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Grünen-Chefin Eva Glawischnig ist zunehmend isoliert: Wie lange bleibt sie noch an der Parteispitze?

11. April 2017 / 10:01 Uhr

Grünen-Chefin auf Abruf: Keiner will Glawischnig, aber auch keiner ihren Job

Die (Noch-)Chefin der Grünen, Eva Glawischnig, hat es momentan wahrlich nicht einfach. Ausgerechnet der Standard, so etwas wie die inoffizielle Parteizeitung, tritt mit seiner Berichterstattung eine offene Führungsdebatte los, Parteigranden äußern massive Kritik am Führungsstil und legen Glawischnig den Rücktritt nahe, die Jugend rebelliert – zumindest medial – erfolgreich, und die verbliebenen, treuen Anhänger der Obfrau sind mittlerweile an einer Hand abzuzählen. Die Grünen am Boden – eine Bestandsaufnahme. 

Massive Unzufriedenheit mit der Parteiführung

Die Unzufriedenheit mit der Parteiführung Glawischnigs kulminierte nun in der Auseinandersetzung mit der eigenen Parteijugend. Diese wirft ihrer Ex-Chefin vor, das Gespräch zu verweigern und die Partei generell autoritär zu führen. Wie wenig auch Parteikollegen von Glawischnig und dem erweiterten Bundesvorstand halten, wurde erst so richtig nach dem Parteiverweis der Jugend deutlich. Vor allem die Landesparteien kritisierten das Vorgehen scharf. Am deutlichsten wohl der Tiroler Klubchef Gebi Mair, der nicht nachvollziehen konnte, "was die Bundespartei da machte".

Oder  der Landessprecher der Wiener Grünen, Joachim Kovacs, der in einem Presse-Gastkommentar von einem "großen Fehler" sprach und zu einer "Nachdenkpause" riet. Ebenso die Salzburger Landesrätin und Grüne Parteichefin Astrid Rössler, die an der fehlenden Kommunikation in der Causa Anstoß nahm. Und nicht zuletzt der steirische Landessprecher Lambert Schönleitner, der die Trennung von der Jugend "lieber nocheinmal überdacht" hätte. Noch deutlicher wurde die burgenländische Landessprecherin Regina Petrik – "zufälligerweise" Mutter der Vorsitzenden der jungen Grünen, Flora Petrik, – die den jungen Grünen offen weiterhin die Kooperation anbot. All das kann als Aufstand gegen Glawischnigs Führungsstil und zum Teil als offene Befehlsverweigerung gewertet werden.

Parteigranden wenden sich ab

Aber auch altgediente Parteigranden der Grünen wenden sich von ihrer Chefin ab. So eröffnete den Reigen, nicht zum ersten Mal, Peter Pilz, der den Grünen angesichts ihrer Stagnation in der Wählergunst zu mehr Volksnähe riet und sich zum Beispiel auch klar gegen türkische Doppelstaatsbürger aussprach. Damit riskierte er prompt einen Disput mit Glawischnig, der medial ausgefochten wurde. Zuletzt kritisierte auch das Grün-Urgestein Johannes Voggenhuber den Auftritt der Parteichefin in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum". Auf Facebook drückte er seine Kritik unverblümt aus.

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Keiner will Glawischnig helfen

Die TV-Debatte im ORF bewies auch eines: Kein Grüner will sich anscheinend öffentlich für Glawischnig die Finger verbrennen, und so lag es an einem, der für seine politischen Argumente normalerweise Geld kassiert. "Im Zentrum" war es der umstrittene Polit-Berater Rudi Fußi, den unzensuriert bereits eingehend portraitierte. Zur Auswahl des Talkgastes in der pikanterweise von Lothars Lockls Ehefrau Claudia Reiterer moderierten und von den Freiheitlichen als Therapiesitzung verspotteten Diskussion bemerkte Voggenhuber: "Anstelle eines 'Anwalts' für die rebellierenden Jungen brauchte man nun einen rhetorischen Bullterrier". Fußi musste sich für Glawischnig ins Zeug legen, weil es wohl kein Grüner tun wollte. 

Standard vs. Grüne: Glawischnig und die "Dancing-Star"-Atmosphäre

Im sonst sehr pro-grün berichtenden Standard wurden überhaupt erst die Gerüchte über eine mögliche Ablöse der Grünen-Chefin durch den Wahlkampfmanager Alexander Van der Bellens, Lothar Lockl, laut. Am 9. April legte man mit einem Kommentar nach. Glawischnig sei der "Häupl der Grünen". Von ihr gingen seit geraumer Zeit keine politischen Innovationen mehr aus, viel eher begnüge sie sich mit der "Eleganz ihrer öffentlichen Auftritte", etwa in Modemagazinen, die jedoch nicht dem Grünen Zielpublikum entsprächen. 

