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In Sachen Indexierung der Familienbeihilfe überstehen Claudia Gamon (Neos) und Werner Kogler (Die Grünen) keinen Faktencheck.

13. Mai 2019 / 12:37 Uhr

EU-Wahl: Grüner Kogler und pinke Gamon verlieren im Faktencheck

Nicht alles, was so manch EU-Spitzenkandidat im Zuge einer TV-Konfrontation behauptet, muss automatisch auch richtig sein. Bestes Beispiel lieferten der Grüne Werner Kogler als auch die eher unerfahrene Neos-Spitzenkandidatin Claudia Gamon bei der Puls4-Elefantenrunde beim Thema Familienbeihilfe, die Österreich an ins Ausland wohnende Kinder bezahlen muss.

Erste Falschmeldung:

Gamon sprach wörtlich von der “Kürzung der Familienbeihilfe”. Dies ist insofern falsch, weil durch die österreichische Neuregelung Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Liechtenstein, Luxemburg, die Niederlande, Schweden, aber auch die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied sowie das Bald-Nicht-EU-Mitglied Großbritannien mehr Familienbeihilfe aus Österreich erhalten als für Kinder, die eben in Österreich ihren Wohnsitz haben. Von einer Kürzung kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein, weil nämlich die Familienbeihilfe aus Österreich an die Kaufkraft des jeweiligen Landes angepasst (= Indexierung) wurde und wird.

Zweite Falschmeldung:

Gamon kritisierte, dass die Menschen aus dem Ausland, die in Österreich arbeiten, weniger Familienbeihilfe erhalten, obwohl sie die gleichen Beiträge zahlen. Gamon dürfte bis heute nicht verstanden haben, dass es für den Bezug der Familienbeihilfe vollkommen irrelevant ist, ob ein Elternteil arbeitet.

Die Österreichische Familienbeihilfe ist eine Leistung, die unabhängig von einer Erwerbstätigkeit bezahlt wird. Somit bekommen sie Familien auch dann, wenn sie nicht arbeiten. Die skurrile EU-Regelung allerdings verpflichtet Österreich, obwohl es das nationale Gesetz anders besagt, dass Familienbeihilfe in sämtliche Staaten Europas bezahlt werden muss.

Dies dann, wenn ein Elternteil in Österreich lebt – dieser muss aber NICHT in Österreich arbeiten, wenn der andere Elternteil, der mit dem Kind im Ausland lebt, arbeitet und daher dort Beiträge bezahlt. Bei solch einer Konstellation muss Österreich zumindest eine Differenzzahlung seiner Familienbeihilfe bezahlen. Denn zuerst muss jener Staat seine Beihilfe bezahlen, wo das Kind lebt.

Nur wenn beide Eltern nicht arbeiten, muss Österreich nichts ins Ausland überweisen. Dieser Umstand ist faktisch auch eine Diskriminierung, weil für bestimmte Personen eine Erwerbstätigkeit vorliegen muss, um die österreichische Familienbeihilfe zu erhalten, während andere freilich nicht erwerbstätig sein müssen. Niemand hat dies offenbar bis dato eingeklagt, weshalb der Europäische Gerichtshof (EuGH) sich damit wohl auch nie befassen musste.

Staatliche Regelungen in Europa sehr unterschiedlich

Außerdem sollte Gamon als “Europäerin” wissen, dass es Staaten gibt, die ihre Familienleistungen an eine Einkommenshöhe koppeln. Etwa Polen oder Rumänien. Dies kann dazu führen, dass, wenn Eltern zu viel verdienen, folglich auch viele Beiträge bezahlen, keinen Anspruch auf eine Familienleistung haben. Also anders gesagt, es gibt Staaten, die meinen, dass, wenn Eltern genug verdienen, sie auch keine staatliche Leistung brauchen.

Das führt etwa dazu, dass ebenfalls eine Diskriminierung möglich wird. Nehmen wir zwei Elternpaare in Polen, die beide jeweils ein Kind haben und beide monatlich netto 800 Euro Gesamteinkommen haben. Für den Bezug der polnischen Familienbeihilfe von 22 Euro bis maximal 31 Euro verdienen beide Elternpaare zuviel. Arbeitet allerdings bei einer der Familien ein Elternteil in Deutschland, dann muss Deutschland sein Kindergeld in voller Höhe bezahlen. Obwohl beide polnische Familien das gleiche Einkommen und jeweils ein Kind in ihrer Heimat haben, bekommt nur eine Familie eine Familienleistung.

Dass übrigens ein Staat wie Rumänien sich auf Kosten anderer Staaten viel Geld erspart, interessiert anscheinend niemanden. Denn arbeitet nur jener Elternteil – etwa in Österreich -, während der andere Elternteil in Rumänien nicht arbeitet, so muss Rumänien nichts von seiner Familienleistung bezahlen. Österreich dafür voll. Alle Staaten, die hohe Familienleistungen haben, müssen bei einer solchen Konstellation Unsummen ins Ausland exportieren. Das nennt man Umverteilung. Die Reichen zahlen an die Armen. Sozialunion rules!

