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29. September 2015 / 14:30 Uhr

Kolumbien: Präsident und Rebellen verständigten sich auf ein Friedensabkommen

Die letzten Tage im September rücken jahrzehntelang gehegte Hoffnungen auf die ersehnte Befriedung des bewaffneten internen Konflikts in Kolumbien in greifbare Nähe. Am 23. September 2015 verständigt sich Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos mit dem Führer der FARC-EP (Revolutionäre Streitkräfte in Kolumbien – Volksheer), Rodrigo Londono (Kampfname Timoschenko, bzw. Timoleon Jimenez) auf ein historisches Friedensabkommen. Wenn dieses in spätestens einem halben Jahr in Kraft tritt, ist Santos ein Schritt gelungen, der ihm einen hohen Stellenwert bei der Lösung des von Gewalt geprägten internen Konflikts zuweist. An dieser Friedensmission scheiterte in mehr als 50 Jahren ein gutes Dutzend Vorgänger im Amt. Jeder von ihnen unternahm mannigfache Anläufe, die sich allesamt auf Vermittler aus den eigenen Reihen gründeten.

Gastbeitrag von Michael Johnschwager

Santos war gut beraten, bei seiner Ende 2012 angestoßenen Friedensinitiative internationale Vermittler auf den Plan zu rufen. Die Interessen der FARC-Rebellen nahm Kuba wahr; Norwegen hingegen agierte als Vertreter der kolumbianischen Nation. So ist es dank der konstruktiven Zusammenarbeit der Mediatoren beider Länder gelungen, die Ende 2012 in Oslo aufgenommenen und danach in Havanna fortgeführten Verhandlungen nach knapp drei Jahren zu einem für beide Parteien guten Ende zu bringen.

Zunächst wird die sogenannte Übergangsjustiz (Justicia transicional) im Lande etabliert. Mit der Errichtung spezialisierter Tribunale zugunsten der internen Befriedung versprechen sich die Beteiligten die endgültige Beilegung des blutig ausgetragenen Konflikts in maximal einem halben Jahr vollzogen zu haben.

Konkrete Schritte

Welchen Weg hat man nun während der knapp drei vergangenen Jahre konkret beschritten, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen? Eine entscheidende Rolle kommt dabei der sogenannten Wahrheitskommission (Comision de la Verdad) zu, die sich mit der Beantwortung zu Fragen befasst, wie Opfer der Gewaltherrschaft für erlittenes Leid entschädigt werden sollen. Parallel dazu ging es darum, die Bedingungen für eine Amnestie zu definieren für diejenigen Kämpfer, die sich keinerlei Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben.

Santos lässt keine Zweifel aufkommen, dass alle diejenigen Aufständischen, die gegen die Menschenrechte verstoßen haben (Entführung, Folter, Vergewaltigung) keinesfalls damit rechnen dürfen, straffrei aus der Sache herauszukommen. Werden einem FARC-Angehörigen schwerwiegende Gräuel nachgewiesen, erwartet ihn eine Gefängnisstrafe zwischen fünf und acht Jahren. Dieses Strafmaß erhöht sich empfindlich, das heißt bis zu 20 Jahren, wenn der Betroffene anlässlich der Befragung seine Taten absichtlich verschweigt.

Rodrigo Londono von den FARC hingegen will sein Augenmerk verstärkt auf eine definitive beiderseitige Einstellung der Feindseligkeiten und Kampfhandlungen richten. Um dies zu gewährleisten, bedarf es der zügigen Rückgabe des umfangreichen Arsenals teilweise moderner Waffen. Last not least werden Schritte eingeleitet zur Umwandlung der FARC-Guerilla in eine legale politische Bewegung.

Tiefgreifendes Umdenken ist auch erforderlich auf der Gegenseite. Somit ist der Oberkommandierende General des Heeres, Alberto Mejia, damit befasst, die Militärdoktrin einer einschneidenden Revision zu unterziehen, also den neu entstandenen Gegebenheiten anzupasssen. Für die Streitkräfte gilt es, diese Veränderungen konsequent umzusetzen und sich damit den Herausforderungen für die Zeit nach dem Ende des Konflikts zu stellen.

Addiert man zu den FARC-Rebellen noch jene Angehörigen des ELN (Nationales Befreiungsheer), sind von den Auswirkungen des Friedenschlusses insgesamt bis zu 30.000 Personen betroffen, darunter auch einige Aktivisten aus dem Umfeld der Unterstützerszene.

Abschlussdokument soll bald unterzeichnet werden

Mit wohlwollender Erleichterung hat das US-Außenministerium (State Department) auf den Ausgang der Friedensverhandlungen in Oslo und Havanna reagiert. Dabei hat man in Washington ein Auge darauf, dass Kriegsverbrechen nicht ungesühnt bleiben werden. Die Bedeutung der Obama-Administration, die zügige Umsetzung des Konflikts zu begleiten, wird ersichtlich durch die Präsenz von Bernard Aronson, eines eigens dafür beauftragten US-Emissärs.

Der Händedruck zwischen Präsident Santos – Spross aus der Familie der inzwischen veräußerten größter Tageszeitung EL TIEMPO – und "Timoschenko" in Havanna verstärkte noch Kubas erster Mann an der Spitze, Raul Castro, durch ein demonstratives Handauflegen. Das darauf basierende Abschlussdokument soll innerhalb eines halben Jahres, also spätestens am 23. März 2016 die Unterschriften der beiden einst abgrundtief verfeindeten Kontrahenten tragen.

Michael Johnschwager, 1949 in Hamburg geboren, war als Außenhandelskaufmann von 1980 bis 1990 in Kolumbien, Venezuela und Honduras privatwirtschaftlich, sowie in Entwicklungsprojekten in Costa Rica in beratender Funktion im Einsatz. Seit 2004 ist Johnschwager als fremdsprachlicher Dozent und Autor mit Schwerpunkt Lateinamerika freiberuflich tätig. Für Unzensuriert.at schrieb er außerdem:

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