Demokratisch, kritisch, polemisch und selbstverständlich parteilich

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10. Jänner 2011 / 13:37 Uhr

“Bin der einzige Präsident, der für die Bürger arbeitet”

Martin GrafMit der Ankündigung, die freiheitliche Ausländerpolitik verschärfen zu wollen, hat der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf für mediales Aufsehen gesorgt. Auch an den Zuständen im Parlament übte er Kritik und forderte eine Demokratisierung der Hausordnung. Es könne nicht sein dass Nationalratspräsidentin Prammer „hundert Prozent der Macht“ habe, obwohl sie nur eine 29-Prozent-Partei vertritt. Im Unzensuriert-Interview konkretisiert Graf die Pläne und gibt einen Ausblick auf die kommenden Arbeitsschwerpunkte. Im Gegensatz zu seinen beiden Kollegen im Nationalratspräsidium will er ein „Präsident der Bürger“ sein und sie konkret entlasten – zum Beispiel im Bereich Wohnen.

Sie fordern mehr Demokratie im Parlament. Das sollte doch in einer Institution, die sich als Hüterin der Demokratie versteht, eine Selbstverständlichkeit sein. Was konkret stört Sie?

Martin Graf

Martin Graf

"Das Nationalratspräsidium muss ein demokratisches Organ werden."
Foto: R. Michael Schuster

Es gibt drei Nationalratspräsidenten, aber was die Menschen nicht wissen: Die wesentlichen Entscheidungen trifft die Nationalratspräsidentin alleine. Das ist ein Relikt aus jenen Zeiten, als es noch absolute Mehrheiten gab. Heute, wo wir in Wahrheit drei fast gleich starke Parteien haben, ist das nicht mehr zeitgemäß.

Wo macht sich das bemerkbar?

Zum Beispiel beim Parlamentsumbau. Prammer betont zwar, dass das alles ihre alleinige Kompetenz ist, aber es geht absolut nichts weiter. Es wird ein Gutachten nach dem anderen in Auftrag gegeben. Die zu erwartenden Kosten steigen in astronomische Höhen. De facto sind aber noch nicht einmal jene Zustände beseitigt, die laut einem fast zwei Jahre alten Gutachten eine Gefahr für Leib und Leben darstellen. So kann es nicht weitergehen. Also brauchen wir eine neue Haus- und Geschäftsordnung, die das Nationalratspräsidium zum demokratischen Organ macht, wo Mehrheiten Entscheidungen herbeiführen können. Die Umsetzung dieser Entscheidungen liegt dann bei der Präsidentin.

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Barbara Prammer hat sich zuletzt um andere Dinge gekümmert, etwa um das Wahlrecht. Sie will einen Super-Wahlsonntag, wo Nationalrat und Landtage an einem Tag gewählt werden – und dann ein Neuwahlverbot. Wie stehen Sie dazu?

Martin Graf

Martin Graf

"Regierung hat mit dem Budget auch eigene Leute überrumpelt."
Foto: R. Michael Schuster

Das ist wirklich bizarr. Man könnte fast meinen, es geht ihr darum, ihre eigene Macht bis ans Ende der Periode einzuzementieren. Erstens sind die Landtage natürlich selbständige gesetzgebende Körperschaften und können daher auch selbst entscheiden, wann gewählt wird. Zweitens würden fünf Jahre ohne Wahl bedeuten, dass fünf Jahre lang Politik gegen die Interessen der Österreicher gemacht werden kann – ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn ich mir das neue Budget und sein verfassungswidriges Zustandekommen ansehe, ist mir bei diesem Gedanken nicht ganz wohl. Was Prammer sonst will – Reform der Briefwahl und Stärkung der Persönlichkeitswahl – darüber kann man diskutieren. Die derzeitige Briefwahl ist ohnehin eine demokratiepolitische Farce.

Ihr anderer Kollege, Fritz Neugebauer von der ÖVP, plant mit seiner Beamtengewerkschaft eine Verfassungsklage wegen der Pensionsreform. Ist das aus Ihrer Sicht vereinbar?

Es zeigt sich, dass die Regierung mit dem Budget und den in letzter Sekunde eingebrachten Änderungen dazu auch die eigenen Leute überrumpelt hat. Die Verfassungsklage wirft daher weniger ein schlechtes Licht auf Neugebauer als auf den Gesamtzustand der ÖVP. Er hätte als Präsident aber schon im Nationalrat festhalten können, dass er diesem Gesetz die Zustimmung verweigert. Da hat er aber schweigend zugestimmt. So ist also der eine damit beschäftigt, Klientelpolitik zu machen, die andere versucht, Wahlen zu verhindern, und ich bin ganz offensichtlich der einzige Präsident, der für die Bürger arbeitet.

