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Der Wechsel von einer 10 Jahre regierenden mitte-links (rot-schwarzen) Koalition ist ein willkommener Anlass, Bilanz zu ziehen über die letzten 10 Jahre Sicherheits-, Verteidigungs- und Friedenspolitik der SPÖ/ÖVP.

31. März 2018 / 11:00 Uhr

Zehn Jahre SPÖ-Verteidigungsminister: Fast zehn verlorene Jahre

Im Jänner 2007 übernahm der SPÖ-Politiker Mag. Norbert Darabos, ein ehemaliger Zivildiener, das Verteidigungsressort. Er war damit seit fast einem Vierteljahrhundert der erste Politiker aus den Reihen der SPÖ, welcher wieder dem Verteidigungsressort als Bundesminister vorstand. Die Ausgangslage für Darabos war recht günstig, da eine Neuorganisation des Ministeriums, welche von seinem Vorgänger, dem ÖVP-Minister Platter vorbereitet wurde, nicht mehr zur Umsetzung gelangte. Diese nicht vollendete Neuorganisation nahm Darabos gleich zum Anlass als “SPÖ-nahe” Führungspersönlichkeiten geltende hohe Offiziere und Beamte in die Spitzenpositionen im Ressort und bei den nachgeordneten Kommanden nach einem objektiven Ausschreibungsverfahren zu ernennen.

Ein Gastbeitrag von Harald Pöcher

Nach der im Volksmund bekannten “Teil-Umfärbung” des Ressorts gingen der Minister und seine Getreuen ans weitere Umkrempeln der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Hauptthema der ersten Stunde war die Einlösung des Wahlversprechens der SPÖ, den Eurofighter-Vertrag aufzukündigen und dadurch die ungeliebten Eurofighter außer Dienst zu stellen. Der Minister musste aber bald erkennen, dass ein Ausstieg aus dem Vertrag nur mit hohen Kosten verbunden sein wird. Da er zum Erfolg verdammt war, suchte er den Ausweg in einem Vergleich mit dem Vertragspartner Eurofighter GesmbH, welchen er mit einem hochangesehenen emeritierten Universitätsprofessor für Zivilrecht als Berater abschloss.

Der Vergleich führte rein rechnerisch zu budgetären Ersparnissen, dafür musste das Bundesheer aber auf Eurofighter der modernen Variante Tranche 2 (Multirole-fähiger Abfangjäger) verzichten, bekam dafür alte Abfangjäger der Tranche 1 und es wurde obendrein die Stückanzahl von 18 auf 15 reduziert. Des Weiteren wurde auf einige, aber nicht unbedeutende Ausstattungsdetails verzichtet. Der Rechnungshof prüfte den Vergleich und hinterfragte dabei das Verhandlungsergebnis äußerst kritisch. Im Nachhinein betrachtet erwies sich der Vergleich aber als zunehmend teuer werdende Kostenfalle für die Zukunft, denn nach 10 Jahren Betrieb der Tranche 1 sind nunmehr teure Aufrüstungsinvestitionen notwendig.  

Hoppalas reihen sich aneinander

Der Eurofighter-Deal war aber nur eines unter vielen Hoppalas. Nach der Neuorganisation der Zentralstelle wurde auch die österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach offensichtlich sozialdemokratischen Grundsätzen neu gestaltet. Den politisch Verantwortlichen redeten die so genannten Experten ein, dass nach dem Ende der Blockkonfrontation in Europa nicht mit einem großen Krieg gerechnet werden muss und sie empfahlen, dass man ohne größere Probleme für die Zukunft die schweren Waffensysteme reduzieren könne.

Der Minister sah dadurch ein großes Einsparungspotential, sodass er 750 der 1.150 Panzer verschrotten ließ. Ein bemerkenswert gutes Geschäft mit den ausgemusterten Kampfpanzern Leopard 2A4 dürfte jedenfalls der deutsche Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann gemacht haben, welcher die ausgeschiedenen Panzer ankaufte und nach einer Runderneuerung sehr teuer weiterverkaufen konnte. Das Kaputtsparen des Bundesheeres machte sich auch am Arbeitsmarkt bemerkbar, denn das Bundesheer wurde als Arbeitgeber zunehmend unattraktiver. Die Folge davon war, dass sich zu wenige junge Menschen für den Job eines Berufs- oder Zeitsoldaten zu interessieren begannen.

