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21. November 2010 / 20:21 Uhr

Kinderschänder-Jagd auf RTL2 nicht jugendgefährdend

"Tatort Internet" will Pädophilen auf die Schliche kommen.

Das reißerische TV-Format „Tatort Internet“ bei RTL II soll perversen Kinderschändern auf die Schliche kommen. Dazu gibt sich eine Journalistin als Minderjährige aus und kommuniziert in Internet-Chaträumen mit potentiellen Triebtätern. Schließlich werden die vermeintlich pädophilen Männer zu realen Treffen überredet, bei denen sie dann vor der Kamera zur Rede gestellt werden.

Weil nach der Erstausstrahlung am 7. Oktober immer mehr Beschwerden bei der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) eingingen, wurde die Sendung einer Prüfung auf Einhaltung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) unterzogen. „Nach einer kritischen, intensiv geführten Diskussion“ entschied die KJM am 10. November, „dass kein Verstoß gegen die Jugendschutz-Bestimmungen besteht“. Bezüglich der Frage, welche Wirkung die Sendung auf minderjährige Zuschauer ausüben kann, stellte die Kommission zwar fest, dass „Tatort Internet“ stark dramatisiert und emotionalisiert, aber kaum praktische Hilfestellung gibt.

"Tatort Internet" will Pädophilen auf die Schliche kommen.Tatsächlich nutzt der deutsche Fernsehsender das bisher nur aus Amerika bekannte TV-Format fast ausschließlich dazu, um Quotenerfolge einzufahren. Der Produzent der Reihe, Daniel Harrich, meinte jüngst in der „FAZ“: Durch die „mediale Aufmerksamkeit sowie Millionen Zuschauer“ sei das Thema „Cyber-Grooming“ zu einem der präsentesten Themen der letzten Wochen geworden. Mit Kritik an der Sendung kann Harrich hingegen nicht viel anfangen, schließlich gehe es um „die für meine Begriffe skandalöse Tatsache, dass die Anbahnung eines sexuellen Kontaktes mit Minderjährigen nach geltender Rechtslage noch nicht strafbar sein soll. Will unsere Gesellschaft das?“ Mitnichten. Allerdings gerät in dem vor Emotionen wallenden Kampf gegen Kinderschänder im Internet die tatsächliche Gesetzeslage in Vergessenheit, die diese Anbahnungen in Deutschland sehr wohl unter Strafe stellt..

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Seit 1. April 2004 existiert im Strafgesetzbuch die eindeutige Bestimmung, dass die sexuell motivierte Kontaktanbahnung im Internet unter Strafe zu stellen ist. Konkret heißt es im Paragraf 176 Absatz 4 Nummer 3: „Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer auf ein Kind durch Schriften einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen, die es an oder vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen lassen soll“. Unter dem weiten Schriften-Begriff sind laut Bundesgerichtshof (BGH) auch elektronische Arbeitsspeicher und die darauf basierende Bildschirmanzeige subsumiert.

Zwar ist der „Versuch“ der Kontaktanbahnung nicht strafbar (also das bloße Einloggen in einen Chatraum unter der Absicht eine sexuelle Handlung anzubahnen), allerdings die tatsächliche Kontaktanbahnung zu Kindern. Folglich ist auch die gut gemeinte Intention der Sendung irreführend. Hinter den Löckvögeln für die vermeintlichen Päderasten stehen nämlich keine Kinder, sondern Jugendliche und Erwachsene. Würde nun auch der Versuch der Kontaktanbahnung strafbar sein, gäbe es auch keine Sendung mehr. Dann stünden die handelnden Personen selbst wegen Beihilfe am Pranger.

Eigenes Internet-Gesetz wäre ein Rückschritt

Wünscht sich die Sendung einen expliziten Zuschnitt des Gesetzes auf das Internet, so wie das auch eine EU-Richtlinie vorsieht, fiele die Strafbarkeit des „Cyber-Grooming“ dann nur mehr ausschließlich bei einem realen Treffen an. Auch die Kontaktanbahnung mittels realen Schriften, zu denen auch CDs und DVDs gehören, wäredann straffrei gestellt . Dann wäre es mit der rigiden Gesetzeslage gegen Kinderschänder in Deutschland vorbei.

Freilich: Gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie wird auf staatlicher Ebene viel zu wenig getan. Deshalb kann die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) dem TV-Format auch etwas Positives abgewinnen und begrüßt, „dass im Vordergrund der TV-Sendung die Gefahren des sexuellen Missbrauchs im Internet nun breiter diskutiert würden“. Dennoch sollte der Aktionismus auf einer halbwegs seriösen Basis geführt werden und nicht um die Quote willen.

Foto: Peter Bulthuis (Southworth Sailer) / flickr

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