 Petition Leistbares Wohnen im gemeinnützigen Wohnbau 

Wie konkret wollen Sie sich im Neuen Jahr für die Interessen der Österreicher einsetzen?

Zum Beispiel mit unserer Initiative für leistbares Wohnen. Da sind wir im Kampf gegen die Privilegien der Wohnbau-Genossenschaften schon auf einem guten Weg. Die Branche ist nach unseren Anträgen auf Gesetzesänderung im Aufruhr, verteidigt sich mit falschen Argumenten und Zahlen, nur um ihre Pfründe zu verteidigen. Da möchte ich den betroffenen Menschen zurufen: Wer hier mit uns kämpft, kann nur gewinnen. Es kommt nicht selten vor, dass Familien zwei- oder dreihundert Euro zu viel an die Genossenschaften bezahlen, die weit davon entfernt sind, gemeinnützig zu sein. Hier etwas weiterzubringen, ist mein Hauptziel für das Jahr 2011. Das kommt letztlich allen Menschen zugute, denn wenn die Gemeinnützigen wieder zu günstigeren Mieten und Kaufpreisen verpflichtet werden, schafft das auch mehr Konkurrenz am Markt, und die privaten Vermieter müssen nachziehen.

Eine weitere Initiative, die Sie unterstützen, zielt auf den Erhalt der allgemeinen Wehrpflicht. Die Debatte ist von extremen Meinungsschwankungen geprägt, vor allem bei der SPÖ. Aber auch die ÖVP scheint nicht genau zu wissen, wohin die Reise gehen soll. Ist die allgemeine Wehrpflicht noch zu retten?

Das ist wirklich eine skurille Debatte, die ich vorhergesehen habe. Was will man auch anderes erwarten, wenn man einen Wehrdienstverweigerer zum Verteigungsminister macht, als dass der des Bundesheer zerstört? Ich artikuliere deshalb schon seit über einem halben Jahr ganz klar den Standpunkt „Ja zur Wehrpflicht und Ja zur Miliz“. Die ÖVP hat dieses Feld mit den philosophischen Betrachtungen von Außenminister Spindelegger eröffnet, die SPÖ ist aus reiner Wahltaktik aufgesprungen, und jetzt schaffen die Regierungsparteien es nicht, den Zug zu stoppen, weil der grüne Bundesheer-Feind Peter Pilz plötzlich der Lokführer ist. Irgendwann werden Rot und Schwarz aber drauf kommen, dass ein Berufsheer viel teurer ist als ein Wehrpflicht-System, und auch das Problem der plötzlich fehlenden Zivildiener wird enorme Kosten verursachen. Wir Freiheitlichen sind allerdings aus ideologischen Gründen und nicht des Geldes wegen für die Wehrpflicht. Die Armee muss in der Bevölkerung verankert bleiben. Wir brauchen keine Söldnertruppe, die sich jederzeit verselbständigen kann. Ich habe durchaus Hoffnung, dass wir die Wehrpflicht erhalten können und mit unserer Initiative erfolgreich sind, so wie uns das schon im Kampf gegen das Terrorgesetz gelungen ist. An einer Reform des Bundesheeres führt trotzdem kein Weg vorbei. Man muss den Grundwehrdienst attraktiver machen und den jungen Menschen auch etwas bieten.

      

In der Ausländerpolitik haben Sie eine Verschärfung der freiheitlichen Linie angekündigt. Was ist da zu erwarten?

Wir sind in dieser Frage ja Vorreiter, haben schon 1993 das Volksbegehren „Österreich zuerst“ erfolgreich initiiert. Die Regierungen danach haben die darin geforderten Maßnahmen leider nur zu zögerlich und wenn dann zu spät umgesetzt. Die Probleme im Sozial- und Sicherheitsbereich, die sich durch die ungehinderte Massenzuwanderung ergeben haben, erfordern klare Antworten. Wir dürfen keine Zuwanderung in unser Sozialsystem mehr zulassen, und wir dürfen es auch jenen Ausländern nicht mehr zur Verfügung stellen, die bis jetzt nichts zu seiner Finanzierung beigetragen haben. Sonst haben wir bald für die Österreicher auch kein Sozialsystem mehr. In diesem Bereich werden sich die Freiheitlichen daher stark positionieren und ein weiteres Volksbegehren einbringen. Denn die Zuwanderungspolitik berührt die Menschen in allen Lebenslagen – ob es um die Sicherheit geht oder um die Bildung, um Arbeit oder um Wohnen.

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