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Bevor Bundespräsident Aexander Van der Bellen die Europäische Menschenrechtskonvention verteidigt, sollte er daran denken, dass die Todesstrafe in ihr lange Zeit verankert war.

2. Feber 2019 / 23:10 Uhr

Will Van der Bellen die Todesstrafe in der Europäischen Menschenrechtskonvention?

Was gab es nicht wieder einmal für eine vollkommen gestellte Hysterie um Innenminister Herbert Kickl bezüglich seiner Aussagen im ORF-Report? “Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht”, sagte der Minister, und die linke Reichshälfte bis zum Bundespräsidentenhin übte Kritik. Vor allem deshalb, weil sie einen Angriff auf Grundwerte wie die Europäische Menschenrechtskonvention sieht.

Kommentar von Unzensurix

“Die Europäische Menschenrechtskonvention steht in Österreich seit 59 Jahren im Verfassungsrang. An ihr zu rütteln, wäre eine Aufkündigung des Grundkonsenses der Zweiten Republik”, meinte Van der Bellen.

Nun, die Menschenrechtskonvention, nachzulesen im Internet (verbindlich sind aber nur die englische und französische Fassung), wurde am 4. November 1950 in Rom unterzeichnet, womit Van der Bellen ohnehin ein peinlicher Fehler unterlaufen ist. Und das ausgerechnet unserem Staatsoberhaupt.

Die Konvention ist in Österreich erst seit dem 3. September 1958 in Kraft. In Verfassungsrang konnte sie gemäß des entsprechenden Bundesgesetzblattes erst 1964 gehoben werden, wenngleich auch rückwirkend, wie es heißt. Dennoch sind das erst 53 Jahre und nicht 59 Jahre, wie Van der Bellen es behauptet. Rückwirkend wären es ohnehin weitaus mehr.

An Todesstrafe nicht rütteln?

Im Grunde genommen hat Van der Bellen auch eine äußerst gefährliche Meldung von sich gegeben, die keiner hinterfragt hat. Will er etwa die Todesstrafe? Wenngleich Van der Bellen auch betont, dass an der Konvention nicht gerüttelt werden dürfe, sollte er diese einmal in seiner 1950 beschlossenen Fassung lesen. Der Artikel 2 beschäftigt sich mit dem Recht auf Leben. Das Recht auf Leben wird allerdings in Frage gestellt, wenn ein Todesurteil verhängt wurde. Wörtlich heißt es in der Konvention:

Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt. Niemand darf absichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist.

Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

  1. jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
  2. jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
  3. einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen

Und so steht es bis dato drin. 1983 wurde aber ein Zusatzprotokoll vereinbart, das explizit die Todesstrafe ablehnt. Nur in Kriegszeiten oder unmittelbarer Kriegsgefahr kann die Todesstrafe ausgesprochen werden. Im Protokoll heißt es:

Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden. Der Staat übermittelt dem Generalsekretär des Europarats die einschlägigen Rechtsvorschriften.

Erst 2002 Todesstrafe in der Konvention komplett abgeschafft

Erst 2002 (!) wurde für die Menschenrechtskonvention nochmals ein Zusatzprotokoll verfügt, in dem die Todesstrafe komplett abgeschafft wurde (von Österreich im Jahr 2004 ratifiziert!). Todesurteile dürfen seither nicht einmal verhängt werden. Sicherlich ist Van der Bellen kein Anhänger der Todesstrafe. Er sollte allerdings nicht allzusehr die Menschenrechtskonvention verteidigen – vor allem, wenn es solange gebraucht hat, die Todesstrafe endgültig abzuschaffen.

Österreichs Strafgesetze schafften Todesstrafe 1968 ab

Unabhängig davon bleibt freilich, dass in Österreich die Todesstrafe offiziell 1968 – also auch 18 Jahre nach Unterzeichung der Konvention in Rom 1950 – aus den österreichischen Strafgesetzen gestrichen wurde. Die Geschichte über die Todesstrafe lässt sich leicht nachlesen. So gesehen war Österreich der Europäischen Menschenrechtskonvention einen Schritt voraus.

Wenn die Politik dem Recht folgen würde, na dann gute Nacht! Nicht umsonst mussten Zusatzprotokolle beschlossen werden. Gesetze werden laufend geändert, vor allem, wenn sie veraltet und nicht zeitgemäß sind. Alles andere wäre eine Bankrotterklärung. Fraglich bleibt, warum die alte Fassung nach wie vor Gültigkeit hat und nicht eine komplett neue Menschenrechtskonvention beschlossen wird. Dann bräuchte es auch keine Zusatzprotokolle.

“Weiterentwicklungen in Bezug auf das Gesetz sind notwendig. Sonst hätten wir heute die Todesstrafe“, meinte Vizekanzler HC Strache. Van der Bellen sollte auf ihn hören – und schweigen.

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