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Bei der Berichterstattung über die Silberstein-Affäre gaben die “weltoffenen” Journalisten ein besonders blamables Zeugnis ab.

2. Feber 2018 / 08:23 Uhr

Journalistin Brodnig kritisiert unzensuriert als “angriffig” gegenüber “kritischen Redakteuren”

Die IQ-Vorsitzende kritisierte auch, dass Webseiten mit einem Naheverhältnis zur FPÖ wie etwa Unzensuriert.at besonders angriffig gegenüber kritischen Redakteuren seien.

Sachliche Kritik am Journalismus gefordert

Als wir diesen Satz von der Vorsitzenden der “Initiative Qualität im Journalismus” (IQ), Ingrid Brodnig, im Standard lasen, kamen uns in der Unzensuriert-Redaktion fast die Tränen – vor Lachen. Allen Ernstes meinte sie dann weiter:

Wir fordern einen sachlichen und respektvollen Umgang mit der Presse: Es ist unbehaglich, wenn ausgerechnet aus Kreisen einer Regierungspartei solche Reaktionen gegenüber Journalistinnen, die ihre Arbeit tun, kommen. Es ist sinnvoll, auch sachliche Kritik an Journalismus zu üben – aber das muss in fairer und konstruktiver Weise passieren.

Einen konkreten Vorwurf in Richtung unzensuriert gab es freilich wieder nicht. Da wurde einfach pauschal verurteilt, wie es Journalisten, denen man ein Naheverhältnis zu den Linken unterstellen könnte, gerne tun. So können wir in der Redaktion nur raten, was Frau Brodnig meinte mit ihren Aussagen, die sie so allgemein in den Raum stellte.

Geschmacklose Anspielung mit “Neofeschist”

Meinte sie etwa unseren Bericht über die geschmacklose Anspielung des Falters, dass Kurz ein “Faschist” sei? Wie berichtet, brachte das Blatt nach dem Wahlerfolg von ÖVP und FPÖ bei der vergangenen Nationalratswahl ein Titelbild von Bundeskanzler Sebastian Kurz mit der Überschrift “Der Neofeschist”. Wie auch der Kurier haben wir dann die Entscheidung des Presserates, der diesen Aufmacher nicht verurteilte, abgedruckt.

Oder kritisiert Frau Brodnig, dass wir ihrem Ex-Kollegen beim profil, Christian Rainer, den Spiegel vorhielten, in dem wir seine Empörung nach dem Falter-Aufmacher (“Was der Falter hier tut, ist unerträglich”) als heuchlerisch abstempelten: Schließlich war es das profil, das anlässlich der Regierungsbildung von Schwarz-Blau im Jahr 2000 über dem Foto von Wolfgang Schüssel und Jörg Haider titelte: “Die Schande Europas”.

Journalisten blamierten sich bei Silberstein-Affäre

Vielleicht passt Frau Brodnig aber auch nicht, dass unzensuriert als erstes Medium und viel, viel früher als andere die Affäre um den Berater des damaligen SPÖ-Kanzlers Christian Kern, Tal Silberstein, aufdeckte. Als wir im Dezember 2016 die Geschichte abdruckten, echauffierten sich eine Reihe von Journalisten abfällig über diesen Bericht. Eine Auswahl gefällig?

Isabelle Daniel, Österreich

@Claus_Pandi Na ja, VP-General stellt VP-Innenminister Anfrage basierend auf unzensuriert. Frei nach Michelle: when they go low…

– Isabelle Daniel (@isabelledaniel) 15. Januar 2017

Robert Misik, Der Standard

Eine Partei, die sich die eigene Geschichte killt, indem sie unzensuriert als Quelle angibt, braucht dringend professionelle Hilfe

– Robert Misik (@misik) 15. Januar 2017

Fabian Schmid, Der Standard

1. övp bezieht sich auf unzensuriert und nennt Falter/@florianklenk Fake? 2. övp sollte sich jetzt dringlich von etwas anderem distanzieren https://t.co/bJKzzjjgkf

– Fabian Schmid (@fabian_schmid) 14. Januar 2017

Julya Rabinovich, Der Standard

das kommt davon, wenn man unzensuriert.at vertraut, @oevp https://t.co/GwZsSas7bn

– Julya Rabinowich (@JulyaRabinowich) 15. Januar 2017

Markus Sulzbacher, Der Standard

Versteh ich das richtig: Die Presse hat ohne Überprüfung einen ÖVP-Vorwurf verbreitet, den diese bei unzensuriert.at aufgeschnappt hat?

– Markus Sulzbacher (@msulzbacher) 15. Januar 2017

Daniel Steinlechner, NEWS

Man kann sich natürlich auf “unzensuriert” verlassen. Man kann aber auch recherchieren. https://t.co/L9qAEJTwMs

– Daniel Steinlechner (@steinlechnerdan) 15. Januar 2017

Florian Gasser, Die Zeit

Quelle: unzensuriert.at Dass das Portal mit der FPÖ verbandelt ist, wird nicht dazugeschrieben. Kann man machen. https://t.co/QTQ33VskHe

– Florian Gasser (@FlorianGasser) 14. Januar 2017

Michael Mingler, Die Tagespresse

“Anfrage bezieht sich auf Artikel von unzensuriert.at der auf rumänische Medien verweist” Die nächste Quelle der ÖVP ist dann wohl die Bibel https://t.co/Omk79YzI88

– Michael Mingler (@michaelmingler) 14. Januar 2017

Journalisten kontrollierten hauptsächlich die Opposition

Die Silberstein-Affäre war überhaupt ein gutes Beispiel dafür, dass Journalisten in Österreich es nicht als ihre Aufgabe sahen, die Mächtigen, sondern hauptsächlich die Opposition zu kontrollieren. Im Sommer 2017 behauptete dann der Kurier plötzlich, dass die Vorwürfe gegen Silberstein nicht neu seien. Und im Standard richtete Gerald John dem Kanzler aus, dass in Rumänien Korruptionsjäger Tal Silberstein schon länger im Visier hätten.

Zurückhaltende Berichterstattung bei SPÖ-Gemeinderat

Die Liste wäre endlos lang, würden wir hier alle Artikel oder Fernsehbeiträge breittreten, in denen Journalisten öffentliche Kritik verdienen. Man denke da allein nur an den ORF, der oft mit zweierlei Maß misst, wenn es darum geht, gleichwertige Geschichten von FPÖ oder SPÖ in gleicher Aufmachung zu senden. Zuletzt war das sehr gut bei der zurückhaltenden Berichterstattung über einen schon vier Tage vor der NÖ-Wahl verhafteten SPÖ-NÖ-Gemeindepolitiker zu beobachten, dessen Fall bis nach der Wahl konsequent verschwiegen wurde.

Dass Frau Brodnig ein solch kritisches Medium, das aufzeigt, wie ihr Berufsstand zeitweise agiert, nicht mag, ist verständlich. Sie wird es weiter aushalten müssen. Außerdem ist sie in ihren Attacken vornehmlich gegen die FPÖ ja auch nicht gerade zimperlich.

 

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