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Warum nicht der 12. November als “Tag der Republik” feiern, fragt Friedrich Rödler anlässlich des EuGH-Urteils zum Karfreitag.

22. Jänner 2019 / 15:00 Uhr

“Karfreitagsurteil” des EuGH: Jetzt über “Tag der Republik” am 12. November nachdenken

Mit seinem heute, am 22. Jänner, veröffentlichten Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass die österreichische gesetzliche Regelung, den Karfreitag nur für Angehörige der evangelischen (und bestimmter anderer christlicher) Kirchen zum gesetzlichen Feiertag zu erklären, diskriminierend ist.

Gastkommentar von Dr. Friedrich Rödler

Ein guter Anlass, eine grundsätzliche Diskussion über Anzahl und Gewichtung der gesetzlichen kirchlichen und staatlichen Feiertage zu führen.

Feiertag für alle?

Offensichtlich nicht diskriminierend wäre es nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes, den Karfreitag allgemein – also auch für Katholiken, aber auch für Konfessionslose und deklarierte Bekenner nichtchristlicher Religionen – zum gesetzlichen Feiertag zu erklären. Diesfalls hätte der Karfreitag in Österreich das Potenzial zu einem zweiten 8. Dezember (Maria Empfängnis – katholischer gesetzlicher Feiertag), an dem man sich bekanntlich in Scharen in Bewegung setzt, um heimische Kaufkraft in anderen Ländern freizusetzen. Der ÖGB hat in einer ersten Reaktion bereits seinen Pflock eingeschlagen und einen weiteren derartigen österreichischen gesetzlichen Feiertag für alle gefordert.

Feiertagsbezahlung für alle?

Österreich hat aber auch die Möglichkeit, seine gesetzliche Regelung so zu belassen, wie sie ist. Die Konsequenz wäre, dass zwecks Vermeidung von Diskriminierung sämtlichen Arbeitnehmern, und dies ungeachtet ihres persönlichen Religionsbekenntnisses (also egal ob überhaupt, ob christlich oder nicht-christlich), für ihre Arbeit an einem Freitag des Jahres – eben dem Karfreitag, an dem wie an jedem anderen Freitag des Jahres gearbeitet wird – erhöhtes Feiertagsentgelt zusteht. Ebenso wenig überraschend hat auch sofort der Wirtschaftsbund seinen Pflock eingeschlagen und diesfalls auf jährliche Mehrkosten für die bereits ohnehin über Gebühr belastete Wirtschaft von 600 Millionen Euro verwiesen.

Staatliche Kirchenfeiertage im säkularen Staat?

Das aktuelle EuGH-Urteil sollte nicht zu habituell aufgeregten Sozialpartnergegacker bis -gezänk im vorgezeichneten Konfliktparallelogramm führen, sondern vielmehr willkommener Anlass zu einer überfälligen, grundlegenden und sachlichen Diskussion über arbeitsfreie kirchliche Feiertage (in Anzahl und Gewichtung ) und über arbeitsfreie staatliche Feiertage (in Anzahl und Gewichtung) sowie über die Verträglichkeit der Gesamtdosis sein.

Tag der Republik am 12. November

Eine derartige grundlegende Erörterung wird aber nicht an dem Faktum vorbeikommen, dass Österreich – im Gegensatz zu den meisten Staaten europa- und weltweit – keinen Tag hat, an dem seiner Gründung gedacht wird. 

Der bis 1964 als “Tag der Fahne” bezeichnete, später zum “Staats-” und dann zum “Nationalfeiertag” umbenannte gesetzliche Feiertag am 26. Oktober jeden Jahres bezieht sich auf den Beschluss des Nationalrates über die immerwährende Neutralität Österreichs, gedenkt aber weder vom Wortlaut noch von der Intention her der vor mehr als 100 Jahren erfolgten Gründung unserer Republik.

Die durch das “Karfreitags-Urteil” des EuGH absehbare Diskussion über Anzahl und Berechtigung der gesetzlichen kirchlichen und staatlichen Feiertage in Österreich sollte zum Anlass genommen werden, ernsthaft und sachlich über einen Tag der Republik auch in Österreich nachzudenken, und das historische Faktum der auf Antrag des Staatsrates und auf der Grundlage eines einstimmigen Beschlusses der provisorischen Nationalversammlung erfolgten Proklamation unserer Republik am 12. November 1918 durch deren damaligen Präsidenten Franz Dinghofer entsprechend zu würdigen.

Dazu empfiehlt die unzensuriert-Redaktion die Eckartschrift “Der Umsturz 1918 und seine Folgen” vom ehemaligen Dritten Präsidenten des Nationalrates Wilhelm Brauneder.

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Dr. Friedrich RÖDLER (*1954)

Mitglied des Rechnungshofes (1978-2001)

Generalsekretär des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (2001 bis 2005)

Präsident des Österreichischen Patentamtes (2005 bis 2015)

Inhaber einer Unternehmensberatung (www.roedler-consult.at) seit 2017

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