Dritte Falschmeldung:

Nicht besser ist Werner Kogler. Der behauptete, dass ausländischen Pflegerinnen, die in Österreich arbeiten, ein Einkommensbestandteil entzogen würde. Die Familienbeihilfe zählt allerdings nicht als Einkommen und kann daher auch kein Bestandteil eines solchen sein. Die Familienbeihilfe ist eine Refundierung von Unterhaltskosten, die Eltern für ihre Kinder logischerweise haben und die vom Staat eben teilweise refundiert werden.

Die Familienbeihilfe ist aber keinesfalls als eine Leistung gedacht, die höher sein darf als jene Kosten, die Eltern für ihre Kinder haben. In Rumänien allerdings wird die österreichische Familienbeihilfe ohne Indexierung tatsächlich sogar zu einem Zusatzeinkommen. Dies deswegen, weil die von Österreich bezahlte Leistung höher ist als das Einkommen, das rumänische Eltern maximal verdienen dürfen, um die rumänische Familienbeihilfe in voller Höhe (ca. 18 Euro) zu erhalten.

Gehen wir davon aus, die Pflegerin stammt aus Ungarn. Ist das Kind unter zwei Jahren, bekommt sie 64,07 Euro Familienbeihilfe plus 32,82 Euro Kinderabsetzbetrag – sofern nicht der andere Elternteil in Ungarn auch arbeitet. Denn dann bezahlt Österreich um etwa 37 Euro weniger. Gerade einmal um läppische 80 Euro bekommt die Pflegerin weniger, obwohl die Kaufkraft in Ungarn eine niedrigere ist als in Österreich und somit die Pflegerin kräftig profitiert.

Vierte Falschmeldung:

Dass eine Pflegerin ausgerechnet wegen der Indexierung der Familienbeihilfe nicht mehr in Österreich arbeiten wolle, folglich der Pflegenotstand verschärft werde, ist die noch dümmere Ansage. Wie sieht es realpolitisch aus? Jene ausländischen Kräfte, die Kogler meint, stammen aus den Oststaaten. Und diese haben erstens einmal eine niedrigere Kaufkraft. Unzensuriert hatte unlängst aufgedeckt, dass Familien in Polen ihre lebensnotwendigen Waren viermal so günstig einkaufen können als in Österreich.

Und auch aus einem anderen Grund wird die ausländische Pflegerin dennoch gerne nach Österreich pendeln. Denn was hat sie für eine Wahl? Würde sie meinen, dass sie ausgerechnet wegen der Indexierung der Familienbeihilfe (die übrigens in jedem Staat, auch mit Kürzung, immer noch höher ist als die dortige nationale Beihilfe) nicht mehr nach Österreich kommen will, dann müsste sie in einem anderen Staat oder in ihrer Heimat nach einer Arbeit suchen.

Kogler müsste nur einen Blick auf eine wenige Jahre alte EU-Statistik machen. Mindestlöhne etwa in Bulgarien oder auch Rumänien lagen unter 250 Euro, Ungarn nur knapp darüber. Die ausländischen Pflegerinnen werden daher weiterhin nach Österreich kommen, weil es sich dank des freien Dienstleistungsverkehrs einfach rentiert. Somit ist Koglers Pflegenotstand aufgrund fehlender Arbeitskräfte aus anderen Staaten die reinste Erfindung.

Harald Vilimsky punktet mit Fakten

Harald Vilimsky wiederum hat in der Frage der Indexierung eine vollkommen richtige Aussage getätigt. Er wies darauf hin, dass es eine Indexanpassung bei den EU-Beamten gibt. Wie unzensuriert berichtet hat, erhalten die rund 32.000 EU-Beamten ein Gehalt, der zwar üppige Zulagen vorsieht, allerdings gibt es einen “Korrekturfaktor”. Ein EU-Beamter, der in Rumänien arbeitet, hat einen Korrekturfaktor von 64,8 Prozent. Ihm wird bei Dienstgrad 1 die Summe von 984,97 Euro abgezogen.

Die EU indexiert somit nicht nur von ihr ausbezahlte Familienleistungen, sondern auch Gehälter und andere Zulagen. Geregelt wird das im Beamten-Statut der EU. Ob ein EU-Beamter sich deswegen auf ein Diskriminierungsverbot berufen hat, ist nicht bekannt. Der EuGH würde eine Diskriminierung auch nicht erkennen können, da eine Diskriminierung in erster Linie dann erkannt wird, wenn eine nationale Regelung einer EU-Regelung widerspricht.

Warum Harald Vilimsky auch bei der Puls4-Elefantenrunde die Mehrheit der Personen einer Umfrage für sich überzeugen konnte, erklärt sich ohnehin von selbst. Die richtigen Argumente setzen sich eben durch.

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