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IRA

28. November 2010 / 00:19 Uhr

Sinn Fein – 105 Jahre republikanische Bewegung in Irland

Am 28. November 1905 gründete Arthur Griffith in Dublin eine Partei, die über mehr als hundert Jahre das Schicksal der Grünen Insel auf unterschiedlichste Weise mitbestimmen sollte. Obwohl sie bereits mehrmals totgesagt wurde, erlebt Sinn Fein (gälisch für “Wir Selbst”) gerade in unseren Tagen einen neuen Aufschwung. Durch ihren Sieg in einem Wahlkreis in Nordwestirland könnte die Sinn Fein auch die Budgetpläne der Regierung von Brian Cowen zu Fall bringen. Sinn Fein könnte also wieder einmal Furore machen – Grund genug sich mit der wechselhaften Geschichte der Partei und ihrer derzeitigen Position auseinanderzusetzen.

Widerstand gegen die Briten und irische Unabhängigkeit

Die Anfänge der Partei waren alles andere als verheißungsvoll. Griffiths Ziel der Selbstverwaltung für Irland unter dem Dach des britischen Empire – als Vorbild diente ihm die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn – schien in weiter Ferne. Auf dem Höhepunkt seiner Macht hatte das britische Weltreich seine älteste Kolonie weiterhin fest im Griff, alle irischen Unabhängigkeitsbestrebungen bisher waren grausam unterdrückt worden und es deutete nichts auf eine Veränderung hin. Auch die Unterstützung in der Bevölkerung war zunächst nicht überragend. Eine Wende brachte erst der Osteraufstand 1916. Obwohl die Revolte, die zunächst wenig Rückhalt bei den Iren genoss, niedergeschlagen wurde, so trug das brutale Vorgehen der Briten gegen die Rebellen zu einem bei Meinungsumschwung bei.

Der neue Parteichef Eamon de Valera (Bild links) machte Sinn Fein zu einem Sammelbecken aller irischen nationalen Bewegungen. Gleichzeitig baute Michael Collins die Irisch Republikanische Armee auf, die der militärische Arm der Sinn Fein werden sollte. Nach ihrem überwältigenden Sieg bei den Unterhauswahlen 1918 – 75 der 103 irischen Mandate gingen an Sinn Fein – riefen ihre Abgeordneten 1919 die Irische Republik aus. Im darauffolgenden Unabhängigkeitskrieg konnte die IRA die Briten zum Rückzug zwingen, Nordirland verblieb aber beim Vereinigten Königreich. Über die Frage, ob das Anglo-Irische Abkommen von 1921 anzunehmen sei, spaltete sich Sinn Fein. Aus den Befürwortern des Vertrages, darunter waren unter anderem Sinn-Fein-Gründer Arthur Griffith und IRA-Chef Michael Collins, ging die Partei Fine Gael (Stamm der Iren) hervor.

Bedeutungslosigkeit nach dem Bürgerkrieg

Der Unabhängigkeit als Freistaat innerhalb des Empires folgte ein Bürgerkrieg zwischen den Gegnern und den Befürwortern des Anglo-Irischen Abkommens, der einstige Parteigänger auf beiden Seiten sah. 1926 schlossen die Sinn Fein und die IRA ein Waffenstillstandabkommen mit der Freitstaatregierung. Ein Teil der Sinn Fein wollte dies abermals nicht mittragen, so dass der langjährige Vorsitzende de Valera eine neue Partei “Fianna Fail” (Soldaten des Schicksals) ins Leben rief. Mit de Valeras Abgang verlor die Sinn Fein massiv an Einfluss und wurde von der treibenden Kraft zu einer Randerscheinung des politischen Lebens in Irland. Nach einem kurzen Flirt von Teilen der Bewegung mit marxistischen Ideen blieb ein harter Kern von irischen Nationalisten übrig, die immer mehr ins politische Aus drifteten. Dennoch blieb Sinn Fein als einzige Partei sowohl im Süden als auch in Nordirland präsent.

