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Nach Bekanntwerden des Ergebnisses dürfte es Matteo Renzi weniger zum Lachen zumute gewesen sein – er trat zurück.

5. Dezember 2016 / 17:35 Uhr

Italienische Wähler entschieden sich gegen zentralistischen Staat

Der 4. Dezember war auch für Österreichs südlichen Nachbarn ein Schicksalstag. Dort gab es ein Referendum über eine bereits vom Parlament abgesegnete Verfassungsreform, welche das politische System Italiens einschneidend verändert hätte. Die Bevölkerung hat sich mit etwa 60 Prozent dafür entschieden, die Verfassungsreform abzulehnen.

Senat sollte entmachtet werden

Der Kernpunkt der Verfassungsform wäre gewesen, die Gleichwertigkeit beider Kammern (Abgeordnetenkammer und Senat) im Parlament abzuschaffen. Es war vorgesehen, den Senat von derzeit 315 Mitgliedern auf 100 zu verkleinern. Außerdem wollte man dem Senat das Recht nehmen, einer Regierung das Misstrauen auszusprechen und ebenso sollte er nur noch über eine begrenzte Anzahl von Gesetzen befinden dürfen. Bisher musste jedes Gesetz vom Senat eine Bestätigung erhalten.

Gesetze sollten leichter durchgedrückt werden

Als Idee für die Reform wurde von der italienischen Regierung unter dem damaligen (am 5. Dezember zurückgetretenen) Ministerpräsidenten Matteo Renzi von dem Partito Democratico (PD) die Argumentation vorgebracht, dass man durch diese Verfassungsreform häufige Regierungswechsel verhindern und die langwierigen Prozesse im Gesetzgebungsverfahren beenden könne.

Zusätzlich zur Beschneidung der Rechte des Senats war vorgesehen, dass die Regionen Italiens wesentliche Kompetenzen an Rom abgeben müssten. Auch wollte man die 110 Provinzen als Verwaltungseinheit zwischen Regionen und Kommunen abschaffen, um das Land auch verwaltungsmäßig zu zentralisieren.

Anti-EU-Tendenzen sollten unterbunden werden

Eigentliches Ziel der Regierung Renzi war es, durch diese radikalen Reformen der Regierung mehr Macht zu verleihen, um dadurch möglichen Anti-Euro oder sogar Anti-EU Tendenzen, die sowohl von der Fünf-Sterne-Bewegung eines Beppe Grillo, der Lega Nord oder der Partei Forza Italia des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi vertreten werden, bereits im Vorfeld zu unterbinden.

Damit er seinem Ziel den gebührenden Nachdruck verleiht, hat Matteo Renzi sein persönliches, politisches Schicksal mit dem Ausgang des Referendums verbunden. Nach Bekanntwerden des Ergebnisses in den frühen Morgenstunden des 5. Dezembers nahm er dann wenigstens seinen Hut und trat als Ministerpräsident zurück.

EU in Sorge

Ob Italien nun tatsächlich, wie die europäischen Finanzmärkte und auch immer mehr warnende Stimmen aus Brüssel behaupten, durch diese Entscheidung vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch steht, wird die Zukunft entscheiden und auch, welche EU-freundliche oder -kritische Regierung bei etwaigen Neuwahlen an die Macht kommt.

Jedenfalls haben die italienischen Wähler in demokratischer Weise bewiesen, dass sie dem EU-genehmen Plan Renzis, ein Mehrheitswahlrecht ohne wirksame Kontrolle des Senats einführen zu wollen, misstrauten.

Und dass die EU stets in Sorge ist, wenn demokratische Wahlen in einem Mitgliedsland nicht so ausgehen, wie sie es wünscht, ist auch nichts Neues.

 

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