Der chilenische Präsident Sebastian Pinera wollte nur nett und höflich sein. Er erkundigte sich sogar noch nach der korrekten Schreibweise und setzte dann ins Gästebuch des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff die Worte: "Deutschland über alles". Der jedoch reagierte pikiert, Pinera musste sich entschuldigen.
Der chilenische Präsident gab an, diese Worte, die auch Teil der ersten Strophe des Lieds der Deutschen sind, in den Fünfziger und Sechziger Jahren in der Schule gelernt zu haben. Sie seien ihm in Zusammenhang mit Otto von Bismarck und der Einigung des Deutschen Kaiserreichs in Erinnerung. Wulff hingegen fühlte sich nur an eines erinnert: an den Nationalsozialismus und dessen kriegerisches Expansionsstreben.
Lied der Deutschen war kein Aufruf zu aggressiver Expansion
Die peinliche Zurschaustellung des Schuldkults durch den Bundespräsidenten offenbart sein eingeschränktes Geschichtswissen. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben konnte gar nicht an den Nationalsozialismus denken, als er das Lied der Deutschen schrieb. Es war im Jahr 1841. Sein Lied war Ausdruck des Wunsches nach nationaler Einheit des in separatistische Fürstentümer aufgespalteten Deutschen Bundes. Der geographische Rahmen, den er dabei vorgab – „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“ – orientierte sich an den damaligen Grenzen des Deutschen Bundes (siehe Karte) und war in keiner Weise Ausdruck eines aggressiven Expansionsstrebens.
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Hitler hielt sich ganz nebenbei fast hundert Jahre später auch nicht an die Karte, die Hoffmann von Fallersleben in seinem Lied gezeichnet hatte. Die Memel und der Belt hinderten ihn nicht am Russland-Feldzug, die Maas nicht am Vordringen in die Niederlande, nach Belgien und Frankreich. Die Etsch trat er so wie ganz Südtirol an Mussolinis Italien ab. Die historischen Fakten belegen, wie lächerlich die Verbannung der ersten Strophe des Liedes als Nationalhymne ist.
Historisches Denken reicht über NS-Zeit nicht hinaus
Die Debatte zeigt eines deutlich: Das offizielle Deutschland kommt im historischen Denken nicht über die Zeit von 1933 bis 1945 hinaus. Die Episode reiht sich nahtlos ein in jenen Zustand, den Thorsten Hinz so treffend in seinem aktuellen Buch beschreibt: „Die Psychologie der Niederlage – Über die deutsche Mentalität“. Kein Wunder, dass dieser Staat nicht in der Lage ist, die Probleme unserer Zeit anzupacken und seine Politiker Angstzustände bekommen, wenn einer wie Sarrazin sie nur beim Namen nennt. „Deutschland über alles“ wäre in die Zukunft gerichtet ein Bekenntnis zur deutschen Leitkultur in der Bundesrepublik. Dazu müsste man sich aber erst einmal klar darüber werden, dass Normen und Gesetze des Islam nicht zu dieser Leitkultur gehören.
Bild: Mueck / Wikimedia
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