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15. Dezember 2010 / 10:09 Uhr

Riesenstaudämme – Wenn der Mensch versucht, das Wasser zu zähmen

Drei Schluchten DammWasser ist für den Menschen lebensnotwendig, wird ihm aber auch oft zur tödlichen Bedrohung. Für Bewässerung, zur Energiegewinnung und als Verkehrswege wird das Element Wasser seit Urzeiten genutzt. Ebenso lange sterben Menschen bei Überflutungen, werden ganze Landstriche zerstört und als Lebensraum unbrauchbar. Seit Alters her versucht der Mensch diese Urgewalten zu bändigen und zu regulieren. Seit einem Jahrhundert haben diese Versuche gigantische Ausmaße erreicht, gewaltige Staudämme sind Sinnbilder für die Mühen der modernen Zivilisation, der Natur ihren Willen aufzuzwingen. Die Folgen sind aber oftmals kaum einzuschätzen.

Der Hoover-Damm – Vater der modernen Staudämme

Mitten in der Großen Depression wurde von 1931 bis 1935 der Hoover Staudamm errichtet, der bis nach dem Zweiten Weltkrieg der größte Staudamm der Welt bleiben sollte.

Hoover Staudamm

Hoover Staudamm

Hoover Staudamm
Foto: US DoD, wikimedia

Mit einer 221 Meter hohen Talsperre wurde der Colorado River, der auch durch den Grand Canyon fließt, aufgestaut. Die Ausmaße der Talsperre sind in jeder Hinsicht gigantisch: Die Wandstärke beträgt an der Basis 201 Meter und verjüngt sich zu 13 Metern an der Spitze. 3,3 Millionen Kubikmeter Beton und über 40 000 Tonnen Stahl wurden verbaut, sodass der Damm ca. 6,6 Millionen Tonnen wiegt. 1,3 Millionen Menschen werden mit den vier Milliarden Kilowatt Strom versorgt, die die Turbinen des Damms jährlich produzieren. Heutzutage schafft es der Hoover Damm aber bei weitem nicht mehr unter die zehn größten Staudämme, was deren Dimension erahnen lässt.

Der Hoover Damm gehört zu einem ganzen System von Dämmen, die den Colorado als größten Fluss im Südwesten der USA regulieren und nutzbar machen sollten. Durch die einzelnen Staustufen entstanden riesige Seen, die sich heute als Urlaubsziele großer Beliebtheit erfreuen. Wesentlich weniger erfreulich präsentiert sich der Colorado River allerdings weiter stromabwärts. Der riesige Fluss erreicht nur mehr unterirdisch das Meer und verkommt in seinem Unterlauf zu einem Rinnsal. Die Flora und Fauna wurde durch den massiven Eingriff in die Natur stark verändert, einzelne Arten sind ausgestorben.

Das künstliche Seen- und Staudammsystem, von dem der Südwesten der USA für die Trinkwasser- und Energieversorgungssytem in hohem Maße abhängig ist, ist aber in jüngster Zeit immer stärker bedroht. Durch ausbleibende Niederschläge haben die beiden größten Seen, der Lake Meade und der Lake Powell, bereits etwa die Hälfte ihrer Größe eingebüßt. Wegen der Eingriffe in das Ökosystem aber auch der Abhängigkeit von einzelnen Großanlagen werden in den USA inzwischen keine derartigen Riesenstaudämme mehr gebaut.

Der Assuan-Staudamm – ein moderner Pharao versucht, den Nil zu bezwingen

Als die Bauarbeiten am Assuan Staudamm begannen, war das Projekt für Ägyptens Diktator Gamel Abdel Nasser längst zu einem Prestigeprojekt geworden. Nachdem der Westen seine Unterstützung für den Bau zurückgezogen hatte, halfen sowjetische Ingenieure den Ägyptern, den legendären Nil zu bezwingen. Manche antike Baudenkmäler aus der Zeit der Pharaonen wie der Tempel von Abu Simbel mussten verlegt werden, andere versanken in den Fluten des Nasser Stausees – immerhin der drittgrößte der Erde.