Ein weiteres Highlight während seiner Amtszeit waren die im Jänner 2011 vorgelegten Pläne zur Abschaffung der Wehrpflicht. Die Pläne der Abschaffung der Wehrpflicht führten zum Zerwürfnis mit dem Generalstabchef Mag. Edmund Entacher. Darabos zeichnete sich in diesem Zerwürfnis durch seine Menschenführungsqualitäten aus. In der Presse wurde genussvoll der Kleinkrieg zwischen Darabos und dem von ihm, bestellten Generalstabschef Mag.Edmund Entacher zelebriert, welcher in einer Suspendierung des verdienten Generals und Parteifreundes im Jänner 2011 mündete. Darabos musste allerding im November 2011 die Suspendierung von Entacher aufheben und Entacher verblieb bis zu seiner Pensionierung im März 2013 Generalstabchef. Die Diskussion um die Abschaffung der Wehrpflicht wurde durch eine Volksbefragung am 20. Jänner 2013 entschieden, welche als Ergebnis eine Weiterbelassung der Wehrpflicht brachte. Damit waren die Tage von Darabos als Bundesminister für Landesverteidigung gezählt und er trat schließlich am 4. März 2013 zurück. Ihm folgte der weitgehend unbekannte SPÖ-Bundesrat Mag. Gerald Klug als neuer Bundesminister.

Klug bekam zunächst viele Vorschusslorbeeren, aber er musste bald erkennen, dass es kein zusätzliches Geld für das Bundesheer geben wird. Damit blieb Klug nichts anderes übrig als nach Einsparungen im System zu suchen, welche er durch die tatkräftige Hilfe willfähriger Bediensteter – man will schließlich ja was werden, koste es, was es wolle – auch fand. Den Einsparungsplänen hielt lediglich die FPÖ entgegen und versuchte in der Oppositionsrolle den Totalausverkauf des Bundesheeres zu verhindern. Eine weitere Negativschlagzeile lieferte Klug mit seiner Entscheidung, die österreichischen Truppen vom Golan abzuziehen.

Von Klug blieb wenig über

Spätestens im Frühjahr wurde Klug zu einer Schwachstelle im roten Regierungsteam. Der SPÖ kam damals zu Gute, dass der damalige Sozialminister Hundsdorfer als Kandidat der SPÖ für die Präsidentschaftswahlen 2016 ausersehen wurde und er vor dem Wahlkampf als Minister zurücktrat. Im Zuge der Regierungsumbildung wurde Klug zum neuen Infrastrukturminister bestellt, da der damalige Infrastrukturminister Stöger zum neuen Sozialminister bestellt wurde. Von Klug blieb damit wenig Berichtenswertes erhalten, außer, dass er mit “situationselastisch” das Wort des Jahres 2014 kreierte und eine seiner Eigenheiten, nämlich, die, dass er an viele Worte ein”-na” anzuhängen pflegte, beispielsweise “Soldatna”.

Nach Klug wurde der Landespolizeikommandant vom Burgenland Mag. Hans-Peter Doskozil zum neuen Verteidigungsminister bestellt.  Er machte sich einen Namen während der Migrationskrise 2015, als Tausende von Flüchtlingen ohne Kontrolle einfach ins Land hereingelassen wurden und neben den Schutzsuchenden möglicherweise auch potentielle Terroristen ins Land hereingespült worden sind.

Bald nach dem Amtsantritt präsentierte der neue Minister seine Visionen: Er wollte rasch verfügbare Truppen mit 6.000 Berufssoldaten sowie eine Stärkung der Militärkommanden und der Miliz auf Kosten der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen. Im nachgeordneten Bereich sollte das Streitkräfteführungskommando in Graz auf ein “Kommando Land” reduziert und dafür die Luftwaffe wieder ein eigenes Kommando samt Materialstab bekommen. Die Aufteilung des ehemaligen Streitkräfteführungskommandos bewirkte aber eine Vergrößerung der Verwaltung. Der Großteil der Visionen wurde fast eins zu eins umgesetzt. Doskozil bekam dafür viel Lob von der Truppe, aber auch von der Opposition.

