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11. Jänner 2011 / 22:51 Uhr

China steht am demographischen Abgrund

Ein Kind FamilieChinas Wirtschaft boomt. 2009 überholte das Reich der Mitte Deutschland als Exportweltmeister. Auch die Wirtschaftskrise scheint dem gelben Riesen nichts anhaben zu können. In den nächsten Jahrzehnten steht das Land aber vor einer seiner größten Herausforderungen, die Wohlstand und Wirtschaftswachstum massiv beeinträchtigen könnten. Durch ein riesiges Heer an Arbeitskräften war der Aufschwung bisher stark befeuert worden. Bald könnte sich dies ändern, denn China steht vor gewaltigen demographischen Problemen.

Totale Veränderung der Bevölkerungsstruktur

Seit der Einführung der Ein-Kind-Politik hat sich die demographische Struktur des Landes so schnell und so grundlegend verändert wie in keinem anderem Staat im 20. Jahrhundert.

Ein Kind Familie

Ein Kind Familie

Die Ein-Kind-Familie ist seit 1979 Vorschrift in China
Foto: Foudeelau / Wikimedia

Die chinesische Bevölkerung hat inzwischen das Durchschnittsalter der Japaner vor dreißig Jahren erreicht – 32,6 Jahre, bis zum Jahr 2050 wird ein Anstieg auf 45 Jahre erwartet. Japan war 1980 allerdings bereits eine enorm wohlhabende Nation, die wirtschaftliche Entwicklung wesentlich weiter fortgeschritten, die Reallöhne lagen dreimal so hoch wie derzeit in China. Auch andere Industriestaaten haben erst zu altern begonnen, als ihre wirtschaftliche Entwicklung weit fortgeschritten war. Durch die rigide Ein-Kind-Politik haben die Chinesen diese Entwicklung, die in Staaten wie Deutschland, Japan oder den USA von selbst einsetzte, künstlich stark beschleunigt.

Wer bezahlt das Heer der Rentner?

Vor den marktwirtschaftlichen Reformen war die Altersversorgung der Chinesen von den Betrieben, in denen sie arbeiteten, übernommen worden. Mitte der 1990er Jahre wurde das Rentensystem auf ein Zwei-Säulen-Modell umgestellt. Eine Säule bildet ein Umlagensystem, das mit dem österreichischen vergleichbar ist, sodass die arbeitende Bevölkerung die Pensionen bezahlt. Die zweite Säule sollte ein individuelles Konto sein, auf dem ein Teil des Verdienstes als Pension angespart wird. Dieses System litt aber von Anfang an unter einer erheblichen Hypothek: Es musste die Pensionen der einstigen Staatsbetriebe übernehmen. Um die großen Löcher zu stopfen, die sich daraus ergaben, griff der Staat auf die individuellen Konten zurück. Da diese inzwischen weitgehend leer geräumt sind, ist die Altersvorsorge der derzeitigen Einzahler stark bedroht. Diese Tatsache verschärft die ohnehin durch die bevorstehende Überalterung anstehenden Probleme weiter.
Vor allem in den Städten sind die alten sozialen Strukturen, die auch die Versorgung im Alter sichern sollten, weitgehend zerbrochen. Wer sich um das Heer der künftigen chinesischen Rentner kümmern wird, bleibt damit offen.

Mangel an Frauen

Traditionell war der Mann in der chinesischen Bevölkerung für die Versorgung der Alten in seiner Familie zuständig. Frauen mussten dagegen, wenn sie heirateten, mit einer Aussteuer versehen werden, dabei aber zur Erhaltung der Familie ihres Gatten und nicht ihrer eigenen beitragen. Deswegen galten Töchter als Belastung, männlicher Nachwuchs wurde bevorzugt. Diese Tradition führte im Zusammenspiel mit der Ein-Kind-Familie zu einem signifikanten Männerüberschuss in China.

Chinesisches Mädchen

Chinesisches Mädchen

Mädchen sind als einizger Nachwuchs oft nicht erwünscht
Foto: Scottmeltzer / Wikimedia

Während weltweit das statistische Verhältnis von geborenen Jungen zu Mädchen bei 105 zu 100 liegt, beträgt es in China 119 zu 100, teilweise sogar 130 zu 100. Wenn die Familie nur ein Kind bekommen darf, soll es ein Junge sein, so die traditionell geprägte Denkweise vieler Chinesen. Besonders das Aufkommen der Geschlechterdiagnostik ab Mitte der 1980er Jahre führte zu vermehrten Abtreibungen von weiblichen Föten, in Extremfällen wurden weibliche Säuglinge auch nach der Geburt getötet. Inzwischen ist es in China bei hohen Strafen verboten, das Geschlecht des Kindes vor der Geburt festzustellen.

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Millionen chinesischer Männer im heiratsfähigen Alter haben bereits Probleme eine Frau zu finden – ein Trend, der sich in Zukunft weiter verstärken wird. Frauenraub – bisher nur aus der römischen Frühgeschichte bekannt – ist in China wieder zu Problem geworden.

Kleine Kaiser

Junge Chinesin

Junge Chinesin

Viele junge Chinesen können mit traditionellen Werten
recht wenig anfangen.
Foto: Evawen / Wikimedia

"Kleine Kaiser" – so werden jene egozentrischen Einzelkinder genannt, die in den boomenden chinesischen Städten aufwachsen. Ihre Eltern und Großeltern versuchen den einzigen Nachwuchs in jeder Hinsicht zu verwöhnen und in seiner Ausbildung zu fördern. Die Ergebnisse sind zwiespältig. Vom Ehrgeiz ihrer Eltern getrieben und gefördert, erreichen sie teilweise hohe schulische und universitäre Leistungen. Andererseits nehmen Probleme im Sozialverhalten zu und tragen so zu einer nachhaltigen Veränderung der chinesischen Gesellschaft bei. War die chinesische Kultur bisher stark von gemeinschaftsorientierten Werten geprägt, so hat die heranwachsende Generation dafür nur noch wenig über. Den "kleinen Kaisern" fehlt es an sozialer Kompetenz und – befördert durch die überbordende Zuwendung der Eltern – an Eigenständigkeit.

Zum Wirtschaftswachstum verdammt

Die explosive Mischung aus frauenlosen Männern, kleinen Kaisern und unversorgten Rentnern wird noch durch die enorme innerchinesische Migration verstärkt. Während Chinas Städte sich prächtig entwickeln, bleiben ländliche Gebiete immer stärker zurück. Große Wanderungsbewegungen in wirtschaftsstarke Gebiete sind die Folge, doch die Zuwanderer sind nicht gerne gesehen. Durch sie ermöglichtes Lohndumping, kulturelle und soziale Gegensätze führen in den Ballungsräumen zu Spannungen. Bisher überdeckte das Wirtschaftswachstum diese Probleme, indem es für einen stetigen Zuwachs an Arbeitsplätzen sowie zu einer Steigerung des allgemeinen Wohlstandes führte. Ein Abflauen des Wachstums oder gar eine Rezession könnte die schwelenden Konflikte zum Ausbruch bringen. China scheint damit zum Wirtschaftswachstum verdammt.

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