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Freiheitliche Trafikanten

Über 50 Prozent der österreichischen Trafikanten sind vorzugsberechtigte Behinderte. (Bild: Trafikanten aus dem Kreis der Freiheitlichen Wirtschaft in der WKO, vorne Mitte rechts: Ronny Walter)

28. März 2020 / 07:55 Uhr

Trafikanten geht langsam die Luft aus – Interview mit Berufsgruppensprecher

Unzensuriert hat mit Ronny Walter, seit rund 30 Jahren Trafikant in Wien-Meidling und Vertreter der Freiheitlichen Wirtschaft für die Berufsgruppe der Tabakfachgeschäftsinhaber in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) ein Interview zur Lage seiner Berufsgruppe in der aktuellen Corona-Krise geführt. Nach dem absoluten Rauchverbot seit November 2019 treffen die Trafikanten die aktuellen Einschränkungen doppelt hart – und das, obwohl sie ihre Geschäfte noch geöffnet haben dürfen.

Unzensuriert: Wie erleben Sie als Trafikant die derzeitige Situation in der Coronavirus-Krise?

Walter: Die Situation, wie sie sich derzeit darstellt, ist zweigeteilt. Einerseits muss ich, genauso wie viele Berufskollegen Umsatzeinbußen verzeichnen, anderseits bin ich als Nahversorger noch in der glücklichen Lage, mein Tabakfachgeschäft offen halten zu dürfen.

Mehr als die Hälfte der österreichischen Trafikanten sind vorzugsberechtigte Behinderte mit einem Versehrtengrad von mehr als 50 Prozent, darunter auch viele chronisch Kranke. Wie können die in dieser herausfordernden Situation überhaupt noch ihr Geschäft persönlich führen?

Bedingt durch die Umsatzeinbußen sind sehr viele Trafikanten leider gezwungen Personal anzubauen und die Öffnungszeiten einzuschränken. Die Belastung für die behinderten Trafikanten steigt dadurch massiv an und wird auf Dauer nicht zu bewältigen sein. Die chronisch Kranken unter den Berufskollegen benötigen dringend finanzielle Unterstützung, um Personalkosten zu decken, da sie nicht durchgehend selbst im Geschäft stehen können. Hier wäre der für Trafikanten bestehende Solidaritätsfonds wieder zu aktivieren und mit Zusatzmitteln auszustatten.

Haben Sie in ihrem Geschäftslokal besondere Vorkehrungen getroffen für den Schutz der Mitarbeiter und Kunden bzw. wurde da von der Monopolverwaltung eine Durchführungsrichtlinie veröffentlicht?

Ja. Die Distanz zu den Kunden wurde bei den Kassenschalten durch eine vorgebaute Barriere erweitert. Arbeitsplätze, Türgriffe usw. werden mehrmals täglich desinfiziert, die Mitarbeiter müssen sich in kurzen Abstände die Hände waschen bzw. mit Desinfektionsmittel reinigen. Zusätzlich haben wir eine „Sicherheitsfachkraft“ angestellt, die die Kunden nur einzeln ins Geschäft einlässt und auf den nötigen Abstand achtet.

Wie schauen die Umsätze bei Tabak, Glücksspiel und Zeitungen aus?

Die aktuellen Tabakumsätze sind bei meinem Standort im 12. Wiener Gemeindebezirk leicht rückgängig. Glücksspiel ist ebenfalls rückläufig, Zeitungen gehen gleichbleibend schlecht. Bei den Tabakumsätzen gibt es massive Unterschiede, je nach Standort. Wie ein Rundruf bei meinen Berufskollegen ergeben hat, verzeichnen vor allem Trafiken in Bahnhöfen oder Einkaufszentren Umsatzeinbußen.

In Zeiten wie diesen stellt sich auch wieder die Fragen nach der Rolle der Trafikanten als „letzte Nahversorger“. Inwieweit wäre hier eine Lockerung des Nebenartikelkatalogs sinnvoll?