Assuan Staudamm

Assuan Staudamm

Assuan Staudamm, Nasser Stausee im Bild unten
Foto: NASA, wikimedia

 Durch die Talsperre und den Stausee sollte die Agrarfläche des Landes erheblich erweitert und Energie für die im Aufbau befindliche Industrie bereit gestellt werden. Verbesserte Schiffbarkeit, eine Erhöhung der Trinkwasserreserven und die Kontrolle über den Wasserstand des Nils waren weitere Ziele.

Bereits sehr bald nach seiner Fertigstellung zeigten sich die Nachteile des Assuan Staudamms. Durch die verringerte Fließgeschwindigkeit das Nils und die große Fläche des Stausees, stieg die Wasserverdunstung stark an. Der fruchtbare Schlamm des Nils, der seit Jahrtausenden das untere Niltal fruchtbar gemacht hatte, bleibt jetzt größtenteils im Stausee hängen und trägt so auch zur stetigen Versandung des Nasser Stausees bei; Schätzungen zufolge wird der Stausee spätestens in vierhundert Jahren komplett versandet sein.

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Das Ausbleiben des Nilschlamms hat außerdem zu einer stetigen Erosion der nutzbaren Böden nilabwärts geführt, sodass der Staudamm die Verwüstung Ägyptens fördert. Ein großes Problem vieler Stauseen und Bewässerungssysteme in südlicheren Regionen ist die Begünstigung der Bilharziose, einer von Schnecken übertragbaren Wurmkrankheit. Die Überträger sind in warmen Gewässern heimisch; solange diese einmal pro Jahr austrockneten, wurde dadurch auch die Schneckenpopulation begrenzt. Dieser Effekt bleibt jetzt vielerorts aus.

Überhaupt sind sich Wissenschaftler inzwischen einig, dass die regelmäßige Überflutung des Niltals überwiegend positive Auswirkungen hatte, die verloren gegangen sind. Einmal pro Jahr wurden Salze ausgewaschen und die Böden von der Natur frisch gedüngt. Durch die Anschwemmung frischen Schlamms wurde sowohl die Verwüstung als auch das Vordringen des Mittelmeers verhindert. Gerade der Assuan Staudamm gilt heutzutage als Negativbeispiel für schwerwiegende Eingriffe des Menschen in die Natur.

Der Drei-Schluchten-Staudamm – Chinas Vorzeigeprojekt am Yangtse Kiang

Heftig umstritten sowohl im In- als auch Ausland war und ist Chinas Vorzeigeprojekt, der gewaltige Drei Schluchten Damm.

Drei Schluchten Damm

Drei Schluchten Damm

Hauptwall des Drei Schluchten Damms
Foto: Christoph Filnkößl, wikimedia

Hinter dem größten Kraftwerk der Erde erstreckt sich über 600 Kilometer ein Stausee flussaufwärts, der bis weit nach Zentralchina hineinreicht. Als die Turbinen 2008 nach 15 Jahren Bauzeit schließlich in Betrieb genommen werden konnten, hatten sich die Kosten für das Projekt auf 75 Milliarden Dollar verdreifacht. Drei Primärziele sollen mit der Talsperre erreicht werden: Immer wieder kam es am Yangtse Kiang zu verheerenden Hochwasserkatastrohen, bei denen alleine im 20. Jahrhundert zwischen zwei und drei Millionen Menschen ihr Leben verloren.

Mit dem Staudamm sollte endlich ein wirksamer Hochwasserschutz geschaffen werden. Das zweite wichtige Anliegen ist die Energiegewinnung. China ist derzeit in hohem Maße von fossilen Brennstoffen, vor allem Kohle abhängig, der Energiebedarf wird voraussichtlich noch stark ansteigen. Durch die Nutzung der Wasserenergie soll jetzt in großem Umfang sauberer Strom erzeugt werden, Befürworter des Projekts sprechen von Strom im Gegenwert von über 150 Millionen Tonnen Kohle jährlich. Kritiker weisen aber darauf hin, dass sich die beiden Hauptanliegen – Energiegewinnung und Hochwasserschutz – nicht effektiv vereinen lassen. Um die volle Leistung des Kraftwerkes zu erzielen ist ein möglichst hoher Wasserstand im Stausee wünschenswert, für Hochwasserschutz hingegen ein möglichst niedriger.

