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Bundeskanzler Sebastian Kurz und Verteidigungsminister Mario Kunasek bei der Pressekonferenz zur Spionageaffäre.

11. November 2018 / 14:28 Uhr

Bundesheer-Oberst soll 20 Jahre lang für Russland spioniert haben

Am Freitag, den 9. November, um 8.30 Uhr kam es zu einer sehr hastig und ungewöhnlich früh einberufenen Pressekonferenz des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz und des Verteidigungsministers Mario Kunasek.

Kurz berichtete den anwesenden Medienvertretern, dass ein pensionierter Oberst des Bundesheeres im Verdacht stehe, viele Jahre mit einem russischen Nachrichtendienst zusammengearbeitet zu haben. Diese Unterstützung könnte nach den Informationen der Bundesregierung in den 1990er Jahren begonnen haben und habe bis ins Jahr 2018 angedauert. Es handle sich um einen Fall von Spionage und es bestehe der Verdacht einer strafbaren Handlung. Sollte sich der Verdacht bestätigen, würde dies auch das Verhältnis von Russland zur EU nicht verbessern. Die Außenministerin hat reagiert und ihren für Dezember geplanten Arbeitsbesuch in Moskau abgesagt. Die Justiz sei bereits aktiv geworden.

Offizier gab angeblich 20 Jahre lang Informationen weiter

Der Verteidigungsminister selbst informierte, dass der Offizier seit fünf Jahren pensioniert sei und über mehrere Jahre hinweg Informationen an Russland weitergegeben habe. Der Fall wäre vor einigen Wochen durch einen befreundeten Dienst mitgeteilt worden. Das Abwehramt habe daraufhin die Identität des Spions festgestellt und dann mit ihm Gespräche geführt. Der Betroffene habe auch technische Geräte, wie Laptops, übergeben, deren Auswertung jetzt am Laufen sei. Er, Kunasek, habe sofort, nachdem der Fall das bekannt wurde, dem Generalsekretär des Verteidigungsministeriums den Auftrag gegeben, eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln. Dies ist jetzt passiert, auch mit allen Informationen, die das Abwehramt und somit sein Haus zur Verfügung hätten, und man könne davon ausgehen, dass die Ermittlungen jetzt rasch aufgenommen würden.

Dass man so hastig und früh diese Pressekonferenz einberufen habe, obwohl man, wie selbst mitgeteilt, mit dem betroffenen Oberst Gespräche geführt und von ihm sogar Laptops zur Auswertung bekommen habe, machte eher den Eindruck einer inszenierten Überbetonung dieses Falles.

Auch der Onlineausgabe der Presse vom selben Tag war schon der ungewöhnlich frühe Termin der Pressekonferenz aufgefallen, diese erklärte dies aber damit, dass der Spionagefall erst am Donnerstagabend die Spitzen der Republik erreichte. Ein Mitarbeiter im Kabinett Kunaseks soll auch die Kronen Zeitung vorab informiert haben. Des weiteren soll laut Presse der verdächtige Oberst mehr als 20 Jahre spioniert haben. Im ersten Onlineartikel der Presse unmittelbar nach der Pressekonferenz wurde bezüglich der Dauer der Spionagetätigkeit auch noch die Information des Bundeskanzlers von der Pressekonferenz (“1990er Jahre bis 2018”) wiedergegeben.

Krone zieht Parallele zu Oberst Redl

Die Krone berichtete anfänglich ebenfalls, dass die Spionagetätigkeit in den 1990er-Jahren einsetzte und demnach etwa 20 Jahre dauerte, mit der Ergänzung, dass dies deutlich länger war als die seinerzeitige Spionagetätigkeit des k.u.k. Obersten Redl für das Zarenreich. Oberst Redl hatte damals unter anderem Aufmarschpläne der Doppelmonarchie gegen Russland verraten, somit stellt sich die Frage, ob der moderne “Redl”, dessen Namen wir noch nicht kennen, etwas ähnliches im Schilde führte. Doch ganz Österreich kann aufatmen. Österreich hegt Gott sei Dank keine Angriffspläne gegen Russland. An welchen Informationen könnten die Russen also diesmal Interesse gehabt haben? Näheres dazu wurde in der Pressekonferenz gar nicht bekanntgegeben, doch die Krone weiß zu berichten, dass angeblich viele vertrauliche Fakten über Österreichs Luftwaffe, die Artilleriesysteme sowie Lagebriefings übermittelt worden seien. Und man höre und staune: Kurz vor seinem Auffliegen lieferte der neue “Oberst Redl” auch Berichte über die Migrationssituation in Österreich.

