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Jamala siegte beim Song Contest mit einem Lied, dessen Text als politisches Statement verstanden werden kann. Das wäre laut Wettbwerbsregeln eigentlich verboten.

15. Mai 2016 / 11:58 Uhr

Song Contest in Stockholm: Zuschauer wütend über Politshow gegen Russland

Der Song Contest 2016 in Stockholm mit der ukrainischen Siegerin Jamala wird mit dem Beigeschmack einer Politshow gegen Russland in die Geschichte eingehen. Die Kritik an der Jury-Wertung kommt praktisch aus allen Ländern Europas – mit einem schwerwiegenden Verdacht: Die Jurys, die im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender erstmals eingesetzt wurden, hätten kein künstlerisches, sondern ein politisches Urteil gefällt. Wäre es nach dem Publikum gegangen, hätte der russische Favorit Sergej Lasarew den 61. Song Contest für sich entschieden. So aber erreichte die Ukraine mit zwei zweiten Plätzen (Jury und Publikum) Rang eins vor Australien, das die Jury-Wertung gewann.

Politische Texte gegen Wettbewerbsregeln

Viele Mainstream-Medien und die Staatssender verschwiegen gar, dass der russische Sänger beim Publikum am besten ankam. Das war dann aber nur noch eine Draufgabe einer traurigen Veranstaltung, die in diesem Jahr mit einer wichtigen Regel brach: Nämlich Lieder mit politischen Texten vom Wettbewerb auszuschließen. Das Leidenslied "1944" über die Vertreibung der Tataren von der Krim unter Sowjetdiktator Josef Stalin sah die ukrainische Sängerin Jamala nicht nur als historische Begebenheit, sondern sie gab in Interviews zu, mit ihrem selbst geschriebenen Text auch aktuelle Ereignisse anzusprechen. Auch heute, so die Song-Contest-Siegerin, würden wieder Menschen auf der Krim veschwinden, seit Russland dort eingefallen sei und die Halbinsel anekktiert hätte.

ESC mischt sich in ukrainisch-russischen Konflikt

Beim europäischen Gesangswettbewerb waren politische Songs bis dato strengstens verboten. Warum das diesmal anders war und welche Rolle die Jury beim Sieg der Ukraine spielte, sind zwei Fragen, die unbeantwortet blieben und vielleicht in den nächsten Tagen noch zur Diskussion stehen werden. Die Zuschauer aber machen ihrem Unmut in den sozialen Netzwerken Luft: Man habe sich am ESC wegen der Musik und wegen der Lyrik erfreut und den Contest als Ort angesehen, bei dem die Politik außen vor bleibe. Nun aber sei der Song Contest mitten in den Streit zwischen der Ukraine und Russland gezogen worden – unter anderem auf Kosten der musikalischen Qualität.

Ukraine will Song Contest 2017 auf der Krim

Der Wettbewerb sei einst geschaffen worden, um einen nach dem Krieg zerrissenen Kontinent zu einen, sagte Moderator und Vorjahressieger Mans Zelmerlöw zum Auftakt der Finalshow. Moderatorin Petra Mede – die bereits 2013 in Malmö moderierte – ergänzte, wenigstens einmal im Jahr schaffe Europa eine völkerverbindende Show über die Musik. Das ist in Stockholm wohl nicht wirklich gelungen. Im Gegenteil: Nach dem Sieg Jamalas twitterte die Abgeordnete vom Block des Präsidenten Petro Poroschenko, Switlana Salischtschuk, "der nächste Wettbewerb sollte auf der ukrainischen Krim sein". Mit dieser Aussage goss Salischtschuk nicht nur Öl ins Feuer, sondern sorgte auch für politische Verwicklungen.

Xavier Naidoo von ARD ausgeladen

Bei all diesen Vorfällen rund um den Gesangswettbewerb darf das Abschneiden der österreichischen Starterin Zoe mit ihrem französischen Titel "Loin d´ici" nicht unerwähnt bleiben. Sie erreichte mit 151 Punkten (gegenüber der Siegerin mit 534 Punkten) den guten 13. Platz, dank Pulbikum, das die Sängerin wesentlich besser bewertete als die Jury. Den Deutschen (Jamie-Lee, "Ghost") blieb zum zweiten Mal hintereinander nur der letzte Platz mit abgeschlagenen elf Punkten. Zur Erinnerung: Die ARD hatte ursprünglich Xavier Naidoo als deutschen Kandidaten nominiert, die Nominierung jedoch wieder zurückgezogen, weil Naidoo nach der Nominierung von Kritikern als politisch zu weit rechts stehend qualifiziert wurde.

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