Die "Troubles" – Bürgerkrieg in Nordirland

Auch die IRA hatte ab den 1930er Jahren immer mehr an Bedeutung eingebüßt, obwohl sie immer wieder Kampagnen in Nordirland durchführte. Der Erfolg war allerdings bescheiden. Mit Beginn der 1960er orientierten sich sowohl Sinn Fein als auch die IRA immer stärker nach links und wandelten sich zu marxistischen Bewegungen. Der Ausbruch der Unruhen in Nordirland ab 1969 traf Sinn Fein völlig unvorbereitet, in die anfänglichen Proteste von Bürgerrechtsbewegungen war sie nicht eingebunden. Als es 1969 zu ersten massiven Ausschreitungen von protestantischen Extremisten gegen Katholiken kam, konnte die IRA, deren traditionelle Rolle auch im Schutz der katholischen Bevölkerung Nordirlands bestand, dieser Gewalt nichts entgegensetzen. 1969/70 spalteten sich beide Organisationen in die marxistische Official Sinn Fein und die Official IRA einerseits sowie die Provisional Sinn Fein und Provisional IRA andererseits. Die Officials stellten bereits in den 1970er Jahren den bewaffneten Kampf gegen die Briten ein, aus der Partei wurde schließlich die kommunistische Workers Party.

Hungerstreik und "Ballotbox and Armalite"

Provisional IRA und Provisional Sinn Fein bildeten ab 1970 als politischer und bewaffneter Arm der Bewegung zwei Seiten eines Kampfes. Während die IRA sich sehr schnell zu einer schlagkräftigen Guerillaorganisation entwickelte, konnte sich Sinn Fein in Nordirland als politische Partei der irischen Republikaner etablieren. Starken Aufwind für die Republikaner brachten die Hungerstreiks von 1981, als der inhaftierte Belfaster IRA-Kommandeur Bobby Sands (links eine Malerei auf einem Haus in Belfast) zum Mitglied des britischen Unterhauses gewählt wurde. Sands, der sich zum Zeitpunkt der Wahl bereits im Hungerstreik befand, starb kurz nach seinem Erfolg.

Der verstärkte politische Erfolg bewog die Führer von Sinn Fein und IRA, allen voran Parteichef Gerry Adams, zu einer neuen Strategie, die als “Ballotbox and Armalite” (Wahlurne und Sturmgewehr) bekannt wurde. Bis 1983 verfolgte Sinn Fein die Politik des Abstentionismus, gemäß der man erst nach Wahlen in einer einigen irischen Republik Mandate auch einnehmen werde. Seitdem sind Sinn-Fein-Vertreter sowohl in der Republik Irland als auch in Nordirland in verschiedenen staatlichen Vertretungskörpern anzutreffen; die Sinn-Fein-Sitze im britischen Unterhaus bleiben weiterhin unbesetzt, da Sinn-Fein-Mitglieder den erforderlichen Treueeid auf die Königin verweigern. Diese Mischung aus Teilnahme an der politischen Auseinandersetzung und bewaffnetem Kampf brachte Sinn Fein nicht nur Erfolge an den Wahlurnen; sie wurde auch als Verhandlungspartner ernst genommen.

Karfreitagsabkommen

Mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 stellte die IRA ihren bewaffneten Kampf ein, Sinn Fein wurde danach an der neuen Regierung Nordirlands beteiligt. Inzwischen ist die Partei zur zweitgrößten in Ulster nach der protestantischen Democratic Unionist Party geworden.

Sinn Fein heute

Nach dem Ende der Unruhen in Nordirland richtete sich das Interesse der Partei auch wieder verstärkt auf die Republik Irland. In den letzten Jahren ist es Sinn Fein gelungen, sich als linke Oppositionspartei zu positionieren; im Europaparlament gehören ihre Vertreter zur Vereinigten Linken. Nach all den verschiedensten Strömungen, die es innerhalb Sinn Fein bisher gab – vom gemäßigten Griffith über den national-konservativen de Valera bis zu den Marxisten der 1960er Jahre, wird die Partei heute unter Gerry Adams (Bild rechts), der seit 1983 den Vorsitz führt, oft als linksnationalistisch beschrieben. Auch wenn das Endziel einer Vereinigung Irlands weiter besteht, treten auch andere Themen in den Vordergrund. Sinn Fein ist betont europaskeptisch und engagierte sich gegen den Vertrag von Lissabon. Daneben führte die Partei Kampagnen gegen Abgaben auf Wasser und für ein neues Gesundheitssystem aber auch die Abschiebung von Ausländern. Ganz aktuell gehört Sinn Fein zu den schärfsten Kritikern des  geplanten Sparbudgets der irischen Regierung. Die jüngste Wahl eines Sinn Fein Kandidaten ins irische Parlament könnte so zum Stolperstein für die Regierung werden – diese wird momentan von Fianna Fail dominiert, einer Partei, deren Wurzel auch auf Sinn Fein zurückgehen.

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