reden und nichts zu sagen. Geheimhaltung auf höchster Stufe gewissermaßen. Wie das läuft, weiß er aus 2010, wo er schon einmal dabei war.

Rudolf Scholten ist übrigens auch einziges österreichisches Mitglied imBilderberger-Lenkungskomitee – und spielt damit wohl eine zentrale Rolle bei der Auswahl der Teilnehmer aus Österreich. Im Lenkungskomitee haben sozialdemokratische Banker eine lange Tradition: Seine Vorgänger in dieser Funktion sind Hannes Androsch, Hans Igler, Peter Jankowitsch, Max Kothbauer und Franz Vranitzky. Die Sozialdemokraten sitzen bei den Konferenzen übrigens einträchtig neben US-Großbankern und NATO-Militärs, was niemanden weiter zu stören scheint.

Bilderberger_Teilnehmer_Österreich

Zahlreiche Verbindungen zur EU

Die Verbindungen zur Europäischen Union sind vielfältig. Bei den Bilderberger-Konferenzen tanzen regelmäßig Exponenten der EUphoriker-Elite an. Der derzeitige Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi war schon acht Mal dabei – erstmals 1994 als er noch Generaldirektor im italienischen Finanzministerium war. Hinderlich für seinen Aufstieg an die europäische Gelddrucker-Spitze wird seine Konferenzteilnahme vermutlich nicht gewesen sein.

Aber nicht nur der EZB-Chef selbst schaut bei den Bilderbergern rein, sondern da und dort auch Mitglieder seines Direktoriums, so unter anderem 2010 die Österreicherin Getrude Tumpel-Gugerell (jetzt Wirtschaftsforschungsinstitut).

Der Euro: Erfunden von den Bilderbergern

Auch Draghis Vorgänger an der EZB-Spitze,Jean-Claude Trichet, war regelmäßig auf den Konferenzen zu Gast. Alles wenig verwunderlich, wenn es heißt, dass die Bilderberger in den neunziger Jahre wesentlich dazu beigetragen haben, den Euro als gemeinsame europäische Währung zu schaffen.

Nein, leider keine Verschwörungstheorie. Das kommt von Étienne Davignon, ehemals Vizepräsident der Europäischen Kommission. Und Davignon sollte es an und für sich wissen, war er doch lange Jahre Vorsitzender der Bilderberger-Konferenz.

Europa-Währung schon 1955 geplant?

Mag sogar sein, dass Davignon da noch untertrieben hat: Auf Wikileaks kursiert nämlich der angebliche Sitzungsbericht der Bilderberger-Konferenz von 1955 in Garmisch-Patenkirchen. Dort wurde bereits die Errichtung einer gemeinsamen europäischen Währung ins Auge gefasst, ebenso wie die Etablierung einer “zentralen politischen Autorität” für Europa. Zwei Jahre später – 1957 – war es dann mit den Römischen Verträgen auch soweit: die Vorläufer der heutigen Europäischen Union enstanden.

Regelmäßig an der Weltenlenker-Runde nehmen auch Mitglieder der Europäischen Kommission teil, wie etwa im Vorjahr Viviane Reding, damals noch Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. Wir sind schon wirklich gespannt, wer die Kommission heuer vertreten wird.

Schaut man sich die Bemühungen und handelnden Akteure rund um die Gründung der Bilderberger-Konferenz an, dann wird ziemlich klar: Das “Vereinigte Europa” spielte hier von Anfang an eine zentrale Rolle. Ob man soweit gehen kann, die EU als Schöpfung der Bilderberger zu bezeichnen, bleibt naturgemäß offen. Dass es aber eine deutliche Verbindung gibt, lässt sich ohne viel Risiko behaupten.

Wo ist das Problem?

Manche meinen, die Bilderberger seien ja nur eine Konferenz, wie es viele gibt. Das stimmt schon. Aber wie viele Konferenzen gibt es, die so hochkarätig besetzt sind? Und wie viele davon machen ein derartiges Geheimnis um ihre Inhalte und Ergebnisse?

