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Französische Soldaten landen in Mali – einer jener ehemaligen Kolonien, in denen Frankreich weiterhin massiven Einfluss ausübt.

21. November 2015 / 13:18 Uhr

Francois Hollande nach den Attentaten von Paris: Der Brandstifter als Biedermann

Kaum waren am vergangenen Freitag die Explosionen in der Pariser Innenstadt verhallt, da trat der französische Präsident Hollande vor die Kameras und forderte alle Demokraten auf, „die Reihen zu schließen und in dieser schweren Stunde zusammenzustehen“.

Gastbeitrag von Ernst Wolff

Hollandes Auftritt war ein klassisches Beispiel dafür, wie ein Brandstifter nach einer selbst gelegten Feuersbrunst als Biedermann auftritt. Schließlich war es seine Politik, die entscheidend dazu beigetragen hat, den Boden für die Terroranschläge in Paris zu bereiten.

Französische Regierung hat Nährboden für Terror selbst geschaffen

Kurz vor den Anschlägen hatte Hollande die US-Bombardements in Syrien mit der eigenen Luftwaffe unterstützt und damit den gefährlichsten Brandherd im Nahen Osten bewusst angefacht. Die militärische Eskalation stand im Einklang mit der immer aggressiveren Außenpolitik, die Hollande seit seiner Amtsübernahme verfolgt.

Diese Politik hat vor allem in den Vororten der französischen Großstädte verheerende Folgen. Dort sind die Lebensverhältnisse der Bewohner – darunter viele Migranten afrikanischer oder arabischer Herkunft – seit Jahrzehnten von Armut, Bildungsnotstand und Arbeitslosigkeit geprägt.

Seit der Finanzkrise von 2008 hat sich in den Wohnghettos angesichts des Ausbleibens sozialer Verbesserungen unter dem sozialistischen Präsidenten ein Klima der Hoffnungslosigkeit und der Verzweiflung breit gemacht. Hollandes aggressive Politik gegenüber den afrikanischen Herkunftsländern der Migranten hat nun dazu geführt, dass sich das Gefühl der Ohnmacht mit einer immer größeren Wut auf den Staat vermischt.

Auf diese Weise hat der Präsident den idealen Nährboden für die Rekrutierung politischer Verzweiflungstäter durch Extremisten geschaffen. Und nicht nur das: Die terroristischen Anschläge liefern Hollande auch noch den Vorwand, die eigene Politik mit noch größerer Entschlossenheit als zuvor durchzusetzen: Unmittelbar nach den Attentaten verfügte der Präsident die Schließung der Grenzen, um so die Flüchtlingsströme nach Frankreich einzudämmen. Außerdem weitete er die französischen Bombardements in Syrien aus, um der Welt zu zeigen, dass er unbeirrt an seiner Politik der Durchsetzung außenpolitischer Ziele mit militärischer Gewalt festhält.

Frankreich kämpft gegen den wirtschaftlichen Abstieg

Hollandes Politik ist nicht neu. Sie reiht sich nahtlos in die seiner Vorgänger ein und verfolgt vor allem ein Ziel: Frankreichs Absturz als Industriemacht mit allen Mitteln zu verhindern. Anders als die Stärke anderer führender Industrieländer gründet sich die Frankreichs nämlich nicht auf die eigene Wirtschaftskraft, sondern in erster Linie auf die anhaltende Ausplünderung und Unterdrückung der ehemaligen französischen Kolonien.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass der französische Kolonialismus in den sechziger Jahren zu Ende gegangen sei. Seine Ära hat nie aufgehört und dauert bis heute an – und zwar – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen.

Vor der vermeintlichen Entlassung in die Unabhängigkeit hat Frankreich 14 seiner ehemaligen Kolonien gezwungen, Abkommen zu unterzeichnen, die die Länder (Äquatorialguinea, Benin, Burkina Faso, Gabun, Guinea-Bissau, Elfenbeinküste, Kamerun, Kongo, Mali, Niger, Senegal, Togo, Tschad und die Zentralafrikanische Republik) auf unbestimmte Dauer an Frankreich binden, finanziell ausbluten und ihre tatsächliche Unabhängigkeit bis heute verhindern.

Frankreichs kriminelle Vereinbarungen mit den ehemaligen Kolonien

Die seit 1961 bestehenden Abkommen verlangen von den betroffenen Ländern u.a. Gelder für die Nutzung der zu Kolonialzeiten errichteten Infrastruktur, gestehen Frankreich ein Vorkaufsrecht auf neu entdeckte Rohstoffvorkommen zu, bevorzugen französische Konzerne bei öffentlichen Ausschreibungen, erlauben ausschließlich Frankreich die Lieferung von Rüstungsgütern und die Ausbildung von Soldaten und gewähren den Ländern das Recht auf militärische Allianzen nur mit Zustimmung der französischen Regierung.

Als Folge dieser vertraglichen Regelungen befinden sich die fast alle Vermögenswerte dieser Länder in den Bereichen Versorgung, Finanzen, Transport, Energie, Landwirtschaft und Militär in den Händen französischer Konzerne.

Besonders perfide aber ist folgende Regelung: Alle 14 Länder sind seit 1961 gezwungen, 85 Prozent ihrer Währungsreserven in der französischen Zentralbank in Paris zu lagern, wo sie direkt vom französischen Finanzministerium kontrolliert werden. Da die Länder keinen Zugang zu diesen Reserven haben, müssen sie sich im Bedarfsfall zusätzliche Mittel zu marktüblichen Zinsen beim französischen Finanzministerium leihen. Zusammen mit der Regelung, dass diese Länder Frankreich jährlich ihre Bilanzen offenlagen müssen, bedeutet das nichts anderes, als dass sie vom Pariser Finanzministerium aus zwangsverwaltet werden.

Notfalls werden Regierungen gewaltsam beseitigt

Natürlich lassen sich derartige undemokratische Knebelvereinbarungen nur so lange aufrechterhalten, wie die Regierungen in den jeweiligen Ländern sie akzeptieren und mit Paris kooperieren. Deshalb hat Frankreich bis heute mit militärischer Gewalt dafür gesorgt, dass sich nur solche Regimes an der Macht halten, die Paris vollständig hörig sind. Insgesamt 45 von Frankreich unterstützte Militärcoups seit Anfang der sechziger Jahre sprechen eine deutliche Sprache.

Wenn Francois Hollande jetzt nach den Anschlägen von Paris zum Schulterschluss mit der französischen Regierung aufruft und verlangt, dass alle Demokraten mit ihr die Reihen schließen, dann fordert er nichts anderes, als dass sich rechtschaffene Bürger mit genau den Verbrechern solidarisieren, die dem gegenwärtigen Terrorismus durch ihre jahrzehntelange kriminelle Politik den Weg bereitet haben.

Ernst Wolff, 1950 geboren, wuchs in Südostasien auf, ging in Deutschland zur Schule und studierte in den USA. Er arbeitete in diversen Berufen, u.a. als Journalist, Dolmetscher und Drehbuchautor. Die Wechselbeziehung von Wirtschaft und Politik, mit der er sich seit vier Jahrzehnten beschäftigt, ist für ihn gegenwärtig von höchster Bedeutung: „Die Finanzkrise von 2008 und die Eurokrise waren nur die ersten Vorboten eines aufziehenden globalen Finanz-Tsunamis, in dem der IWF und seine Verbündeten auch in Deutschland zu Maßnahmen greifen werden, die wir uns heute noch nicht vorstellen können.“

Ernst Wolff ist Autor des Buches „Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs“ .

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