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Die professionellen Kameraeinstellungen in der Wohnung des SPÖ-Genossen stammen laut Kerns Facebook-Seite von “1 versteckte Kamera”.

21. April 2017 / 08:00 Uhr

Inszenierte Pizza-Aufregung: Kanzler Kern und seinen Medienfreunden ist nichts peinlich

Was war das für ein Geheul, als Österreichs Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer ein Familienfoto mit Familienpizza postete und investigative (Hobby-)Journalisten, allesamt anerkannte Mitglieder der Twitter-Zivilgesellschaft, mittels Analyse der Gartenblüte im Hintergrund zweifelsfrei nachwiesen, dass die abgebildete Pizza schon monatelang verdaut sein musste?

Kalkulierte Peinlichkeiten?

Die Affäre hätte dem Bundeskanzler und seinen PR-Beratern Warnung sein müssen, doch Kern – im Wissen, dass ihm der Mainstream nicht ans Bein pinkelt und auch die üblichen Twitter-Verdächtigen ideologische Freunde sind – inszenierte sich Christian Kern dennoch als Pizzabote und lieferte scheinerstaunten Bürgern die italienische Traditionsspeise ins Haus – Polit-Plausch inklusive. Was folgte, war für Kern peinlich, vielleicht aber sogar inszeniert peinlich, um trotz fehlender politischer Inhalte in die Schlagzeilen zu geraten. Die fünf Phasen der Affäre:

Phase 1: Mainstream feiert den Kanzler zum Angreifen

Und es schien ja auch aufzugehen. Seit Mittwochnachmittag berichten die regierungsfreundlichen Medien anerkennend bis begeistert über das Video. Einige freundliche Schlagzeilen zur Auswahl:

  • Kern als Pizzabote: "Ich wollte Sie überraschen – ist gelungen" – Die Presse

  • Video: Hier trägt Kanzler Kern die Pizza aus – Heute

  • Kanzler Kern kämpft als Pizzabote um die Mittelschicht – Kleine Zeitung

  • Versteckte Kamera: Kanzler Kern als Pizzabote – OÖ Nachrichten

Gemeinsam mit den Oberösterreichischen Nachrichten, die gar eine versteckte Kamera vermuteten, erklomm Hans Rauscher im Standard den Gipfel der journalistischen Naivität. Er sah ein Video, in dem Kern „an glaubwürdig verblüffte Menschen die bestellte Pizza ausliefert“.

Verblüfft waren diese Menschen wohl eher vorher, als die zahlreichen Kameras in ihre Wohnung getragen wurden, die dann jede Szene in der besten Einstellung einfingen, manchen Satz sogar aus unterschiedlichen Perspektiven. Von professionellen Ton ganz zu schweigen.

Phase 2: Kritisches Medium deckt den Fake auf

Hätte nicht die von den Mainstream-Medien bekämpfte Zeitung Wochenblick etwas tiefer gegraben, hielte die Begeisterung um den bürgernahen Kanzler, der den Hunger der Österreicher stillt, noch immer an. Doch die oberösterreichischen Journalisten – um einiges vifer als ihre Kollegen von der staatssubventionierten „Landeszeitung“ – deckten auf, dass der erste belieferte Bürger bereits für die SPÖ kandidiert hat und sogar im SPÖ-geführten Sozialministerium in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt ist.

Phase 3: Die SPÖ bleibt dabei – alles authentisch!

Die SPÖ fühlt sich dennoch nicht ertappt, feiert 500.000 Aufrufe ihres Videos auf Facebook als einzigartig (im Bundespräsidentenwahlkampf erreichten beide Kandidaten mit ihren Imagevideos weit mehr Seher) und behauptet weiter, Kerns Besuche seien überraschend gewesen. Bundesgeschäftsführer Niedermühlbichler:

Niemand der besuchten Personen wusste, dass der Bundeskanzler kommt. Alle im Video vorkommenden Menschen sind Kunden der Pizzeria „That’s Amore“ in Wien-Landstraße und alle wurden überrascht, das ist an den Gesichtern der Menschen auch deutlich zu erkennen.

„Wer‘s glaubt, wird selig!“, spricht FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl aus, was wohl so gut wie jeder über diesen Rettungsversuch einer schon vor dem Start in sich zusammengebrochenen Kampagne denkt. Und die FPÖ macht sich über den Fake-Pizzaboten lustig:

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Phase 4: Der Mainstream glaubt der SPÖ

Immerhin, der Mainstream bleibt dem Kanzler treu. „Kern als Pizzabote: Laut SPÖ keine Inszenierung“, titeln aktuell circa zehn Medien, deren online-journalistische Hauptleistung das Kopieren und Veröffentlichen von Meldungen der Austria Presse Agentur ist (von Presse über Salzburger Nachrichten bis Kleine Zeitung).

Phase 5: Das stinklangweilige Video wird zum Klick-Hit

Angesichts der – Inseraten sei Dank! – erwartbaren medialen Milde erhebt sich die Frage, ob die Aufregung nicht von Haus aus geplant war. So dumm zu glauben, dass dieser Schwindel nicht auffliegt, können die SPÖ-Strategen gar nicht sein, (hofft man als von dieser Partei regierter Bürger zumindest). Mit dem Namen des Kern-Genossen in fetten Lettern auf der Wohnungstür wurde die Auflösung quasi frei Haus geliefert.

Ein möglicher Grund für: Das Video ist ohne den Aufreger völlig uninteressant. Es ist nicht spannend, es ist nicht lustig und politisch ist es schon gar nicht. Es ist genau von dieser Art Inszenierung von Inhaltslosigkeit, die Kern sich als Kanzler auf die Fahnen geschrieben hat.

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