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1. Jänner 2011 / 13:00 Uhr

Geheimverhandlungen: Ist Belgiens Ende schon besiegelt?

200 Tage ist Belgien bereits ohne handlungsfähige Regierung. Neben Spanien, Italien und Portugal wird das Land als weiterer Kandidat für den Euro-Rettungsschirm genannt. Belgien befindet sich in seiner schwersten Krise seit der Staatsgründung vor 130 Jahren. Wird es Belgien in einem Jahr überhaupt noch geben? Medienberichten zufolge wird in Paris bereits über die Abwicklung des Landes verhandelt.  Wie könnte sich dadurch die Landkarte Europas verändern?

Unabhängige Republik Flandern

Flandern – der nördliche, niederländischsprachige Teil Belgiens – hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg zu einer überaus dynamischen, wirtschaftsstarken Region entwickelt und dabei die südliche, französischsprachige Wallonie weit hinter sich gelassen. Die Produktivität pro Kopf liegt um ein Viertel höher, die Arbeitslosenrate ist um die Hälfte niedriger. Neben einer leistungsstarken Petro-, Textil- und Stahlindustrie ist Flandern auch das wichtigste Zentrum des Diamanthandels und der Diamantverarbeitung in Europa. Dazu kommt ein florierender Dienstleistungssektor, der Flandern zu einer der prosperierenden Regionen Europas macht.

Wird Belgien geteilt?

Wird Belgien geteilt?

Belgien könnte schon bald entlang den Sprachgrenzen geteilt werden.
Foto: enciclopedia.us.es / Wikipedia

Neben der Unabhängigkeit bestünde die Möglichkeit einer Vereinigung mit den Niederlanden mit denen nicht nur sprachliche Gemeinsamkeiten bestehen. Diese Variante wird derzeit aber von keiner maßgeblichen Kraft in Flandern in Erwägung gezogen, auch wenn eine Mehrheit der Niederländer dem aufgeschlossen gegenüberstehen. Vor allem aus flämischer Sicht gibt es zu große Unterschiede.

Eigenständige Wallonie keine Option

Während die Zukunftsaussichten für eine unabhängige Republik Flandern durchaus rosig sind, ist es um die Wallonie wesentlich schlechter bestellt. Im Unterschied zu Flandern streben die Wallonen keinen eigenen Staat an. Nach starker wallonischer Dominanz zu Beginn des belgischen Staates sind die Flamen inzwischen in allen Bereichen klar führend. Die Zeiten, in denen die Flamen sich den Gebrauch ihrer Sprache in staatlichen Einrichtungen, Schulen und Universitäten hart erkämpfen mussten, sind lange vorbei. Ohne massive Transferzahlungen aus dem Norden droht der Wallonie der Zusammenbruch des Sozialsystems, die einstmals starke Schwerindustrie liegt in Trümmern.

In den Gesprächen über das Ende Belgiens und die Aufteilung seines Staatsgebietes, die derzeit in Paris stattfinden sollen, wird ein wallonischer Staat deswegen nicht in Betracht gezogen. Der Süden Belgiens soll demnach an Frankreich angeschlossen werden.

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Eine andere Variante brachte im Herbst der belgische Energieminister Paul Magnette, ein Wallone, ins Spiel. Im Fall eines Auseinanderbrechens Belgiens sei es das Beste für die Wallonie, sich an Deutschland anzuschließen. In Deutschland sei der soziale Friede intakt und die politische Kultur ähnlicher denn im gleichsprachigen Frankreich. Auch die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung könnte für Magnette eine wichtige Rolle gespielt haben. Während Frankreich weiter in der Rezession verharrt, boomt die deutsche Wirtschaft; die Kluft zwischen beiden Länder wird immer größer. Von Deutschland ist wesentlich eher zu erwarten, die marode Wallonie stützen zu können.

Streitpunkt Brüssel

Brüssel liegt geographisch im flämischen Teil, ist aber politisch kein Teil Flanderns. In der ursprünglich flämischen Stadt stellen inzwischen Wallonen die Mehrheit. Wie nirgendwo sonst eskaliert in der Region Brüssel immer wieder der Sprachenstreit. Die Wallonen würden die Region gerne für sich beanspruchen, für die Flamen kommt ein Verzicht auf Brüssel nicht Frage. Als dritte Möglichkeit bliebe ein von der EU verwaltetes Brüssel.

Wohin zieht es die Deutschen in Belgien?

Bisher profitierte die deutsche Minderheit in Belgien von dem Streit zwischen Flamen und Wallonen. Als neutrale Beobachter im Konflikt konnten sie ihre Minderheitenrechte ausbauen, Deutsch ist als dritte Staatssprache anerkannt. Das deutsche Gebiet um Eupen-Malmedy kam nach 1918 als Kriegsbeute an Belgien. Nach einem Zerfall Belgiens gäbe es vier Szenarien für die Deutschen: Anschluss an Deutschland, Anschluss an Luxemburg, Selbstständigkeit oder Verbleib beim wallonischen Teil. Der Ministerpräsident der autonomen Region Eupen – Malmedy, Karl-Heinz Lambertz, soll derzeit die Modalitäten für einen Anschluss an Luxemburg sondieren.

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