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Kanzler Faymann und Medienminister Ostermayer (mit Faymann-Gattin Martina am Donauinselfest): Dubiose Postenbesetzung bei der Staatszeitung.

8. April 2016 / 22:33 Uhr

“Postenschacher bei der Wiener Zeitung”: Faymann-Jugendfreund wurde Geschäftsführer

„Postenschacher in der Wiener Zeitung“, titelte sogar der rote Staatsfunk in den 17-Uhr-Nachrichten gestern, Freitag, nachdem bereits Der Standard ausführlich über den Skandal berichtet hatte. Nach einem Entscheid der Gleichbehandlungskommission im Frauenministerium sei die Neubesetzung des Geschäftsführers der Staatszeitung im März 2013 „aus rein parteipolitischen Erwägungen erfolgt“.

Der langjährige Geschäftsführer Karl Schiessl, ein ausgewiesener ÖVP-Mann, übte seine Funktion seit 1998 mit Erfolg aus – bei seiner Entsorgung wurden rund 15 Millionen Euro an Rücklagen kolportiert. Sein Nachfolger, der frühere Grazer SPÖ-Stadtrat Wolfgang Riedler, gilt nicht nur als Roter, sondern auch als Jugendfreund Werner Faymanns, dessen Dienststelle, das Bundeskanzleramt, als Herausgeber der amtlichen Wiener Zeitung fungiert.

Kommission vermisst "sachliche Gründe" für Geschäftsführer-Tausch

Vorausgegangen war der Umbesetzung eine Nicht-Verlängerung von Schiessls Vertrag und die Besetzung einer Auswahlkommission zur Findung eines Nachfolgers, die schließlich Riedler als optimalen Kandidaten mit „essentieller Erfahrung“ kürte. Genau das bezweifelt nach reiflicher Prüfung die Gleichbehandlungskommission und vermisst „sachliche Gründe“ für die Ablöse, laut ORF "in seltener Eindeutigkeit".

Tatsächlich erscheint es auch dem Laien fragwürdig, wenn ein ehemaliger Grazer Finanzstadtrat für geeigneter angesehen wird, eine Zeitung wirtschaftlich zu führen, als ein Mann, der das bereits 15 Jahre lang mit Erfolg gemacht hat. Schiessl, der nach einem Jahr Arbeitslosigkeit nun in der Pressestelle der ÖVP Burgenland werkt, hatte bei der Kommission Beschwerde eingebracht. Diese empfiehlt nun dem Bundeskanzleramt eine angemessene Entschädigung für Schiessl – die wohl auf Steuerzahlers Kosten bezahlt wird.

Bundeskanzleramt weist jede Schuld weit von sich

Im Bundeskanzleramt wies man die Beurteilung der Kommission umgehend zurück: "Es gab eine Auswahlkommission mit ausgewiesenen Experten, ein ordentliches Auswahlverfahren mit Hearings und ein entsprechendes Gutachten mit einer Reihung der Bewerber. Und wir sind der Empfehlung der Auswahlkommission gefolgt", sagte Peter Slawik, Sprecher von Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ), gegenüber der APA. Von parteipolitischen Motiven könne keine Rede sein. "Das war ein objektives Verfahren und eine objektive Auswahl", so Slawik.

Nicht die erste parteipolitische Postenbesetzung

Blickt man jedoch ein wenig zurück ins Jahr 2009, fallen einem so manche Parallelen bei der Entsorgung des erfolgreichen und erfahrenen Chefredakteurs Andreas Unterberger auf: Nach den Nationalratswahlen 2008 entschieden sich die Schwarzen, wieder mit den Roten zu koalieren und überließen diesen auch kampflos die Staatszeitung. Der noch unter Schwarz-Blau eingesetzte Unterberger, vorher Chefredakteur der Presse, erfuhr durch eine Anfrage der Austria Presse Agentur (!) von der Nicht-Verlängerung seines Vertrages, ebenso wie die Redaktion. Ostermayer & Co. hatten es nicht einmal für nötig befunden, auch nur ein Wort mit Unterberger zu sprechen, nachdem dieser die verstaubte Amtszeitung innerhalb von vier Jahren zu einem modernen, informativen Tagblatt mit einer schlagkräftigen Redaktion gemacht hatte. Seine Maxime lautete: Schreiben dürfen wir alles und gegen jeden, so lange es stimmt.

Auf Unterberger folgt journalistischer No-Name

Als Nachfolger des Medienprofis Unterberger fand das Bundeskanzleramt den vorherigen Wirtschafts-Ressortleiter des Kurier, Reinhard Göweil, journalistisch bis dahin kein herausagender Geist, dafür aber ein williger Erfüllungsgehilfe roten Herausgeberwillens, dessen Vertrag – oh Wunder! – erst im Vorjahr ohne viel Aufsehen (und ohne Mitsprache der Redaktion) um weitere vier Jahre verlängert wurde.

Göweil ist in der Redaktion, glaubt man Ex-Mitarbeitern, extrem unbeliebt, hat einige langjährige Redakteure entmachtet oder ganz verscheucht und manche Ressorts – paradoxerweise etwa die Wirtschaftsredaktion – quasi aufgelöst. Er hatte auch schon etliche Auftritte vor dem Arbeitsgericht, die die Wiener Zeitung (und damit den Steuerzahler) teuer kamen. Bei den Inhalten fehlen unter ihm weitgehend SPÖ-kritische Berichte, vor allem in der Wien-Chronik. Weder Göweils Ernennung noch die Vertragsverlängerung erfolgten im Zuge einer Ausschreibung – dies wurde aber mangels Anzeige auch nie kommissionell untersucht.

Unterbergers "Tagebuch" erreichte Kult-Status

Denn Unterberger ging, ohne sich umzudrehen, und machte aus der Not eine Tugend: Er betreibt seither seinen gefürchteten und vielbeachteten Internet-Blog Unterbergers nicht ganz unpolitisches Tagebuch, das schon zuvor als Wiener Zeitung-Leitartikel Kultstatus erreicht hatte. Daneben hat er das ORF-kritische Internetformat www.ORF-watch.at gegründet, das nun schon das dritte Jahr dem Staatsfunk auf die Finger schaut (und haut).

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