Gerade in der jetzigen Situation beweisen die Trafikanten die Wichtigkeit der Nahversorgung. Eine Erweiterung des Nebenartikelkatalogs wäre auf jeden Fall sinnvoll, sollte aber Standort bezogen gehandhabt werden.

Sie sind ja auch als Trafikant Postpartner. Wie geht es Ihnen und ihren Mitarbeitern mit der aktuellen Herausforderung?

Ja, ich bin Postpartner an meinem Standort in Meidling. Die Postpartnerschaft ist in dieser Situation für mich und meine Mitarbeiterinnen eine spezielle Herausforderung. In der derzeitigen Situation wird vermehrt auf den Internethandel zurückgegriffen, und der Postpartner ist dadurch eine Art Drehscheibe. Hier ist vor allem der Versand und der damit zusammenhängende Rückversand eine Herausforderung. Die Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld und Geldgeschäften, also Pensions-, Arbeitslosengeld-, Sozialgeldauszahlung sowie Einzahlung von Erlagscheinen. Situationsbedingt stellt die Postpartnerschaft derzeit ein noch höheres Risiko in gesundheitlicher Hinsicht durch den Kundenkontakt dar.

Hat sich diese Situation auch auf den Umgang der Kunden mit Ihnen und Ihren Mitarbeitern ausgewirkt?

Ja, das erleben wir als Familienbetrieb gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen in zweierlei Weise. Ein Teil der Bevölkerung hat den Ernst der Lage begriffen und fügt sich der Situation und bedankt sich bei uns Trafikanten/Postpartner dafür, dass wir täglich für sie da sind. Andere negieren die Situation und es kommt zu Konflikten und Diskussionen.

Beim zweiten Coronavirus-Maßnahmenpaket wurde auch eine Verschiebung der Anhebung der Tabakhandelsspanne auf Oktober 2020 durchgeführt? Wie wirkt sich das auf die ökonomische Situation der Trafikanten aus?

Das ist für die Trafikanten nicht positiv, ganz im Gegenteil. Eine Erhöhung der Handelsspanne ist unbedingt erforderlich, da die Handelsspanne noch nie so niedrig war, wie bisher. Ein Drittel der Trafikanten steht vor dem Aus und wird diese Situation wahrscheinlich ökonomisch nicht überleben.

Viele Trafikanten sind Kleinstunternehmer gemeinsam mit ihren Familienangehörigen oder überhaupt Ein-Personen-Unternehmer. Fallen diese laut Auskunft der Wirtschaftskammer oder der Monopolverwaltung unter die Förderungen, die die Bundesregierung ausgelobt hat. Stichwort Härtefonds, Garantien, Kurzarbeit über das AMS?

Die meisten der Trafikanten profitieren davon wahrscheinlich nicht, da die Geschäfte offen gehalten werden dürfen und müssen. Kurzarbeit könnte zwar beantragt werden, aber zur Aufrechterhaltung des Betriebes wird Personal benötigt. Bei Standorten auf Bahnhöfen und in Einkaufszentren ist die Situation aber eine andere.

Wie lange wird ein durchschnittlicher Trafikant diese Situation ökonomisch und persönlich aushalten?

Unterschiedlich, je nach Standort. Kommt auf seine persönlichen Umstände bzw. Fixkosten an. Hat der Trafikant hohe Leasing- oder Kreditraten, Firmenauto, Zigarettenautomaten, Kassasysteme, Umbauten zu bedienen oder hohe Mietkosten, dann könnte bald ein Aus vor der Tür stehen.

Was wünschen Sie sich für die Zeit nach der Krise für die Trafikanten im Hinblick auf die Folgen?

Dass der Stellenwert der Trafikanten als Nahversorger und „Steuereintreiber“ für den Staat in der Öffentlichkeit und bei den politisch Verantwortlichen wieder gehoben und die Leistungen der Trafikanten mit dementsprechend gerechten Handelsspannen wieder gewürdigt wird.

In loser Folge wird es Berichte und Interviews von weiteren Berufsgruppenvertretern zur wirtschaftlichen Lage in der aktuellen Coronavirus-Krise geben.

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