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Dieter Böhmdorfer mit seinem Kollegen Rüdiger Schender (links) vor dem Verfassungsgerichtshof: Manipulationen waren dort nicht das Thema, sagt er. Sie wären ein Fall für die Strafgerichte.

5. Juli 2016 / 23:22 Uhr

Zahlreiche konkrete Verdachtsfälle für Manipulationen bei Bundespräsidentenwahl

Nach kurzer Schockstarre wagen sich jetzt die Kritiker der Verfassungsgerichtshofs-Entscheidung über die Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl aus der Deckung. Unverhohlen richten sie den Richtern aus, die Verfassung falsch interpretiert zu haben. Es gebe für den VfGH nichts auszulegen und herumzudeuteln – er muss nur lesen, sagt der in weit linken Kreisen hofierte Anwalt Alfred Noll, ein bekennender Unterstützer des Grün-Kandidaten Van der Bellen, dem Kurier.

Nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs

Dass der Gerichtshof bei der Einvernahme der Zeugen keinen Hinweis auf Manipulationen feststellen konnte, wird nun dahingehend gedeutet, dass es gewiss keine Manipulationen gegeben haben. Ein völlig falscher Schluss – aus zahlreichen Gründen.

Zunächst war es nicht die Aufgabe des VfGH, Manipulationen nachzuweisen. Diese wurden bei den behandelten Themen, nämlich den Verstößen gegen die Wahlordnung beim Auszählen der Briefwahlstimmen, vom Anfechtungswerber gar nicht behauptet. Dennoch wird eines verschwiegen: Mehrere Zeugen haben Manipulationen ganz und gar nicht ausgeschlossen. Sie haben lediglich betont, dass ihnen während ihrer Anwesenheit keine aufgefallen seien. Was aber davor (bei gesetzwidrigen Auszählungen ohne Wahlkommission etwa) passiert sei, dazu konnten sie naturgemäß gar nichts sagen.

In sieben Tagen nicht möglich

Dass sich die Anfechtung der Freiheitlichen nicht primär auf Verdachtsfälle für Manipulationen stützte, sondern auf nachweisbare Gesetzesverstöße, hat einen ganz einfachen Grund, den Rechtsanwalt Dieter Böhmdorfer schon am Freitag in der Pressekonferenz der Freiheitlichen vortrug, den die Journalisten aber – wie so vieles in dieser Causa – überhört haben dürften:

Man muss natürlich – und kann es auch nicht – vor dem Verfassungsgerichtshof keine Manipulation nachweisen. Es ist gar nicht möglich, innerhalb von sieben Tagen. Wir mussten innerhalb von sieben Tagen diese Beschwerde machen und konnten keine Gründe mehr nachbringen. Man kann in dieser Frist keine Manipulation nachweisen. Das gehört in der Gesamtheit der Rechtsordnung den Strafgerichten und anderen Behörden zugewiesen und zugeordnet, aber nicht dem Verfassungsgerichtshof.

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Konkrete Hinweise in der Wahlanfechtung

Darüber hinaus finden sich in der rund 150-seitigen Wahlanfechtung – exemplarisch angeführt – einige Punkte, die jedenfalls Auswirkung auf das Ergebnis der Wahl hatten – unabhängig davon, ob es sich um bewusste Manipulationen oder behördliche Fehler bzw. Schlampereien gehandelt hat.

So wurden Fälle bekannt, in denen Personen, obwohl sie eine Wahlkarte beantragt hatten, auch im Wahllokal wählen konnten oder hätten wählen können, weil der entsprechende Sperrvermerk fehlte oder nicht kommuniziert wurde. Es gab Personen, die zwei Wahlkarten erhielten, andere gar keine.

Unregelmäßigkeiten im Pflegeheim

Ein FPÖ-Beisitzer gab umfangreiche Unregelmäßigkeiten in einer in einem Wiener Pflegeheim tätigen fliegenden Wahlkommission zu Protokoll. Ein anderes freiheitliches Wahlkommissonsmitglied beklagte, dass ihn seine Kollegen an der Zählung der Stimmzettel gehindert hätten. Und einem Mitglied einer Vorarlberger Bezirkswahlbehörde fiel auf, dass bei 70 bis 80 Briefwahl-Stimmzetteln der Name Van der Bellen mit nur wenigen verschiedenen Handschriften geschrieben war. Man erklärte ihm dies so, dass Personen mit körperlichen oder ähnlichen Gebrechen eine „Wahlhilfe“ in Anspruch nehmen dürften.

Behördenfehler kostete zahlreiche Bürger ihr Wahlrecht

Und dann ist da noch die Geschichte mit den – vom Verfassungsgerichtshof ebenfalls nicht aufgegriffenen – ungültigen Briefwahlstimmen wegen falschfarbiger Stimmkuverts. Diese wurden durch die Abfragen der FPÖ in 44 Bezirken festgestellt. In 29 davon wurden diese Stimmen – gesetzeskonform als nichtig gewertet. Die betroffenen Bürger verloren also durch einen Behördenfehler ihr Stimmrecht. In den übrigen Bezirken wurden die Stimmen gezählt, was zwar dem schuldlosen Wähler gegenüber gerechter erscheinen mag, dafür aber eine klare Gesetzwidrigkeit darstellt.

Manipulationen könnten Strafgerichte beschäftigen

Der Verfassungsgerichtshof mag sich mit all diesen Dingen nicht näher auseinandergesetzt haben, weil sie zahlenmäßig das Ergebnis nicht drehen konnten. Doch klar ist auch, dass es sich bei den wenigen Beispielen nur um die Spitze des Eisbergs handelt. „Paradefälle der Manipulation sind Altersheime, Pflegeheime und Großfamilien“, sagt Dieter Böhmdorfer gegenüber den Oberösterreichischen Nachrichten. Gut möglich, dass bei entsprechend belegbaren Hinweisen noch so mancher Fall vor dem Strafrichter landet – und die Wahlmanipulation damit auch gerichtlich bestätigt wird.

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