Demokratisch, kritisch, polemisch und selbstverständlich parteilich

Die Sammlung Alter Musikinstrumente zählt zu den wertvollsten Museumskollektionen der Welt, sie muss dem Haus der Geschichte weichen. Kritik an dieser Vorgangsweise wird im Keim erstickt, wie jüngst eine Podiumsdiskussion bewiesen hat.

24. Juni 2015 / 20:00 Uhr

Diskussion um das Ende für die Sammlung Alter Musikinstrumente: Kritik(er) unerwünscht

Am 22. Juni fand in der Säulenhalle des sogenannten “Weltmuseums” – vormals zwar leichter verständlich, aber eben politisch inkorrekt “Völkerkundemuseum” genannt – die Präsentation vorläufiger, im Entwicklungsstadium befindlicher Zwischen-Konzepte zum roten Prestige-Projekt “Haus der Geschichte” statt.

Gastkommentar von Markus Vorzellner

Ein etwa einstündiger Vortrag des Kurators, des roten Haus- und Hofhistorikers Oliver Rathkolb, ließ ein in großen Teilen gelangweiltes Publikum wissen, daß alles noch im Planungsstadium sei und man nichts Konkretes sagen könne. Man habe allerdings zahlreiche Personen und Organisationen in dieses Projekt integriert, um – ein Lieblingswort des Genossen Historiker – Synergien zu erzeugen. Dazwischen erfolgte freilich auch das Aufzeigen der obligaten Opferrolle: Er, Rathkolb, sei im Lauf seiner ehrlichen und aufrichtigen Bemühungen äußerst belastenden Anwürfen ausgesetzt gewesen, die er selbst niemandem wünsche.

Nach diesem Gemisch aus Synergie-Beschwörung und Selbstmitleid war eine Podiumsdiskussion angesetzt, zu welcher der Direktor der Hofjagd- und Rüstkammer Matthias Pfaffenbichler, die Vizedirektorin der KulturAgenda Renate Goebl, der Publizist Martin Fritz, sowie der Präsident der ICOM Hans-Martin Hinz geladen waren. Knapp vor Beginn dieser Diskussion erklomm der bekannte Violinst und Ensembleleiter Eduard Melkus dieses Podium. Danielle Spera, Direktorin des “Jüdischen Museums Wien”, ersuchte ihn, sich wieder hinunter zu begeben.

Kein Vertreter der Sammlung Alter Musikinstrumente (SAM)

Auf einen Publikumseinwand, es sei kein Vertreter der Sammlung Alter Musikinstrumente (SAM) zur Diskussion geladen worden, antwortete Frau Spera, man habe deren Direktor Rudolf Hopfner eingeladen, dieser habe jedoch abgelehnt.

Recherchen, die Tage zuvor durchgeführt worden waren, hatten ergeben, dass Direktor Hopfner sehr wohl Wert darauf gelegt hätte, in eine solche Diskussion miteinbezogen zu werden; schließlich gehe es doch um die Zerstörung der Sammlung zugunsten dieses “Hauses der Geschichte”. Es hatte also den Anschein, als ob diese Institution gezielt aus dem Diskussionsprozess herausgehalten werden sollte, um unangenehme Fragen zu vermeiden und die oftmals bemühten “Synergieeffekte” im Bereich sozialistischer Jasagerei zu belassen.

Für die Erhaltung der SAM

Doch der Schuss ging zur Gänze nach hinten los. Sowohl Matthias Pfaffenbichler als auch Renate Goebl traten gezielt für die Erhaltung der SAM ein und stellten Fragen nach der Sinnhaftigkeit von deren Abtransport und damit potentieller Zerstörung, was den Haus- und Hofhistoriker recht nervös machte. Es half auch nichts, daß Martin Fritz und Moderator Thomas Trenkler den Fokus auf das eigentliche Thema des Abends zurückführen wollten; selbst der Diskussionsbeitrag von Hans-Martin Hinz, in Deutschland würden derartige Themen nicht von der Politik gesteuert, traf die Intentionen der Meinungsführer kaum zur Gänze. Und so stand, sobald die Publikums-Diskussion freigegeben worden war, abermals die SAM im Mittelpunkt. Nach zwei Wortmeldungen aus den Reihen prominenter Musiker und Musikologen, bei welchen auch die erboste Bezeichnung jener Vorgangsweise als taliban-würdig fiel, ergriff der Autor dieses Beitrags als dritte Person das Wort. Zuerst wies er auf die ständig wiederkehrende Irreführung der Steuerzahler durch falsche Zahlen hinsichtlich der Kosten des Projektes hin. Des Weiteren prangerte er an, dass man prominenten Musikern falsche Aussagen in den Mund gelegt hatte, um das rote Prestige-Projekt zu fördern. So soll Nikolaus Harnoncourt nach einem Gespräch mit Minister Ostermayer für die Umsiedlung der SAM eingetreten sein, eine Behauptung, die ein Blick in die Salzburger Nachrichten vom Februar dieses Jahres sofort widerlegen kann.

Dem aus solchen Umständen resultierenden Vorwurf, in dieser Sache nicht in demokratischer, sondern totalitärer Weise zu agieren, antwortete Prof. Rathkolb, wie nicht anders zu erwarten, mit der Nazikeule: Totalitär sei der Mord an 6 Millionen Juden gewesen und nicht das, was er hier mache!

Diese Äußerung, die von massiven Raunen im Publikum begleitet wurde, beschloss gleichsam den Abend, da Moderator Thomas Trenkler jede weitere Diskussion unter massivem Publikumsprotest abwürgte, mit dem Hinweis, es handle sich um eine Podiums-Diskussion, was jedoch nirgends expressis verbis angekündigt worden war.

Panische Angst vor kritischer Auseinandersetzung

Was von der ganzen Veranstaltung übrig zu bleiben schien, war panische Angst vor faktengetragener kritischer Auseinandersetzung, sowie ein schaler Nachgeschmack eines unausgereiften Projekts, das auf ideologische Selbstdarstellung sozialistischer Anmaßung fußt. Diese duldet keine Kritik, weder am ständig wachsenden Flächenbedarf des “Hauses der Geschichte” – dem dieswöchigen profil zufolge seien es bereits 6000 m2 – noch an dem Umstand, dass trotz fehlenden Konzepts, sowie fehlender Museumsbestände (!) ihrerseits eine der weltweit wertvollsten Sammlungen knapp vor ihrem 100. Geburtstag zerstört werden soll.

Markus Vorzellner lebt als Pianist (Schwerpunkt Kammermusik und Liedbegleitung), Musikpublizist und Pädagoge in Wien.

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