Sonderfinanzierung durch Terrorbedrohung

Ein großer Erfolg gelang Doskozil bei den Budgetverhandlungen. Nicht zuletzt im Angesicht der Terrorbedrohung gelang ihm eine Budgeterhöhung in Form einer einmaligen Sonderfinanzierung für das Verteidigungsministerium zu erwirken. Mit dem zusätzlichen Geld wurde zwar in die Infrastruktur investiert und es kamen heimische Unternehmen zum Zug, bei Rüstungsgüterkäufen vermisst der Autor jedoch eine gezielte Vergabe an die heimische Industrie, welche Doskozil besonders hervorgehoben hatte. Vielmehr beschaffte man 32 ?Universalgeländefahrzeuge BvS 10 Hägglund bei einem schwedischen Hersteller. Um diese Summe hätte man beispielsweise bei General Dynamics Land Systems Steyr mehr als 30 Radpanzer Pandur bekommen und damit Arbeitsplätze in Wien-Simmering über mehrere Jahre sichern können, eines der Hauptanliegen der Sozialdemokratie im Zusammenhang mit der Stärkung des heimischen Arbeitsmarktes.

Doskozil hinterließ aber nicht nur Jubel und Freude, sondern auch das ungelöste Problem der “Strafanzeige gegen Airbus (vormals Eurofighter Gmbh)”. Es geht um den Verdacht auf arglistige und betrügerische Täuschung der Republik Österreich beim Vertragsabschluss. Der Autor, selbst kein Jurist, möchte diese Vorgangsweise nicht weiter kommentieren, ist aber schon gespannt wie die Causa ausgehen wird. Der Autor hofft auf jedem Fall, dass das Bundesheer und die Luftraumüberwachung nicht durch elendslange Gerichtsverfahren auf der Strecke bleiben.

Resümee

Während der 10 Jahren, in denen die SPÖ die Verantwortung über die Gestaltung der Verteidigungspolitik übertragen bekam, wurde der Kampfwert des österreichischen Bundesheer in Bezug auf schwere Waffensysteme massiv reduziert, was den Schluss zu lässt, dass dem Bundesheer bereits die Kraft zum Streiten fehlt und man das österreichische Bundesheer nicht mehr als Streitkräfte im eigentlichen Sinne betrachten kann, sondern lediglich als besonders gehärtete Polizeikräfte für spezielle Aufgabenstellungen. Dies lässt auch Zweifel aufkommen, ob das Bundesheer überhaupt noch alle verfassungsmäßigen Aufgaben, insbesondere die militärische Landesverteidigung, erfüllen kann.

Internationale Fragen ungeklärt

Es wird eine große Kraftanstrengung von der neuen Bundesregierung und insbesondere vom neuen Verteidigungsminister notwendig sein, um das Bundesheer wieder fit zu machen, dass es auch im internationalen Zusammenhang als interoperable gelten kann.

Eines soll nicht unerwähnt bleiben: Der Ausverkauf des Bundesheer war nur möglich, weil der damalige Oberbefehlshaber diesem Treiben tatenlos zusah, ohne rechtzeitig die Notbremse zu ziehen. Den amtierenden Oberbefehlshaber trifft keine Schuld, da er erst 2017 angelobt wurde und zu diesem Zeitpunkt der Ausverkauf des Bundesheeres schon sehr weit fortgeschritten war.

Abschließend möchte der Autor den vielen engagierten Kadersoldaten und Zivilbediensteten Dank sagen. Das österreichische Bundesheer kann nur durch die Arbeit dieser engagierten Soldaten und Zivilbediensteten, welche mit viel Herzblut im täglichen Alltag ihr Bestes geben, unter oft widrigen Umständen jene Spitzenleistungen erbringen, welche national und international immer wieder so positiv hervorgehoben werden.

Weiterführende Informationen, eine Langversion und Hintergründe zu diesem Gastbeitrag finden Sie hier.

Als habilitierter Militärwissenschaftler hat der Autor seit Jahrzehnten die “Österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik” weit oben auf seiner Liste der Forschungsvorhaben und veröffentlicht periodisch seine Meinung zu aktuellen Themen der österreichischen Sicherheits-, Verteidigungs- und Friedenspolitik, insbesondere zum Zustand des österreichischen Bundesheeres als das wesentliche Mittel der praktischen Durchsetzung der genannten Politikfelder.

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