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Heumarkt

Das 50 Jahre alte Hotel Intercontinental am Wiener Heumarkt soll abgerissen und samt “Wohnturm” neu errichtet werden.

21. Feber 2017 / 17:12 Uhr

Turmbau beim Intercont: Bürgerversammlung geriet zum Proteststurm gegen Bauwerber

Zu einer schallenden Ohrfeige für die Wiener Stadtregierung, vor allem für die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, entwickelte sich die Bürgerversammlung zum Neubau des Hotels Intercontinental samt „Wohnturm“ am Montag Abend im Intercont. Die von der Errichtergesellschaft geplante Werbeveranstaltung für den angeblich für alle so vorteilhaften Neubau am Heumarkt ging aufgrund wilder Proteste ziemlich in die Hose, die einzigen Politiker, die den aufgebrachten Bürgern und Anrainern beistanden, kamen von der FPÖ. Hauptverantwortliche Politiker fehlten völlig, die SPÖ ließ sich lediglich durch den Vize-Bezirksvorsteher des dritten Bezirkes, Rudolf Zabrana, der auch dem Bezirksbauausschuss vorsteht, vertreten.

Großer Andrang – große Pläne

Schon vor Beginn um 19.00 drängten sich rund 250 Menschen in den Saal, es mussten zusätzliche Sessel beschafft werden. Drei Vertreter des Projektentwicklers „Wertinvest“ schilderten dann die „neue“, leicht abgespeckte Variante in den blumigsten Tönen: Aufgrund schlechten Bauzustandes soll das alte Hotel Intercontinental aus den 1960er-Jahren abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden.

Dieser soll auf einer „Platte“ stehen, in der neben Geschäften ein rund 7.000 Quadratmeter großes Konferenzzentrum geplant ist. Neben dem Hotel soll auf der Platte der mittlerweile um zehn Meter „geschrumpfte“ Turm mit Luxuswohnungen entstehen, der aber immer noch 66,3 Meter Höhe aufweist.

Zwei Jahre Umbausperre für Eislaufverein

Der daneben liegende Wiener Eislaufverein (WEV) bekommt eine unterirdische Eishalle und einen neues Gebäude für Büros, Technik und „eventuell Wohnzwecke“, wie ein Wertinvest-Sprecher kryptisch anmerkte, was einige zynische Zwischenrufe aus dem Auditorium auslöste. Damit der Eislaufplatz trotzdem eine Fläche von 5.750 Quadratmetern (derzeit 6.000) behält, muss er Richtung Lothringer Straße ausgebaut und diese Richtung Akademisches Gymnasium verschoben werden. Im Sommer will man den Eislaufplatz als „weitgehend konsumfreie“ Freifläche nutzen. Dadurch soll auch das Konzerthaus endlich einen nennenswerten Vorplatz bekommen. Der Eislaufplatz wird in den zwei Jahren des Umbaues nocht benützbar sein.

Finanzieren soll sich das gesamte Großprojekt durch den Verkauf der Luxusherbergen im „Wohnturm“.

Anrainer fürchten Beschattung ihrer Fenster durch Turm

Schon während dieser in den blumigsten Tönen gehaltenen Schilderungen gab es zahlreiche wütende und zornige Zwischenrufe. Als sich dann die „Wertinvest“-Leute , ein Mitarbeiter der Wiener MA21 (Stadtteilplanung) sowie Vize-Bezirksvorsteher Zabrana den Publikumsfragen stellten, brach ein wahres Gewitter über sie herein. Hauptkritikpunkt: die „Beschattung“ zahlreicher Anrainer, aber auch der Eisläufer durch das mächtige Gebäude. Ein Wertinvest-Sprecher hatte es zuvor tatsächlich gewagt, zu behaupten, dass es hier ohnehin „kaum Anrainer“ gebe.

Wer genehmigte Hochhaus Intercont vor 50 Jahren?

Das hätte er nicht tun sollen, setzte sich das Auditorium doch zu einem guten Teil aus direkten Anrainern zusammen, einige konnten sich sogar noch an die Zeit vor dem bestehenden Intercontinental erinnern, denn auch dieses sorgt für Dunkelheit in etlichen Wohnungen. Es entspann sich eine Diskussion, warum man vor 50 Jahren ein Hochhaus hier, in der direkten Süd-Sichtachse vom Schloss Belvedere her Richtung Innenstadt, genehmigt habe. Denn laut Wiener Bauordnung gilt jedes Gebäude ab 35 Metern als „Hochhaus“ – das Intercont misst aber bereits 47 Meter. Ein Anwesender rief „weil’s scho damals so wache Politiker geben hot“. Tatsächlich verdeckte ein mittlerweile abgetragener Dachstuhl eines Altbaues damals die Sicht von Süden her auf das Intercont.

