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5. Dezember 2010 / 10:56 Uhr

Genossenschaftlicher Ämterkumulierer Karl Wurm verteidigt Pfründe

BauzeitungDie Gesetzes-Initiativen des freiheitlichen Nationalratsabgeordneten Martin Graf für leistbares Wohnen im gemeinnützigen Wohnbau zeigen Wirkung. Immer mehr Medien greifen das Thema auf. Denn davon betroffen sind rund 862.000 Genossenschaftswohnungen und somit schätzungsweise 1,7 Millionen Menschen. Zuletzt veranstaltete "die bauzeitung" vom Wirtschaftsverlag einen Round Table dazu. Wichtigste Erkenntnis: Wohnbau-Bonze Karl Wurm, Obmann des Verbands gemeinnütziger Bauträger und ein Mann, der neun (!) Ämter bei den Gemeinnützigen ausübt, verteidigte seine Pfründe. 

Bauzeitung

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Titelblatt der Bauzeitung: Gemennützigkeit neu?

Diesen Eindruck hatte auch ein betroffener Mieter, den "die bauzeitung" als kritischen Nutzer einer Genossenschaftswohnung zuließ und der namentlich nicht genannt werden will: "Wer schreit, hat unrecht – die Vertreter der gemeinnützigen Wohnbauträger haben sehr aggressiv argumentiert", meinte er gegenüber Unzensuriert.at. So behauptete Wurm allen Ernstes, dass die jüngste politische Kritik nur darauf hinauslaufe, "dass es Gratiswohnungen geben soll". Völliger Schwachsinn! Mit solchen Aussagen disqualifiziert sich der höchste Chef der Gemeinnützigen wohl selbst. 

Mieter zahlen Phantom-Kredite 

Wohnen habe nun einmal einen Preis, und den solle man auch zahlen, so Wurm beim Round Table. Bei den Gemeinnützigen sei es ohnedies so, dass nach Auslaufen der Darlehen der niedrigste Richtwert Österreichs vorgeschrieben werde, nämlich minus 30 Prozent. Für Martin Graf ist diese Regelung nicht nachvollziehbar: Nach Auslaufen der Darlehen hätten die Nutzer ihre Wohnung bereits bezahlt, daher müsste der Kapitaldienst völlig entfallen. Für Erhaltung, Verbesserung und Verwaltung kämen die Nutzer ohnedies weiterhin auf: "Von Gratiswohnung zu sprechen, obwohl der Mieter alle Kosten wie z.B. für Grund, Bank- und Wohnbauförderungskredite geleistet hat, ist schlicht Realitätsverweigerung." 

Wohnbeihilfe für Genossenschafts-Nutzer

Der mitdiskutierende Genossenschaftsmieter fügte hinzu, dass er einen Wandel beim gemeinnützigen Wohnbau beobachtet habe. Heute würden private Hausherren, wenn sie eine Wohnung verkaufen wollen, zum Interessenten sagen: "Schauen Sie, was Sie bei einer Genossenschaft zahlen!" In der Tat sind die Mieten bei Wohnungen von Gemeinnützigen explodiert und in vielen Fällen schon höher als bei den Privatvermietern. Im Wiener Wohnpark Alt Erlaa, der von der Gesiba verwaltet wird und wo es rund 3.000 Wohnungen gibt, ist das Nutzungsentgelt so hoch, dass 45 Prozent aller Mieter von der Stadt Wien Wohnbeihilfe in Anspruch nehmen müssen. Wurms Erklärung ist fadenscheinig: "Die Grundpreise haben sich in den letzten Jahren dramatisch erhöht. Die Baukosten ebenfalls. Trotzdem sind wir auch im europaweiten Vergleich noch immer günstig. Der Nutzer empfindet das anders, weil die Einkommensentwicklung auslässt." 

 Petition Leistbares Wohnen im gemeinnützigen Wohnbau 

Die Arbeitgeber zahlen also zu wenig. Mag stimmen. Doch ändert das nichts an der kuriosen Situation in Alt Erlaa, wo die Gesiba ihre überhöhten Mieten dank der zweimaligen Förderung durch die Steuerzahler kassieren darf. Zuerst haben die Wiener die Wohnbauförderung bezahlt und jetzt müssen sie ihren Beitrag in Form der Wohnbeihilfe fürs Nutzungsentgelt von fast 50 Prozent der Mieter des Wohnparks leisten. Der Steuerzahler wird hier doppelt zur Kasse gebeten, damit der angeblich gemeinnützige Wohnbauträger weiterhin einen Kapitaldienst einheben kann. 

