Die französische Politikerin Marine Le Pen, Vorsitzende des Front National (FN), war drei Tage zu Gast im Libanon, um dort politische und kulturelle Kontakte zu pflegen. Dieser vorderasiatische Staat ist ein wichtiges Bindeglied zu Europa, zumal die Bevölkerung noch immer zu einem bedeutenden Teil christlich ist (etwa 40 Prozent, der Rest Muslime u.a.). So auch der libanesische Staatspräsident Michel Aoun, ein maronitischer Christ, den die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen zu einem informellen Arbeitsgespräch traf.
Ebenso gab es Begegnungen mit Béchara Pierre Kardinal Rai, dem maronitischen Patriarchen von Antiochien und des ganzen Orients und dem Politiker Samir Geagea, dem Vorsitzenden der Partei Forces Libanaises (FL).
Le Pen gab bekannt, sich nicht zu verschleiern
Ein geplantes Treffen allerdings fand nicht statt, weil Marine Le Pen knapp vor der geplanten Zusammenkunft mit einer Forderung konfrontiert wurde, die mit ihrer Vorstellung vom Selbstbestimmungsrecht der Frau nicht in Einklang zu bringen war.
Ausgemacht war, dass Marine Le Pen auch Sheikh Abdel-Latif Derian, den Großmufti (oberster islamischer Rechtsgelehrter) von Beirut, der Hauptstadt des Libanon, treffen sollte. Im Vorfeld von Le Pens Begegnung mit dem mohammedanischen Rechtsgelehrten gab die französische Politikerin bekannt, dass sie sich auf keinen Fall verschleiern werde.
Treffen geplatzt
Da daraufhin keine Absage kam, dachte Marine Le Pen, dass man ihre Entscheidung respektieren würde. Doch als sie das Büro des Großmuftis betrat, wurde sie plötzlich von dort anwesenden Mitarbeitern des Muftis damit konfrontiert, ein Kopftuch aufsetzen zu müssen. Als Marine Le Pen daraufhin das Argument vorbrachte, dass sie bei einem früheren Treffen mit den sunnitischen Großmufti des Al-Azhar-Instituts in Kairo, einem der berühmtesten sunnitischen Rechtgelehrten, kein Kopftuch aufsetzen musste, erwiderte man ihr im Büro von Sheikh Abdel-Latif Derian, dass dies hier in Beirut anders sei.
Darauf machte Marine Le Pen kehrt und das Treffen mit dem Großmufti fand eben nicht statt.
Keine Gleichberechtigung von Mann und Frau im Islam
Bei der Dar al-Fatwa, dem Zentrum für islamische Rechtsfragen (Fatwa) im Libanon, zeigte man sich erstaunt über Le Pens Weigerung, sich nicht „an diese allseits bekannte Regel zu halten“. Denn Frau Le Pen hätte gewusst, dass man sich vor dem Großmufti, dem Vorsitzenden der Dar al-Fatwa verhüllen muss.
Allerdings waren die islamischen Rechtsgelehrten ebenfalls davon informiert, dass Marine Le Pen sich nicht unter das mohammedanische Unterdrückungssymbol Kopftuch zwingen lässt. Dass man den Besuch mit dem Wissen dieser Information nicht abgesagt hat, hängt möglicherweise damit zusammen, dass nach islamischem Recht der Aussage einer Frau weniger Bedeutung als der eines Mannes zugemessen wird.
ORF hat andere Sicht der Dinge
Der ORF (Dienstag 21. 2. 2016, ZIB 20:00) stilisierte allerdings Le Pens Weigerung ein Kopftuch zu tragen, zu einem „Skandal“ hoch. Dass sie allerdings dadurch ein mutiges Beispiel für mohammedanische Frauen weltweit gegeben hat, ist für den österreichischen Staatsfunk nicht der Rede wert.
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