Dann wieder heißt es, es handle sich um ein rein privates Treffen – und ginge somit die Öffentlichkeit nichts an. Putzig reagierte dazu Bundeskanzler Faymann, der 2009 auf eine parlamentarische Anfrage antwortete, er habe ja nicht in seiner Funktion als Bundeskanzler teilgenommen. Glaubt Faymann wirklich, dass ihn die Bilderberger wegen seiner Expertise als Wohnbau-Stadtrat dazuholen? Oder wegen seines intellektuellen Weitblicks als anerkannter Weltpolitikexperte? Faymann hätte nur auf die offizielle Teilnehmerliste schauen müssen: Seine Funktion wird dort mit “Federal Chancellor” angegeben. Von privat keine Rede also.

Das Problem ist, dass hier – sehen wir von Lame Duck Faymann einmal ab – ziemlich wichtige Personen aus der westlichen Welt zusammentreffen, die Wirtschaft und Politik maßgeblich zu beeinflussen vermögen. Ob und inwieweit sie das auch mit Hilfe der Bilderberger-Konferenz tun, ist im Einzelfall wohl schwer zu belegen.

Demokratisch nicht legitimiert

Fakt ist aber: Institutionen wie die Bilderberger-Konferenz sind weder demokratisch gewählt noch unterliegen sie einer demokratischen Kontrolle. Sie sind also vom Standpunkt demokratischer Entscheidungsprozesse aus betrachtet nicht legitimiert.

Selbst wenn gewählte Entscheidungsträger (was ja ohnehin nur für einen Teil zutrifft) dort auftreten, so verweigern sie aufgrund der Bilderberger-Regeln der Öffentlichkeit in ihren Ländern die Auskunft darüber, was dort besprochen oder eventuell beschlossen wurde. Sie stellen damit also ihre Bilderberger-Teilnehmerschaft über ihre gewählte Funktion – und versuchen sich mit der angeblich “privaten” Teilnahme herauszureden.

Medien nehmen teil – und schweigen

Bei vielen Medien funktioniert das ja ganz gut, oder glauben Sie wirklich, der “Standard” würde über ein Treffen ausgewogen und kritisch berichten, an dem sein Eigentümer und Herausgeber seit Jahren teilnimmt? Und Oscar Bronner ist bei weitem nicht der einzige Medienmann dort. Der britische “Economist”, die deutsche “Zeit”, die Springer-Gruppe (Bild, Welt, etc.), die Neue Zürcher Zeitung und einige mehr waren schon dort vertreten – zumeist durch ihre Chefredakteure. Aber natürlich nicht, um darüber Bericht zu erstatten. Sondern um mit am Tisch über die Geschicke der Welt zu debattieren.

Machen wir uns nichts vor: Eine Runde, die abseits demokratischer Prozesse eine derartige Geheimniskrämerei betreibt, hat in der heutigen Welt nichts mehr verloren. Sie ist in einer offenen und transparenten Gesellschaft ungefähr so zeitgemäß wie die Monarchie.

Der britische “Telegraph” schreibt über die Bilderberger: “Keine Verschwörung, nur die einflussreichste Gruppe der Welt.” Die Kollegen vom“Independent” meinten einmal: “Es ist beängstigend, dass Entscheidungen, die von dieser nicht gewählten Kabale gemacht werden, heute jeden Bürger dieser Welt betreffen können.”

Um einer solchen Gruppe kritisch gegenüber zu stehen und deren Gemauschel im Graubereich der Nicht-mehr-Demokratie aufs Schärfste abzulehnen, dafür braucht es weder “geheimes” Insiderwissen noch Verschwörungstheorien. Es reicht der gesunde Menschenverstand.

Weiterführende Quellen

Harald Vilimsky ist Delegationsleiter der FPÖ im Europäischen Parlament und Generalsekretär der FPÖ. Dieser Artikel ist auf der Webseite www.fpoe.eu erschienen.

>> Harald Vilimsky auf Facebook und Twitter

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