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20. November 2010 / 09:39 Uhr

Neuer Verfassungsrichter gewählt

Wenn Herr und Frau Österreicher an Verfassungsrichter denken, sehen Sie das Bild von honorigen Herren, gehüllt in Talare mit Krägen aus Hermelin vor sich und verbinden dieses Amt aber sonst mit einer Tätigkeit in einer eher trockenen und fernen Rechtsmaterie. Dies ist seit dem 24. Dezember des Vorjahres etwas anders, denn seit diesem Datum verbindet man auch das couragierte Auftreten des ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichts, Ludwig Adamovich, mit diesem Amt, wenngleich er für seinen Versuch, die Ermittlungen in der Causa Kampusch wieder in Gang zu setzen, verurteilt wurde. Der Nationalrat wählte in dieser Woche ein neues Mitglied dieses Höchstgerichtes.

Verfassungsgerichtshof in WienDem Verfassungsgerichtshof (Bild) wurden mit der am 10. Oktober 1920 in Kraft getretenen Bundesverfassung (B-VG) alle Aufgaben zugewiesen, die in der Monarchie das Reichsgericht und der Staatsgerichtshof innehatten. Als neue Zuständigkeit kam die Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen und der Verfassungsmäßigkeit von Bundesgesetzen hinzu. Traditionellerweise waren es – auf Grund ihrer schon durch die berufliche Tätigkeit gelebten Unabhängigkeit – sehr oft Freiberufler, die als Verfassungsrichter bestellt wurden.

Leider hat sich diese Unabhängigkeit nicht bis in die Gegenwart durchgesetzt, denn heutzutage werden die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes von der Politik bestellt, obwohl ihre Kompetenzen mit der Politik in Berührung stehen, nämlich die Normenkontrolle, die Wahlgerichtsbarkeit, die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit und die Kompetenzgerichtsbarkeit. Diese Bestellung erfolgt durch die herrschende Regierung nur zu oft aus ihrem politischen Nahebereich.

Verfassungsrichter bis zum 70. Geburtstag bestellt

Da das bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar ist, liegt per se noch kein hinreichender Grund zu heftiger Kritik vor. Da durch die Bestellung der Höchstrichter bis zum Ablauf ihres siebzigsten Lebensjahrs eine Versteinerung der zum Bestellungszeitpunkt vorliegenden Mehrheitsverhältnisse eintritt, wird das Bestellungsverfahren oftmals von Experten als demokratiepolitisch bedenklich beurteilt.

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Bei diesem Kritikpunkt hakte der FPÖ- Verfassungssprecher Harald Stefan – nach den einhelligen Wahlempfehlungen von ÖVP und SPÖ – ein und erinnerte an die Tradition, dass sich die Verfassungsrichter aus den Reihen der Freiberufler rekrutierten. Stefan empfahl daher die Wahl des Rechtsanwalts Johannes Hock. Auch kritisierte er die Tatsache, dass drei von vierzehn Bewerbern aus demselben Institut der Wirtschaftsuniversität Wien stammen und dadurch auf das gesamte Bestellungsverfahren schiefes Licht geworfen wird.

Regierung einigt sich vor Ende des Hearings auf ihren Kandidaten

Einer dieser WU-Professoren machten dennoch das Rennen: Michael Holoubek erhielt 109 von 157 gültig abgegebenen Stimmen gewählt. Auf den von Freiheitlichen vorgeschlagenen Kandidaten Hock entfielen 37 Stimmen. Schiefes Licht auf den gesamten Bestellungsvorgang warf eine Meldung der Austria Presse Agentur, die um 12 Uhr verkündete, dass sich die Regierungsparteien auf Holoubek geeinigt hätten. Zu diesem Zeitpunkt war das Kandidaten-Hearing noch nicht einmal abgeschlossen, was FPÖ-Justizsprecher Peter Fichtenbauer den Regierungsparteien als Geringschätzung der noch zu hörenden Kandidaten auslegte.

Hauptaufgabe des neuen Verfassungsrichters wird es sein, über die Berechtigung von Asylanträgen zu befinden. Mittlerweile machen Beschwerden abgewiesener Asylwerber knapp zwei Drittel der Fälle am VfGH aus und legen das Höchstgericht allmählich lahm.

Foto: Douglas Sprott / flickr

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