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Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo sagt, ihr Land habe das Recht, souveräne Entscheidungen zu treffen.

15. Jänner 2016 / 09:11 Uhr

EU-Kritik am polnischen Mediengesetz könnte zum Bumerang für Brüssel werden

Dieselbe Prozedur haben wir schon einmal erlebt. Den Herrschaften in Brüssel passte die Zweidrittelmehrheit des Viktor Orbán in Ungarn überhaupt nicht in den Kram, weshalb sie fortan laufend Kritik an den Vorhaben des Premierministers übten und oftmals sogar mit Sanktionen drohten. Nun – nachdem die konservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) von Jaroslaw Kaczynski sowohl den Präsidenten stellt als auch im Parlament die Mehrheit erlangte – gehen die EU-Wächter auf Polen los. Sie eröffneten ein Verfahren gegen Polen wegen möglicher Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit. Zentraler Punkt der Kritik ist das neue Mediengesetz, das vorsieht, dass die Führungspositionen in den öffentlich-rechtlichen Medien künftig von der Regierung bestimmt werden.

"Polnische Zustände" auch in anderen EU-Ländern

Medienexperten wissen, dass die EU mit dieser dreisten Entscheidung einen Bumerang abgeschossen hat. Denn wie sieht es in anderen europäischen Ländern mit der Pressefreiheit aus?

"Polnische Zustände" herrschen zum Beispiel auch in den Niederlanden, wo der Vorstand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (NPO) von dessen Aufsichtsrat ernannt, der wiederum von der Regierung bestimmt wird. Zuletzt ernannte der für die Medien zuständige Staatssekretär Sander Dekker einen Parteifreund zum Aufsichtsratsvorsitzenden. Und in Frankreich? Da werden die Intendanten öffentlich-rechtlicher Sender vom Präsidenten ernannt, die Mitglieder der Medienaufsicht CSA vom Staatschef sowie den beiden Präsidenten von Nationalversammlung und Senat. Auch viele kriselnde Printmedien hängen am Tropf des Staates, etwa so renommierte Blätter wie Le Monde und Le Figaro.

Königin ernennt BBC-Führungsteam

Ähnlich auch die Situation in Spanien, wo die Regierung indirekt einen beträchtlichen Einfluss auf die staatlichen Medien hat. Der RTVE-Präsident wird von der Regierung ernannt, muss im Parlament aber mit der absoluten Mehrheit der Stimmen bestätigt werden. Selbst in England, wo es offiziell keine Staatsmedien gibt, nimmt die Regierung Einfluss. Die Königin ernennt das Führungsteam der BBC, den BBC Trust, und zwar auf Empfehlung des Medienministers und des Premiers David Cameron.

EU-Scharfmacher Schulz preschte vor

Deutschlands EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hat die Entwicklungen in Polen mit besonders scharfen Worten verurteilt: "Die polnische Regierung betrachtet ihren Wahlsieg als Mandat, das Wohl des Staates dem Willen der siegreichen Partei unterzuordnen, inhaltlich und personell. Das ist gelenkte Demokratie nach Putins Art, eine gefährliche 'Putinisierung' der europäischen Politik", sagte Schulz der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).

Schulz kommt aus einem Land, wo das Bundesverfassungsgericht erst mit einem Urteil im März 2014 den Einfluss von Staat und Parteien zurückdrängte. Die Karlsruher Richter entschieden, dass der Anteil der Vertreter von Staat und Parteien in den Aufsichtsratsgremien der öffentlich-rechtlichen Sender höchstens ein Drittel betragen dürfe.

Man könnte in den europäischen Staaten so weitermachen und dabei vor allem Österreich nicht vergessen. Oder behauptet jemand allen Ernstes, dass die Politik auf den ORF keinen Einfluss hat? Natürlich ist Alexander Wrabetz Generaldirektor von Werner Faymanns Gnaden. Das oberste ORF-Gremium, der Stiftungsrat, wird zu großen Teilen von der Bundesregierung, den Parlamentsparteien und den Landesregierungen besetzt. Der Stiftungsrat bestellt den ORF-Generaldirektor.

Polen hat Recht auf souveräne Entscheidungen

Wer diese Konstellationen kennt, braucht nicht mit dem Finger auf Polen zeigen. Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo verteidigte deshalb auch am Mittwoch den Kurs ihrer Regierung: "Polen hat das Recht, souveräne Entscheidungen zu treffen, darunter auch, wie seine Medien aussehen."

Die EU wird sich hüten, Polen tatsächlich anzuklagen oder sogar Sanktionen zu verhängen. Man müsste dann wohl auch Frankreich, Deutschland, England, Spanien und Österreich in die Mangel nehmen. Am Mittwoch klang die Drohung Richtung Polen dann auch nicht mehr so hart. EU-Vizepräsident Frans Timmermans betonte, Polen nicht anklagen, sondern Probleme gemeinsam lösen zu wollen. Das klingt schon viel vorsichtiger als die Aussage des Martin Schulz, der von einer "gefährlichen Putinisierung" in Polen sprach.

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