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ORF

25. Dezember 2010 / 11:25 Uhr

Ungarn: Medien-Zensur oder nur “Blabla”

Viktor OrbanWer nicht ausgewogen und vielfältig berichtet, dem droht eine Geldbuße. Das ist, kurz gefasst, das verschärfte Mediengesetz in Ungarn, das mit 1. Jänner in Kraft tritt und europaweit für Aufregung sorgt. Aber warum? Eine ausgewogene und vielfältige Berichterstattung wäre doch überall nur wünschenswert.

Wenn die europäischen Medien dennoch von einem „Führerstaat des Viktor Orbán“ sprechen und der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn Orbán indirekt als Diktator bezeichnet, hat das wohl damit zu tun, dass mit dem neuen, restriktiven Mediengesetz quasi eine Zensurstelle eingerichtet wird. Diese Aufgabe kommt der neuen Medienbehörde NMHH zu, die im Falle eines Verstoßes gegen das Gesetz hohe Geldstrafen verhängen kann, die für einzelne Medien existenzbedrohend werden könnten. Die neuen Richtlinien wurden in der Nacht von Montag auf Dienstag im Budapester Parlament von der national-konservativen Mehrheitspartei „Bund Junger Demokraten“ (Fidesz) beschlossen.

Viktor Orban

Viktor Orban

Insgeheim wünschen sich EU-Politiker Sanktionen gegen Orbans Ungarn.
Foto: OECD / flickr

Dagegen war Haider ein Messdiener

Die ungarische Regierungspartei des Premiers Viktor Orbán hat im Parlament eine Zweidrittelmehrheit und gehört – wie die deutschen Unionsparteien und die ÖVP – der Europäischen Volkspartei (EVP) an. Das erklärt, warum die EU-Kommission auf die europaweite Kritik  nicht reagiert. Aus dem Büro von Kommissions-Vizepräsidentin Viviane Reding, die unter anderem für die Grundrechte zuständig ist, hieß es, Mediengesetze seien primär Sache der Mitgliedsstaaten. Eine scharfe Kritik hört sich anders an. Luxemburgs Außenminister Asselborn hätte wohl gerne härtere Bandagen gehabt, etwa Sanktionen wie seinerzeit gegen Österreich. In Anspielung darauf sagte er: „Im Vergleich zu den ungarischen Plänen war Haider ein Messdiener.“

Ohne Medienfreiheit keine Demokratie

Fest steht: Ohne Medienfreiheit gibt es keine Demokratie. Die Frage ist nur, wer die Regeln dafür festlegt. Wie unterschiedlich die Auffassungen sind, zeigen Beispiele aus Österreich: Ist die Medienfreiheit in Gefahr, wenn man vom ORF die Herausgabe von Videobändern verlangt, um vor Gericht möglicherweise den Beweis zu erbringen, dass ein Redakteur Neo-Nazis zur Wiederbetätigung angestiftet hat? Es gilt die Unschuldsvermutung. Ist die Medienfreiheit in Gefahr, wenn der ORF eine Monopolstellung im Parlament hat? Ist die Medienfreiheit in Gefahr, wenn leitende Redakteure des ORF nach dem Proporzsystem besetzt werden? Oder ist die Medienfreiheit in Gefahr, wenn die Regierung millionenteure Inserate in Zeitungen schaltet, um diese am Gängelband zu halten?

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Österreich vertraut Ungarn

Wenn die Meinungsbildung, wie jetzt in Ungarn, unter die Kontrolle des Staates gestellt wird, ist die Demokratie tatsächlich in Gefahr. Umso mehr, als Ungarn als künftige EU-Ratspräsidentschaft eine besondere Verantwortung für das Bild der EU in der Welt trägt. Vorsichtig äußert sich Österreich zum Vorgang: „Die österreichische Bundesregierung vertraut darauf, dass Ungarn selbstverständlich die rechtsstaatlichen Prinzipien im Umgang mit den Medien respektiert“, sagte Außenministeriumssprecher Peter Launsky-Tieffenthal gegenüber der Presse. Franz C. Bauer, Vorsitzender der österreichischen Journalistengewerkschaft, sprach von einem „unglaublichen Gesetz“. „Zustände wie in Weißrussland“, ortet der Ungarn-Kenner und Journalist Paul Lendvai.

Ungarischer Botschafter kontert

Der ungarische Botschafter in Wien, Vince Szalay-Bobrovniczky, reagiert auf die Kritik und sagt: „In Weißrussland werden Bürger und Politiker zusammengeschlagen oder verhaftet – das wird im neuen Ungarn nie passieren.“ Szalay-Bobrovniczky relativiert weiter: Dieses Gesetz stelle die Rechte der öffentlich-rechtlichen Medien wieder her. Seit dem Jahr 1995 hätte es in Ungarn ein sehr schlechtes Mediengesetz gegeben  – „es hat den Markt gar nicht geregelt, es hat die privaten Medien über alle Maßen bevorzugt". Das Hauptziel des neuen Gesetzes sei die Herstellung des Renommees der öffentlich-rechtlichen Medien. „Die Rechte der Zuschauer werden mit dem Gesetz gestärkt – außerdem ist der Kinder- und Jugendschutz damit geregelt. Wer sagt, es handelt sich bei dem Gesetz um eine Zensur, der redet Blabla", sagt Vince Szalay-Bobrovniczky.

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