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Bei Imamen des türkischen Islamvereins Ditib wurden Razzien wegen Spionageverdachts durchgeführt.

15. Feber 2017 / 15:30 Uhr

Großeinsatz gegen türkischen Islamverband Ditib in Deutschland

In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wurden seit den frühen Morgenstunden des 15.Februar zahlreiche Wohnungen Geistlicher des türkischen Islamverbandes Ditib von Ermittlern durchsucht. Im Auftrag des Generalbundesanwaltes waren dabei Beamte des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter von Rheinland-Pfalz sowie Nordrhein-Westfalenbeteiligt, wie auch Zeit online berichtet.

Imame unter Spionageverdacht

Nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft wurden dabei vier Wohnungen von Geistlichen der türkisch-islamischen Union Ditib durchsucht. Die Imame stehen im Verdacht, Gläubige im Auftrag der türkischen Regierung zu bespitzeln. Als Ziel der Durchsuchungen wurde genannt, dass dabei Beweise für den Spionageverdacht sichergestellt werden sollten.

Informationsweitergabe über deutsche Gülen-Anhänger an Erdogans Behörde

Es soll sich bei der „Spitzeltätigkeit“ der Imame um gezielte Weitergabe von Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland sowie deutscher Lehrer gehandelt haben. Nachdem Ditib die Weitergabe von Informationen über Anhänger der von Präsident Recep Tayyip Erdogan für den gescheiterten Putsch verantwortlich gemachten Bewegung Anfang Jänner an die türkische Regierungsbehörde Diyanet bestätigt hatte, ruderte die Organisation nun postwendend zurück. Es habe sich dabei um ein Versehen gehandelt, erklärte man nun von Seiten Ditibs.

Bekir Alboga, Generalsekretär von Ditib versuchte die Vorgangsweise der Imame gegenüber der Rheinischen Post zu rechtfertigen. Dabei meinte er, die schriftlichen Anweisungen des türkischen Religionspräsidiums Diyanet wären nicht an die Imame gerichtet gewesen. Einige der Geistlichen folgten der Anweisung fälschlicherweise dennoch, so Alboga.

Die Frage, an wen diese Anweisung dann gerichtet war, bleibt für alle unbeantwortet.

Daraufhin wurde von der Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dessen Verlauf nun die Razzien durchgeführt wurden.

900 Moscheen deutschlandweit unter Ditib-Kontrolle

Die Moscheen unter „Ditib-Kontrolle“ werden hauptsächlich von türkisch-stämmigen Muslimen besucht. Mit einer Zahl von 900 Moscheen in ganz Deutschland ist der Verein, der eng mit der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet verflochten ist, sehr stark vertreten.

Nach Erkenntnissen des NRW-Verfassungsschutzes sollen bislang 13 Imame des Ditib Informationen über Gülen-Anhänger an türkische Behörden gemeldet haben. Seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei im Sommer letzten Jahres werden die Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen als „Staatsfeinde“ der Türkei, rigoros verfolgt.

Imame juristisch als Agenten eingestuft

Informationen des Spiegel zufolge soll angeblich ein nachrichtendienstliches Behördenzeugnis ein wichtiger Bestandteil des Verfahrens sein. Darin soll die Rede davon sein, dass die informationsweitergebenden Imame juristisch als Agenten einzustufen seien, auch wenn sie offiziell nicht für einen Nachrichtendienst tätig seien. Die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft basieren auf dem Paragrafen 99 des Strafgesetzbuches, der das Sammeln von Informationen „für den Geheimdienst einer fremden Macht“ in Deutschland untersagt.

„Spitzelberichte“ auch von Religionsattachés liegen vor

Nach Angaben des NRW-Verfassungsschutzes verfüge man über drei Berichte von Religionsattachés der Generalkonsulate in Köln, Düsseldorf und München, die an die Religionsbehörde Diyanet gemeldet wurden.

Nordrhein-Westfalens oberster Verfassungsschützer Burkhard Freier erklärte gegenüber dem Düsseldorfer Landtag, dass mindestens 13 Imame aus NRW Informationen über Gülen-Anhänger an die türkischen Behörden weitergegeben hätten. Dabei seien 33 Personen und 11 Institutionen aus dem Bildungsbereich bespitzelt worden. Auch drei Imame aus Rheinland-Pfalz seien eifrigst tätig gewesen.

Freier fügt noch an, dass die Geistlichen, die ja de facto Beamte des türkischen Staates sind, in „sehr heterogener Weise“ Informationen zusammengetragen hätten.

Politischer Spagat angesichts von Merkels neuerlicher „Annäherung“

Angesichts des neuerlichen Besuches von Kanzlerin Angela Merkel beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Anfang Februar und der scheinbar davon erhofften Beschwichtigung im Hinblick auf den „Flüchtlings-Deal“ mit der Türkei versucht man in Deutschland nun offenbar den politischen Spagat.

Zunächst waren die Polizeiaktionen gegen Ditib bereits für Ende Jänner geplant. Möglicherweise wurden diese aber angesichts des Besuches der Kanzlerin in Ankara verschoben. Zu diesem Zeitpunkt waren auch Haftbefehle gegen die Verdächtigen beim Bundesgerichtshof beantragt worden, diese wurden jedoch nicht erlassen.

Am Donnerstag dieser Woche wird auch der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu in Köln erwartet. Dieser Besuch erfolgt auf Einladung der Union Europäischer-Türkischer Demokraten (UETD), der ein besonderes Naheverhältnis zum türkischen Präsidenten nachgesagt wird. Am kommenden Wochenende wird der türkische Premierminister Binal Yildirim zu einem Auftritt im nordrhein-westfälischen Oberhausen erwartet.

Auf den politischen und diplomatischen Seiltanz rund um diese Besuche vor dem Hintergrund der neuesten Ermittlungen darf man gespannt sein.

Finanzprüfung gegen österreichisches Pendant Atib eingeleitet

Nach der Veröffentlichung verschiedener Dokumente durch den Sicherheitssprecher der österreichischen Grünen, Peter Pilz, das „Spitzelnetzwerk Erdogans“ betreffend, werden nun auch in Österreich Sonderprüfungen angeordnet. Beim österreichischen Pendant Atib soll nun eine Sonderprüfung der Finanzen auf Anregung von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) erfolgen.

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