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20. Dezember 2010 / 20:29 Uhr

Madoff: Für Kohn und die Bank Austria wird es eng

Bank Austria19,6 Milliarden Dollar will Madoff-Masseverwalter Irving Picard von der Bank Austria, der Wiener Bankerin Sonja Kohn und zahlreichen weiteren Beklagten eintreiben. Obwohl sich alle Beschuldigten als Opfer das Madoff’schen Pyramidenspiels sehen, deutet vieles darauf hin, dass die Bank-Austria-Mutter UniCredit gehörig bluten wird. Denn Picard ist überaus erfolgreich beim Eintreiben jenes Geldes, mit dem er die Madoff-Anleger schadlos halten will.

Bank Austria

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Muss sich auch die Bank Austria mit den Madoff-Anlegern vergleichen?
Foto: Eric Eggert / flickr

In der Klage erhebt Picard die Vorwürfe des gewerbsmäßigen Betrugs, der ungerechtfertigten Bereicherung, der Veruntreuung und der unredlichen Besitzes. Und er spricht von begünstigenden bzw. betrügerischen Geldtransfers, die Personen und Organisationen aus dem Madoff-Schema erhalten haben sollen.

Seit seiner Ernennung zum Treuhänder des zusammengebrochenen Madoff-Imperiums hat Picard rund achtzig Klagen mit einem Streitwert von rund 55,5 Milliarden Dollar eingebracht. Ihm geht es um  die Rückzahlung jenes Geldes, das durch das „illegale Komplott“ an Dritte geleistet wurde, und um die Gebühren, welche an Banken und Fonds entrichtet wurden. Seine Gegner sind dabei internationale Großbanken wie HSBC, JP Morgan, Citigroup oder die Schweizer UBS – und eben die UniCredit mit ihren Töchtern Bank Austria und der amerikanischen Fondsgesellschaft Pioneer sowie die Kohn-Familie.

Kohn-Anwalt: Keine Beweise

Der Kohn-Anwalt tut die Vorwürfe ebenso konsequent ab wie die Bank-Verantwortlichen. „Herr Picard hat keine Beweise für seine Behauptungen, weil diese zumeist falsch sind. Meine Mandantin ist lediglich Opfer, aber nicht Teilnehmerin einer Verschwörung“, wird Kohns Rechtsvertreter Clemens Trauttenberg – Partner der Anwaltssozietät Wolf Theiss – in der Financial Times zitiert.

Doch nicht alle von Picard Beklagten schalten auf stur. In einigen Vergleichen ist es ihm bereits gelungen, Geld für die geschädigten Anleger zu lukrieren. 2,5 Milliarden Dollar erhält er von ehemaligen Investoren sowie Banken, darunter die spanische Santander, die in Österreich als Spezialist für Konsum- und KFZ-Finanzierungen tätig ist.. Der größte Coup gelang Picard erst dieser Tage mit dem „Picower-Statement“. Die Witwe des verstorbenen Madoff-Vertrauten Jeffrey Picower verzichtet auf rund 7,2 Milliarden Dollar aus dem Erbe ihres Mannes.

Schon 10 Milliarden Dollar für Geschädigte erstritten

Damit stehen Picard nun bereits rund 10 Milliarden Dollar zur Verfügung, um Anleger zu entschädigen, womit er bereits im ersten Quartal 2011 beginnen will, wie die New York Times berichtet. Picower war einer der reichsten Männer des Landes, schaffte es jedoch, dies relativ geheim zu halten. So blieb er von der „Forbes 400“-Liste verschont, bis der Madoff-Skandal ruchbar wurde. In den späten Neunziger Jahren wogen seine Konten alleine bei der Investmentbank Goldman Sachs rund zehn Milliarden Dollar. Um dieses Vermögen anzuhäufen, spekulierte er auch umfangreich auf Kredit.

Picower soll als Madoff-Intimus immens von dessen Pyramidenspiel profitiert haben und – so behauptet der Masseverwalter – als Profi-Investor die Anzeichen dafür erkannt haben, dass Madoffs Investments in Wahrheit nur Betrug waren.

Madoffs "kriminelle Seelenverwandte"

Ähnliches wirft Picard auch der Wiener Bankerin Sonja Kohn vor, die über die Medici-Bank mit Beteiligung der Bank Austria Geld für Madoff einsammelte. Rund neun Milliarden Dollar sollen über ihre Vermittlung in das Pyramidenspiel geflossen sein. Als „kriminelle Seelenverwandte“, deren „Raffgier und Erfindergeist denen von Madoff gleichkamen“, wird sie gar bezeichnet. Ihr Nobel-Wohnsitz in der Schweiz – das Anwesen in Zürich soll rund 3 Millionen Franken gekostet haben und nach dem Kauf noch üppig umgebaut worden sein – wurde bereits vor rund einem Jahr auf Grund eines Rechtshilfe-Ersuchens der Wiener Staatsanwaltschaft durchsucht. Die beschlagnahmten Unterlagen jedoch wurden in Österreich, so schreibt der Schweizer Tagesanzeiger, noch nicht einmal gesichtet. Ob und wann es zur Anklage kommt, wisse die Wiener Staatsanwaltschaft nicht zu sagen: „Weil mit Kohn auch prominente österreichische Politiker geschäftet hatten?“, fragt die Zeitung provokant.

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Eventueller Schutz durch die österreichischen Behörden werden jedoch weder Kohn noch der Bank Austria und ihrer Mutter UniCredit vor den US-Behörden etwas nützen, weshalb man gespannt sein darf, ob sich die Beschuldigten – so wie die Witwe des reichen Herrn Picower – zu einem Vergleich breitschlagen lassen. Und wenn ja, was dieser wohl kosten wird. Mit weniger als den 7,2 Milliarden aus dem Picower-Erbe wird sich der Masseverwalter kaum zufrieden geben, ist die Klage gegen Kohn und UniCredit doch von der Summe her die mit Abstand größte, die er eingebracht hat.

UniCredit-Aktie verliert massiv an Wert

Inwieweit eine derartige Summe die Bank als Ganzes gefährden würde, kann kaum abgeschätzt werden. Fakt ist, dass sich in letzter Zeit Downgrades der UniCredit häufen, die Aktíe hat in den letzten Tagen stark an Wert verloren – mehr als ein Viertel seit August trotz Rückenwinds an den Börsen. Dennoch könnte ein auch noch so teurer Vergleich größeren Schaden von den Beklagten abwenden, denn die Klage des Masseverwalters ist längst nicht alles, was auf die Beschuldigten zukommen kann. US-Staatsanwalt Preet Bharara hat noch drei Jahre Zeit, um strafrechtliche Anklagen zu erheben, in deren Zusammenhang auch zivilrechtliche Abschöpfungen erfolgen können. Kurz gesagt: Die US-Behörden könnten bei entsprechender Beweislage Vermögen der Bank in den USA einfrieren oder gar verwerten, etwa das Anlagevermögen der US-Fondsgesellschaft Pioneer. Deren von der UniCredit beabsichtigter Verkauf ist durch die Klage jedenfalls in weite Ferne gerückt.

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