Weiter soll die Schiffbarkeit des Yangtse Kiangs, Chinas wichtigster Wasserstraße, verbessert werden. Im Zusammenhang mit dem Staudamm steht auch das Projekt, Wasser aus dem wasserreichen Süden in den kargen Norden zu pumpen, wo viele Städte unter akutem Wassermangel leiden.

Kritik an dem Projekt kommt vor allem aus zwei Richtungen. Umweltschützer beklagen die unabwägbaren Folgen des Damms für das Ökosystem. Mehr als dreihundert regionale Tierarten und über zweitausend Pflanzenarten seien in ihrer Existenz bedroht. Ähnlich wie beim Assuan Staudamm hält der neue Damm bereits jetzt den Zustrom wichtigen Sediments und Treibsands flussabwärts zurück. Dieser nährstoffreiche Schlamm fehlt jetzt am Unterlauf des Yangtse Kiangs, einer der bedeutendsten Agrarregionen Chinas, und trägt gleichzeitig zu Versandung des Stausees bei, wodurch dessen Wirksamkeit als Wasserreservoir bedroht sein könnte.

Eher unerwartete Bedenken äußerte das chinesische Militär. Im Fall eines Konfliktes könnte der Staudamm zu einem Hauptangriffsziel werden, wodurch Millionen von Menschen sowie wichtige Industrie- und Agrargebiete bedroht würden.
Die enormen angestauten Wassermassen könnten zusätzlich ganz andere Probleme aufwerfen, über die bisher wenig bekannt war. Der Drei Schluchten Staudamm liegt in einer erdbebengefährdeten Region. Die chinesischen Behörden weisen darauf hin, dass der Staudamm erdbebensicher sei. Der gewaltige Wasserdruck sowie in die Erdschichten einsickerndes Wasser könnte aber selbst Erdbeben auslösen oder zumindest beeinflussen. Bereits bei der Aufstauung des Hoover Damms kam es zu kleineren Erdstößen, 2008 wurde über einen Einfluss der Zipingpu Talsperre auf das Erdbeben in Sichuan spekuliert.

Zipingpu Staudamm

Zipingpu Staudamm

Zipingpu Staudamm in Sichuan, wo 2008 ein Erdbeben stattfand
Foto: David, wikimedia

Dass großer Wasserdruck Einfluss auf Verwerfungslinien unter der Erde ausüben kann ist bekannt, über das tatsächliche Ausmaß dieses Phänomens weiß man aber noch sehr wenig.

Riesenstaudämme als Gefahr oder Fortschritt?

Die Vorteile von Wasserkraft als sauberer Energiequelle sind völlig unbestritten, insbesondere in sich entwickelnden Länder, deren Energiebedarf stark im Steigen begriffen ist. Demgegenüber stehen aber auch Probleme. Die Auswirkungen auf ökologische Systeme – beim Assuan Staudamm sind diese bis ins Mittelmeer hinein nachvollziehbar -, Verminderung des Artenreichtums, die Zerstörung von Kulturlandschaften und unbekannte Gefahren machen den Bau von Riesenstaudämmen zu riskanten Unterfangen.

Weitere Konflikte ergeben sich aus der großräumigen Umsiedelung der ansässigen Bevölkerung und damit einhergehend der Bedrohung deren Kultur, wie dies in Brasilien beim Bau des Belo Monte Projekts mit den dortigen Indianern befürchtet wird oder beim Assuan Staudamm mit einheimischen Nubiern geschah. Auch in China wurden für den Drei Schluchten Staudamm über sechs Millionen Menschen umgesiedelt.

Kleinere Fließkraftwerke sind wesentlich umweltschonender, liefern dafür aber weniger Energie und sind stark von der Wassermenge abhängig, die der Fluss gerade führt. Auch Gezeitenkraftwerke sind teilweise eine Alternative, aber nur in wenigen Regionen realisierbar. Für viele Staaten ist aber gerade die Energiegewinnung ein vordringliches Problem. Besonders Entwicklungsländer werden auch Zukunft vermutlich auf Riesenstaudämme setzen, allen Risiken zum Trotz.

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