Wien riskiert Verlust des Welterbe-Status

Anstatt den Abriss des Hotels also zum Anlass zu nehmen, diese alte Bausünde zu entfernen (etwa durch eine Erweiterung des Stadtparks), wolle man sogar noch zwanzig Meter höher bauen, was Wien seinen Status als Weltkulturerbe kosten werde, beklagten die diversen anwesenden Bürgerinitiativen. Sowohl die UNESCO als auch die ICOMOS (International Council on Monuments and Sites) haben tatsächlich angekündigt, Wien den begehrten Weltkulturerbe-Status abzuerkennen, falls der „Turm“ gebaut werde. Dies werde sich touristisch negativ auswirken und auch einen enormen Imageverlust für die Stadt bringen, so die Gegner.

"Freibrief" für weitere Hochhaus-Projekte in der Innenstadt?

Andere Anwesende mutmaßten, dass die Stadt Wien es bewusst auf die Aberkennung des Weltkulturerbe-Status anlege, weil man danach quasi einen "Freibrief" für weitere Hochhausprojekte in der Innenstadt habe.

Viele zweifelten auch daran, dass der Gewölbebau über dem Wienfluss die schwere Last der genau darüber verschobenen Lothringer Straße tragen werde. Eine Verschiebung dieser dichtbefahrenen Straße in Richtung einer Schule sorgte zusätzlich für Unmut unter den Anrainern. Die Wertinvest-Sprecher wiesen das zurück und betonten, dass es "intensive bautechnische und statische Untersuchungen" gegeben habe.

Enttäuschung und Wut über Grüne und Vassilakou

Wahre Schmäh-Orgien ergossen sich in Richtung Stadt Wien, Grüne und Vizebürgermeisterin Vassilakou, denen völlig Abgehobenheit, Bürgerfeindlichkeit, Ignoranz und sogar Korruption vorgeworfen wurde. So habe Vassilakou einer Bürgerinitative auf einen Beschwerdebrief lediglich gewantwortet, der Turm entspreche der Wiener Bauordnung: „Einfach eine Lüge, so etwas“, empörten sich die Bürger.

Luxuswohnungen im Turm für Wiener kaum leistbar

Keine Antwort gab es seitens der Bauwerber auf die Frage, wer sich denn in dem Luxusturm bei einem geschätzten Quadratmeterpreis von 20.000 Euro eine Wohnung leisten könne. „Viele Wiener werden das nicht sein, eher dubiose Oligarchen“, äußerte sich ein Zuhörer und erntete regen Zuspruch aus den Reihen der Bürger. Viele zeigten sich auch empört darüber, dass die Stadt Wien den Flächenwidmungsplan bereits geändert habe, lange bevor es überhaupt eine Baugenehmigung gebe: „Ein Kniefall vor dem Bauspekulantentum!“

Eislaufverein-Sprecher ließ sich nicht einspannen

Schließlich versuchten die Wertinvest-Vertreter noch, den Sprecher des WEV, Peter Menasse, als „Befürworter“ einzuspannen. Der roch aber den Braten und distanzierte sich von jeglicher politischer Aussage. Er stehe natürlich hinter dem Neubau des Eislaufplatzes, des Bürohauses und der Eishalle, das sei seine Aufgabe. Was dem Turm und das Hotel betreffe, könne er keine Aussage machen. Am WEV waren weder Stadt noch Projektwerber vorbeigekommen, da sich dessen kluge Vertreter bereits im Pachtvertrag aus 1957 ein Pachtrecht auf hundert Jahre gesichert hatten.

FPÖ als einzige Partei hinter Bürgerinteressen

Als einziger Politiker, der den aufgebrachten Leuten Unterstützung zusagte und sich mit ihnen solidarisch erklärte, ergriff schließlich der FP-Klubobmann des Bezirks Landstraße, Alfred Strasser, das Wort und versicherte, man werde alles tun, um das Projekt letztlich doch noch zu Fall zu bringen.

Eine wahrhaft paradoxe Situation auch für die anwesenden Journalisten: aufgebrachte Bürger, die sich von den Grünen „verraten und verkauft“ fühlen, die FPÖ als einziger Unterstützer gegen Bauspekulantentum. Selbst jene Anwesenden, die zunächst noch „bitte keine Wahlreden“ skandiert hatten, klatschten nach Strassers klaren Aussagen Applaus. Im Auditorium ebenfalls vertreten war FP-Stadträtin und Ex-Bezirksvorsteherin der Innenstadt Ursula Stenzel.

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