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Präsident Maduro unternimmt alles, um seine Macht zu festigen, nachdem er das Vertrauen der Bürger längst verloren hat. Die hohe Zustimmung zur Verfassungsreform wird daher nicht nur von der Opposition im Land angezweifelt.

31. Juli 2017 / 13:21 Uhr

Venezuelas kontroverse Verfassungsreform: Maduro jubelt, Opposition wittert Betrug

Den 30. Juli 2017 hatte die sozialistische Regierung von Nicolás Maduro als Termin für ein lang gehegtes Projekt anberaumt, das einer Verfassungsgebenden Versammlung (Asamblea Nacional Constituyente). Mit dem aus 545 Angehörigen zusammengesetzten Gremium beabsichtigt die Regierung, die seit 1999 bestehende Verfassung grundlegend zu verändern. Das Vorhaben würde dem Präsidenten einen diktatorischen Machtzuwachs verschaffen und war daher von Anbeginn in hohem Maße umstritten. Selbst bei der Generalstaatsanwältin Luísa Ortega Díaz traf die Initiative auf strikte Ablehnung.

Gastbeitrag von Michael Johnschwager

Venezuela zählt circa 19 Millionen Wahlberechtigte. Nach Angaben der Opposition lehnen 72 Prozent der Venezolaner den Vorstoß der Regierung ab. Sie befürchten, dass ihre verfassungsmäßigen Rechte eingeschränkt, das Parlament entmachtet und Kritik an der Regierung mit Haftstrafen begegnet wird. Wie berechtigt diese Vorbehalte gegen staatliche Repression sind, zeichnet sich bereits am Wahltag ab. Mitarbeitern staatlicher Institutionen, die nicht zur Wahl erscheinen, droht der Verlust des Arbeitsplatzes.

Nach Angaben des staatlichen Wählerrates Consejo Nacional Electoral (CNE) votierten etwas mehr als 8 Millionen Venezolaner zugunsten der Verfassungsreform. Das entspricht ca. 41,5 Prozent der Wahlberechtigten. Die CNE-Präsidentin Tibisay Lucena äußerte sich zufrieden mit dem „unerwarteten“ Ergebnis. Präsident Maduro sieht sich als Sieger, die Opposition wittert den „größten Wahlbetrug in unserer Geschichte“.

Ausschreitungen begleiteten Abstimmung

Am Tag der Wahl hatte die Regierung ein Demonstrationsverbot verhängt, das von rund 200.000 Soldaten der Guardia Nacional Bolivariana (GNB) abgesichert wurde. Aufgebrachte Regierungsgegner scherten sich nicht darum. So war das Votum von gewalttätigen Ausschreitungen begleitet, denen neun Menschen zum Opfer fielen. Der Wahltermin markiert einen Siedepunkt des Volkszorns, nachdem in der zweiten Julihälfte das Oppositionsbündnis MUD zu zwei jeweils 24-stündigen Generalstreiks aufgerufen hatte, die das öffentliche Leben im gesamten Land zum Erliegen brachten. In der Woche vor dem Wahltermin legt ein erneuter Generalstreik während 48 Stunden das Land lahm.

USA empfahlt ihren Bürgern die Ausreise

Die Botschaft der USA in Caracas hatte zuvor an ihre Landsleute appelliert, Lebensmittel- und Wasservorräte für 72 Stunden anzulegen. Die diplomatische Vertretung ging noch einen Schritt weiter, indem sie Angehörigen des Botschaftspersonals nahelegte, sich außer Landes zu begeben.

Die Reaktion der US-Administration ließ nicht auf sich warten. Washington bekundet seinen Unmut über die Maduro-Initiative mit drastischen Worten: Venezuelas politische Führung müsse sich umgehend auf robuste wirtschaftliche Konsequenzen einstellen. Diese richten sich gegen den staatlichen Erdölkonzern Petroleos de Venezuela S.A. (PDVSA).

Lateinamerikanische Staaten distanzieren sich

Parallel gerät das Regime auch auf Lateinamerikas diplomatischem Parkett zusehends in die  Isolation. Seit Monaten erhebt Luís Almagro, Generalsekretär der „Organisation Amerikanischer Staaten“ (span. Abkürzung OEA), seine Stimme; wirft dem venezolanischen Regime Verstöße gegen die Menschenrechte vor. Deutliche Worte sind aus Kolumbien zu vernehmen. Präsident Juan Manuel Santos verlautbart, sein Land werde das (zu erwartende) Resultat über die Verfassungsgebende Versammlung nicht anerkennen. In diesem Sinne erklären sich auch zwei zentralamerikanische  Regierungschefs: Mexikos Präsident Enrique Pena Nieto, sowie Präsident Juan Carlos Varela aus Panamá. Klartext auch aus dem peruanischen Außenministerium. Ein Kommuniqué spricht der Asamblea Nacional Constituyente kurzerhand die Legitimität ab.

Nicolás Maduro, Ziehsohn des Comandante Hugo Chávez, ficht all dies nicht an. Er versteht sich als Sachwalter des Erbes seines Vorgängers im Amt. Unbeirrt hält er an dessen eingeschlagenem Kurs fest und verkündet kurz vor dem Entscheid in vertrauter Siegerpose, die Verfassungsgebende Versammlung diene der Stabilisierung des inneren Friedens.

Michael Johnschwager, 1949 in Hamburg geboren, war als Außenhandelskaufmann von 1980 bis 1990 in Kolumbien, Venezuela und Honduras privatwirtschaftlich, sowie in Entwicklungsprojekten in Costa Rica in beratender Funktion im Einsatz. Seit 2004 ist Johnschwager als fremdsprachlicher Dozent und Autor mit Schwerpunkt Lateinamerika freiberuflich tätig.

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