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Frau in traditioneller Herero-Tracht: Viele ihrer Vorfahren waren von der deutschen Kolonialverwaltung massakriert worden.

20. März 2017 / 12:45 Uhr

Nach 110 Jahren: Nachfahren von Opfern der Kolonialpolitik in Namibia verklagen Deutschland

Im Vergleich zu vielen Staaten der Welt war Deutschland ein relativer Spätzünder, als es darum ging, ein Kolonialreich zu errichten. Während etwa Großbritannien, Frankreich oder die Niederlande seit Jahrhunderten Kolonien rund um den Erdball gründeten, begann das Deutsche Kaiserreich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts damit, sich ebenfalls etwas vom kolonialen Kuchen, hauptsächlich in Afrika (aber auch in Ozeanien), abzuschneiden.

Deutsch-Südwestafrika

Neben den afrikanischen Kolonien wie Togo oder Kamerun, die hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen erworben wurden, gab es das wohl bekannteste Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika (das heutige Namibia), welches die einzige Kolonie war, in der sich eine nennenswerte Anzahl deutscher Siedler niedergelassen hatte (auch heute noch sprechen etwa 20.000 Bürger Namibias Deutsch als Muttersprache).

1915 wurde die 1884 erworbene Kolonie im Rahmen des Ersten Weltkriegs von Truppen der Südafrikanischen Union erobert. Bis zur Unabhängigkeit Namibias 1990 war das Land faktisch eine Kolonie Südafrikas (rechtlich war es ein Völkerbundmandat), in der auch die südafrikanischen Gesetze, wie etwa die Apartheid, gegolten haben.

Dunkle Geschichtskapitel

Wie viele Völker, die Kolonien besaßen, muss auch Deutschland zugeben, dass vieles, was dort während der Kolonialherrschaft geschah, zu überaus dunklen Kapiteln der eigenen Geschichte gehört. In Deutsch-Südwestafrika zum Beispiel ist es der auch von der Regierung in Berlin so bezeichnete „Völkermord an den Herero und Nama“.

Das bantu-sprechende Hirtenvolk der Herero und das zu den zu den Khoi Khoi (früher Hottentotten) gezählte Volk der Nama wurden in erschreckender Weise an den Rand der völligen Vernichtung getrieben. Historiker sehen in den gewalttätigen Aktionen Generalleutnant Lothar von Trothas (zwischen 1904 und 1908) bei der Unterwerfung des Herero-Nama-Aufstandes sogar den ersten gezielten Völkermord der Geschichte, dem an die 100.000 Personen zum Opfer gefallen sein sollen.  

Geld für Verbrechen aus der Kaiserzeit

Obwohl nach dem Untergang des Deutschen Kaiserreiches erst die Weimarer Republik, dann das Nazi-Regime, weiters das zweigeteilte Deutschland und erst seit 1990 die wiedervereinigte Bundesrepublik besteht, möchte man von letzterer Geld für die Verbrechen während der Kaiserzeit sehen. Jedenfalls sieht sich ein New Yorker Gericht dazu bemüßigt, eine Anhörung betreffs des Völkermordes an den beiden afrikanischen Völkern zuzulassen.

Nun werden die Klageführer, Herero-Chef Vekuii Rukoro und Nama-Chef David Frederick, im Namen „aller Herero und Nama weltweit“ auftreten und eine „Entschädigung für den Völkermord“ fordern. Allerdings, so erklärte Vekuii Rukoro, werde man keinesfalls eine Entschuldigung Deutschlands akzeptieren, die nicht mit Reparationszahlungen verbunden sind.

Bundesregierung verweist auf Entwicklungshilfe an Namibia

Diese aber lehnt Deutschland, trotz der Anerkennung des Völkermordes, entschieden ab. Denn erstens arbeite man gemeinsam seit 2014 mit der Regierung Namibias diesen Genozid auf und zweitens verweist die deutsche Bundesregierung auf die deutsche finanzielle Unterstützung für Namibia unter dem Titel der Entwicklungshilfe.

Deutschland wird vom New Yorker Gericht vier Monate Zeit gegeben, um auf die im Jänner 2017 eingereichte Entschädigungsklage zu antworten.

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