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3. Dezember 2010 / 19:12 Uhr

Rainer Maria Rilke – Erinnerungen an einen träumerischen Geist

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
(Der Panther, 1. Strophe)

Rainer Maria Rilke – wohl einer der bekanntesten Lyriker deutscher Sprache – wurde vor 135 Jahre, am 4. Dezember 1875, in Prag als Sohn eines Bahnbeamten und einer Prager Fabrikantentochter geboren. Die Ehe seiner Eltern war allerdings alles andere als glücklich. Der Vater entwickelte sich zum Misanthropen, und die Mutter flüchtete nach dem Tod der Tochter immer mehr in die Religiosität.

Der junge Rilke wurde zur Vorbereitung auf seine geplante Offizierskarriere in die Militärrealschule in St. Pölten geschickt. Das militärische Leben mit seinen Sitten und Gebräuchen behagt ihm allerdings nicht, wegen einer Erkrankung brach er die Laufbahn ab und besuchte die Handelsakademie in Linz. Diese musste er allerdings wegen einer nicht akzeptierten Liebesaffäre mit einem Kindermädchen wieder verlassen.

Rainer Maria Rilke

Rainer Maria Rilke

Rainer Maria Rilke im Jahr 1900

Wer aber war Rainer Maria Rilke? Zweifellos ein Mensch, der die tiefen Gedanken und Gefühle des Menschen in einfühlsame Worte kleiden konnte. Rilke schrieb nicht nur Lyrik und Prosa, er fühlte diese umfassender und tiefer als die meisten Menschen vor und nach ihm. Rilke eignet sich also für Erkundungen der besonderen Art. Der Leser von Rilkes Werken muss gar nicht auf Reisen gehen, um dessen Erfahrungen zu erleben. Er muss nur seine Gedichte lesen, jedes ein Quell unerschöpflicher schöpferischer Kraft.

Was will der unvergessene Rilke, der Dichter der Sehnsucht und unserer geheimsten Wünsche, uns mit seiner leisen Lyrik mitteilen? Zweifellos versteht es Rilke, den verborgenen Geheimnissen des Lebens eine eigene, unbeschreiblich sanfte und über Jahrhunderte hinweg aktuelle Sprache zu verleihen, ohne allerdings je beim Leser das Gefühl aufkommen zu lassen, man könne das Geheimnis "Leben" oder "Liebe" jemals in passende Worte, seien diese auch noch so tief, oder gar in eine Schablone packen. Der einzigartige Rainer Maria Rilke gibt somit der Dichtung zwar ein passendes Gewand, belässt dem Leser aber die Freiheit des eigenen Geistes.

Lyriker der Liebe und des Todes

Erstaunlich ist, dass Rilke diese Thematiken nicht erst im Alter, sondern bereits mit etwa 20 Jahren aufgegriffen hat. In seiner Pariser Zeit – hier wirkte er zeitweise als Privatsekretär des berühmten französischen Malers und Bildhauers Rodin – vertiefte er seine Gedanken nochmals. Rilke war allerdings auch ein Lyriker der dunklen Seite. Mit den „Duinesser Elegien" widmete er sich dem Vergänglichen.

Was aber kann Rilke den Menschen des 21. Jahrhunderts noch bieten? Mit vielen seiner Gedichte trifft Rilke das Stress-Phänomen der heutigen Zeit. Der Mensch wünscht sich einen inneren Ruhepol zur Entspannung und Erbauung des eigenen Geistes, und Rilke ist mit seinen zeitlosen Worten in der Lage, diesen zu schaffen. Mehr noch, den Menschen aus seinem inneren Käfig zu befreien und ihn Ja zum Leben sagen zu lassen.

Gerade rechtzeitig zur 135. Wiederkehr von Rilkes Geburtstag erschien im Insel Verlag das Büchlein "Hiersein ist herrlich", hierbei handelt es sich um eine Sammlung der schönsten Gedichte und Prosatexte.

Am Höhepunkt seiner schriftstellerischen Karriere wurde Rilke zum Kriegsdienst einberufen. Diesen musste er allerdings wegen seines schlechten körperlichen Zustandes bald wieder quittieren. Durch die Kriegs- und Nachkriegswirren schwer verstört, entschloss er sich, Deutschland zu verlassen und in die Schweiz zu ziehen. Hier starb er am 29. Dezember 1926 im Sanatorium Valmont bei Montreux im 51. Lebensjahr an Leukämie.

Rilkes Grab

 Rilkes Grab 

Rainer Maria Rilkes Grab in Raron in der Schweiz.
Foto: Peter Berger / Wikimedia

Die am Grab angebrachte Gedenktafel trägt den von Rilke selbst gedichteten Grabesspruch:
„Rose, oh reiner Widerspruch, Lust, niemandes Schlaf zu sein unter soviel Lidern.“

Stefan Zweig sagte in seiner Abschiedrede über Rilke:
„So leise wie er eintrat in jeden Raum, so verborgen wie der hinging durch unsere schaugierige Zeit, so leise ist er von uns gegangen. Er war krank und niemand hat es gewusst. Er starb hin und niemand hat es geahnt: auch dies Geheimnis seines Leidens, seines Krankseins, seines Sterbens, auch dies nahm er ganz in sich hinein um es dichterhaft und schön zu gestalten, um auch dieses letzte und langvorbereitete Werk rein zu vollenden: seinen eigenen Tod.“

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