Dass die Mieten dort so hoch sind, hat übrigens nichts mit der Entwicklung der Grundstückspreise in den letzten Jahren zu tun, wie Wurm behauptet. Der Wohnpark Alt Erlaa wurde vor 34 Jahren errichtet. 

Wohin fließt das Geld der Mieter? 

Mag. Nadja Shah, Bundesgeschäftsführerin der Mietervereinigung Österreichs und ebenfalls Diskutantin beim Round Table, erklärte, dass das Modell Gemeinnützigkeit eine Art Generationenvertrag sei. Es sichere Wohnraum für eine große Zahl von Menschen und habe daher auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung. Die Sozialdemokratin meint also, dass die ältere Generation der Jugend gegenüber solidarisch sein und deshalb weiterhin eine unberechtigt höhere Miete zahlen sollte, um für jüngere Menschen billigeren Wohnraum schaffen zu können. Darüber könnte man diskutieren. Doch die jungen Familien haben nichts davon, wie Shah später selbst ausführt und sich widerspricht: "Wir bemerken, dass es viel höhere Einstiegskosten als früher gibt."

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Wohin fließt also das viele Geld, das die Gemeinnützigen, die eigentlich nach dem Kostendeckungsprinzipt arbeiten sollten, von den Mietern nach Abbezahlung der Darlehen kassieren? In Wahrheit bereichern sich die Genossenschaften, zahlen Politikern in Vorstandsposten ungeniert hohe Gagen und helfen den roten und schwarzen Parteien mit Inseratenschaltungen in Zeitungen das Wohlwollen des jeweiligen Mediums zu sichern. 

Den Nutzern von Genossenschaftswohnungen kommt diese Eigenkapitalsbildung, die auch noch völlig steuerfrei ist, jedenfalls nicht zugute. Laut Schätzungen sollen die gemeinnützigen Wohnbauträger rund acht Milliarden Euro an Rücklagen gebildet haben. 

Gemeinnütziges Kapital gesetzlich absichern 

Martin Graf

Martin Graf

Martin Graf (FPÖ) fordert Gesetzesänderungen zum Wohle der Nutzer.

Da wundert es nicht, wenn Wurm gleich im ersten Statement beim Round Table sagt: "Ich bin ein glühender Verfechter der Gemeinnützigkeit." Er, der neun Ämter eigennützig bekleidet, lebt gut davon. Dazu passt auch eine Forderung von Wurm und seinem Kollegen DI Michael Pech (Vorstandsmitglied des Österreichischen Siedlungswerkes, ÖSW), das gemeinnützige Kapital gesetzlich, am liebsten im Verfassungsrang, abzusichern. Klingt sehr kommunistisch. Entgegen diesen Vorstellungen will Graf eine gesetzliche Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG), damit es den  Genossenschaften nicht mehr erlaubt wird, beträchtliche Gewinne zu machen. Stattdessen sollten sie nach dem Kostendeckungsprinzip arbeiten und sozialen Wohnraum schaffen. 

Sind Wohnungseigentümer Spekulanten? 

Im Round-Table-Gespräch bedauert Pech vom ÖSW auch die Kaufoption für die Nutzer: "Die haben nicht wir erfunden, sondern wir werden ja bei Grundfinanzierungsbeiträgen über 60 Euro pro Quadratmeter gesetzlich dazu gezwungen." Shah von der Mietervereinig forderte daraufhin sogar, diesen Paragraphen wieder abzuschaffen. Und Wurm bezeichnete einzelne Wohnungseigentümer gar als Spekulanten. Was Kallco-Geschäftsführer Dr. Winfried Kallinger dann doch zu viel war: "Ich wehre mich dagegen, einen Eigentumswerber als Individualspekulanten zu bezeichnen." Es sei auch kein Entzug von Volksvermögen. Der betroffene Mieter ergänzte: "Nach Abbezahlung der Kredite würde ich schon meinen, dass eine Wohnung ins Eigentum übergehen sollte. Das ist kein Verschenken einer Wohnung, sondern ein Vorenthalten von Eigentum, wenn das nicht geschieht." 

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