"Die 'Dancing-Star'-Atmosphäre, in die ihr Ehemann Volker Piesczek mit der laufenden Staffel der ORF-Tanzshow eingetaucht ist, beeinflußt ihre Präsenz mehr als die harte politische Straßenarbeit ihrer Jugend. Glawischnig passt derzeit besser zu den Neos. Oder zu einer neuen Partei rund um Irmgard Griss", so die wenig schmeichelhafte Conclusio von Standard-Altkolumnist Gerfried Sperl. der 76-Jährige ist sicherlich niemand, der aus Studentenheim-Solidarität mit jungen grünen Aktivisten rund um Flora Petrik zur Feder greift. Letztlich legt er Glawischnig den Rücktritt nahe.

Wer hält Eva noch die Stange?

Bei der Suche nach den (öffentlichen) Unterstützern der Grünen-Chefin tut man sich mittlerweile weit schwerer als nach ihren Widersachern. Michel Reimon wäre zu erwähnen, der EU-Abgeordnete, der im Zuge des Streits scharf gegen die Parteijugend wetterte. Das Vorstands-Mitglied der Grünen schrieb auf Facebook in Richtung Jugend einen langen Brief mit viel interner Schmutzwäsche:

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Die Kritik kommt nicht von ungefähr, hat doch Reimon mit der Familie Petrik eine Rechnung zu begleichen. Denn es war die Mutter der Vorsitzenden der Jungen Grünen, Regina Petrik, die Reimon seinerzeit als Landeschef der Grünen im Burgenland ablöste. Reimon war daraufhin auf berufspolitischer Herbergssuche, bis für ihn ein Platz im EU-Parlament frei wurde, wo er seither gerne den polternd-pöbelnden, aber gut bezahlten "Rebellen" gibt. 

Präsidentschafts-Sieg nutzte Grünen nicht

Fakt ist auch: Die Grünen haben nicht vom Bundespräsidentenwahlkampf und dem Sieg Alexander Van der Bellens profitiert. Das verdeutlichte zuletzt auch das schwache Abschneiden bei der Gemeinderatswahl in Graz. Im Gegenteil, die Partei wurde schwächer, sieht man sich den Umfrageverlauf bezüglich Neuwahlen an. Wurden die Grünen vor einem Jahr bei 12 bis 14 Prozent gehandeln, liegen sie nun meiste zwischen 10 und 12. Warum der Rückgang?

Weil der Erfolg Van der Bellens in erster Linie nichts mit den Grünen als Partei zu tun hat. Zu verdanken hatte Van der Bellen den Sieg primär seinem Manager Lothar Lockl, der das Wahlkampfteam völlig abgekoppelt von der Bundespartei aufgestellt hat. Mit einem eigenen Verein, eigener Infrastruktur, überparteilichem Unterstützungskomitee, etc. Nur nicht an den Grünen anstreifen, schien seine Devise, und die Partei – allen voran ihre Obfrau Glawischnig – hatten auch ein Jahr lang brav zu kuschen und den Wahlkampf nicht mit Grün-Themen zu stören.

Wenn es auch nicht allzu grün war, Erfolg macht sexy. Und so kam es nicht von ungefähr, dass das grüne Hausblatt Standard Lockl als möglichen neuen Chef präsentierte. Der medial Umworbene selbst hat aber schon abgewunken. Ob der Kenntnis des "Grünen Haufens", den er ja schon bei der Bundespräsidentenwahl gemieden hat, wird er den Job wohl eher nicht machen wollen.

Fazit: Glawischnig bleibt (isoliert)

Andere ernstzunehmende Kandidaten für den Grünen Chefsessel sind ebenfalls derzeit nicht in Sicht. Der Standard spekuliert einerseits mit Reimon, da Pilz als "zu radikal" gelte und Maria Vassilakou "zu ortsgebunden" sei. Andererseits aber auch mit der Tiroler Vizelandeshauptfrau Ingrid Felipe. Sie wäre ein "Aufbruch und Neubeginn" für die Partei und immerhin "zehn Jahre jünger als Glawischnig und Vassilakou". Doch an der vom Standard vertretenen Insider-Meinung, Felipe sei wie Glawischnig in blassgrün, ist durchaus etwas dran. Und Reimon? Der ist über Twitter hinaus praktisch unbekannt, schaffte es 2013 auf keinen wählbaren Platz für die Nationalratswahl und setzte 2014 sich im Rennen um ein EU-Mandat nur mit Ach und Krach gegen die in der Partei auch nicht besonders beliebte Madeleine Petrovic durch.

Solange sich keine Alternative offen positioniert, wird Glawischnig weiterhin Grünen-Chefin bleiben (außer sie geht von selbst, was sie jüngst gegenüber den Medien ausgeschlossen hat). Doch um welchen Preis, wird sie doch parteiintern von niemandem mehr wirklich ernst genommen und ist daher komplett isoliert.

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