Spion angeblich 1988 in Teheran angeworben

Doch das Verwirrspiel um den mutmaßlichen Spion wird durch einen späteren Online-Artikel der Kronen Zeitung noch bestärkt. Jetzt soll der Spion sogar schon im Jahre 1988 in Teheran angeworben worden sein und in weiterer Folge 20 Jahre lang Informationen an die Russen geliefert haben. Somit müsste der Spion circa im Jahre 2008 seine gefährliche und ungesetzliche Tätigkeit beendet haben, und die Tat wäre eigentlich längst verjährt. Zu diesem Szenario würde eine Information aus dem Online-Kurier passen, wo wir erfahren, dass der mutmaßliche Spion bereits 2006 versucht haben soll, auszusteigen. Dies soll aber angeblich von den russischen Kontaktmännern nicht zugelassen worden sein. Doch wer weiß, ob es stimmt, dass die Russen wirklich so böse waren. Ist es nicht eher denkbar, dass sich der Oberst von seinen Auftraggebern getrennt hat, um in Ruhe seine Pension genießen zu können und er sich dann weiterhin in aller Freundschaft mit seinem Kontaktmann Juri gemütlich getroffen hat, um über aktuelle Ereignisse in Europa, wie zum Beispiel den Flüchtlingsansturm zu plaudern? Und dies wären dann die “Berichte zur Migrationssituation”, die die Kronen Zeitung erwähnt hat. Dies ist natürlich nur eine Spekulation basierend auf den widersprüchlichen Meldungen der österreichischen Mainstreammedien.

BND spionierte Österreich jahrelang aus

Wie der Verteidigungsminister sagte, wurde die Information über den mutmaßlichen Spion von einem befreundeten Nachrichtendienst übermittelt, und man nimmt an, dass es der BND ist. Wenn man jedoch bedenkt, dass der BND in Österreich selbst zwischen 1999 und 2006 über 2.000 Ziele in Österreich ausspioniert hat, kann man nicht unbedingt von einem befreundeten Geheimdienst sprechen.

Dieser aktuelle mutmaßliche Spionagefall erweckt in erster Linie Erinnerungen an einen ähnlichen Fall vor zehn Jahren, als damals ein Deutscher Ingenieur namens Werner G. den österreichischen Vizeleutnant Harald S. der Spionage für Russland bezichtigte und die Untersuchungen im Sande verliefen. Nichts konnte bewiesen werden und es blieb bei der einen Anschuldigung des Ingenieurs ohne jede weiteren Beweise. Damals wurde aber auch ein Russe, der für die russische Weltraumbehörde arbeitete, in Österreich festgenommen, was zu einer Verstimmung in den diplomatischen Beziehungen zu Russland beitrug, während gerade noch drei Wochen davor Wladimir Putin bei seinem Staatsbesuch in Österreich mit Heinz Fischer die Spanische Hofreitschule besucht hatte und die russisch-österreichisch Beziehungen äußerst positiv bewertete.

Soll Österreichs gutes Verhältnis zu Russland gestört werden?

Und erleben wir jetzt nicht wieder eine ähnliche Situation? Die neue österreichische Regierung hält weiter gute Beziehungen mit Russland aufrecht und hat sich auch nicht an den Diplomatenausweisungen aufgrund der unbewiesenen Skripal-Affäre beteiligt. Der russische Präsident war schon auf Staatsbesuch in Wien und sogar persönlich zur Hochzeit der Außenministerin eingeladen. Kann es sein, dass dies jemandem aus dem EU-Establishment nicht gepasst hat, sodass ein “befreundeter” Dienst (mutmaßlich BND) ins Rennen geschickt wurde, um da ein bisschen nachzuhelfen? Und das genau zu einer Zeit, wo es in Österreich eine Regierung gibt, die wieder selbstbewusster an die alte Neutralitätspolitik anzuknüpfen versucht und generell auch mehr nationale Souveränität und nationalen Handlungsspielraum (siehe UN-Migrationspakt) haben möchte?

Positiv aufgefallen ist bei der Pressekonferenz aber zumindest, dass man sehr stark und wiederholt betont hat, dass es sich nur um einen Verdacht handelt. Gleichzeitig wäre es aber wünschenswert, die positive Russlandpolitik weiterhin fortzusetzen, da dieser eine mutmaßliche Spionagefall, sollte er sich bewahrheiten, in gar keiner Relation zur BND-Spionage steht. Und die diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland wurden ja auch nicht herabgestuft.

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