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11. Jänner 2011 / 23:49 Uhr

Krimi: Wie die Bayern LB die Hypo Alpe Adria ruinierte

Die ehemalige Kärntner Landesbank Hypo Alpe Adria gilt seit Ende 2009 als der Inbegriff der bösen Bank. Geschäfte mit Kriminellen im ehemaligen Jugoslawien sollen gemacht worden sein, Kredite in großem Umfang ohne Sicherheiten vergeben. Und für den damaligen Landeshauptmann Jörg Haider, so wurde immer wieder behauptet, war die Hypo eine Art Selbstbedienungsladen, der auf Kommando politisch gewünschte Projekte finanziert haben soll. Und an dieser Kärntner Misswirtschaft ist die Bank, so wurde immer wieder betont, dann auch zu Grunde gegangen.

Doch das Märchen von den bösen blauen Bankern muss nun umgeschrieben werden und wird zu einem Märchen der bösen blau-weißen Banker – jener aus Bayern nämlich. Sie haben, wie das Nachrichtenmagazin “profil” anhand umfangreicher Unterlagen aus der Zeit vor der Verstaatlichung Ende 2009 minutiös darlegt – die Hypo an den Rand der Ruins getrieben, um sie dann günstig an die Republik Österreich loszuwerden. Auch der Unzensuriert-Redaktion liegt nun jener Vertrag vor, der am 14. Dezember 2009 zwischen der Republik Österreich und der Bayern Landesbank geschlossen wurde und der dem Staat und seinen Steuerzahlern das Eigentum, aber auch die Haftungen für die Hypo Alpe Adria übertrug.

Die Tage und Wochen vor der Verstaatlichung stellt “profil” als Verhandlungspoker dar. Dass diese nervenzerfetzenden Gespräche überhaupt nötig wurden, dafür sorgte die Bayern LB allerdings selbst. Am 10. November 2009 wurde öffentlich, dass der Hypo Alpe Adria weitere Kreditausfälle im Ausmaß von rund einer Milliarde Euro drohen würden. Die Zahl ergibt sich aus einem Gutachten, das im Juli 2009 von der Hypo selbst in Auftrag gegeben worden war – offenbar im Auftrag der Bayern, wurde es doch vom Münchener Büro des Wirtschaftsprüfer-Konserns PriceWaterhouseCoopers erstellt. Dessen Inhalt sickerte durch, bevor der Bericht offiziell versandt wurde und bevor die Eigentümer davon Bescheid wussten. Ein Eigentümer allerdings kannte die Zahlen bereits. “Die Bayern LB erwartet schon wieder einen Milliardenverlust” titelte am 11. November die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Vorstandschef Michael Kemmer nahm bereitwillig zum neuerlichen Abschreibungsbedarf Stellung. Eine Kapitalerhöhung bei der Hypo sei unausweichlich.

Kunden zogen halbe Milliarde ab

Was weder die Bayern noch sonst jemand damals sagte: Ein Ausfallsrisiko von einer Milliarde Euro ist bei einem Gesamt-Kreditportfolio von 30 Milliarden Euro zum Höhepunkt der Finanzkrise alles andere als dramatisch und entspricht nicht einmal den Zinsen, die die Bank in einem Jahr für alle Kredite kassiert. Doch offenbar sollte die Information in eine andere Richtung wirken und der Finanzwelt klar machen: Diese Bank schlittert in den Ruin. Die Folgen stellten sich wie geplant ein: In den folgenden Tagen wurde zumindest eine halbe Milliarde an Einlagen von der Hypo abgezogen. Der herbei geschriebene bedrohliche Zustand war eingetreten.

Nachdem sich die Republik Österreich in Gesprächen mit dem Bayern-LB-Vorstand ab Ende November nicht erweichen ließ, weiteres Kapital zuzuschießen, verschärfte die Bayern-Bank die Gangart noch einmal, stellte der Kärntner Tochter am 11. Dezember Kredite im Gesamtausmaß von 650 Millionen fällig und konfiszierte zugleich ein Guthaben von 600 Millionen. Weitere Kreditzusagen in ähnlicher Höhe wurden zurückgezogen.

Vertrag bringt Bayern LB sichere 3,1 Milliarden

Die Insolvenz, welche die Bayern laut eigenen Aussagen in Kauf genommen hätten, drohte nun tatsächlich. Im Lichte der jüngsten Ereignisse verhandelte der Staat mit den Eigentümern der Bank – der Bayern LB, dem Land Kärnten und der Grazer Wechselseitigen. Das Ergebnis konnte sich für die Bayern sehen lassen: Sie mussten zwar die Kreditlinien wieder öffnen, bekamen aber dafür vom Staat vertraglich zugesichert, dass die Hypo im Jahr 2013 Darlehen im Ausmaß von 3,1 Milliarden Euro tilgen wird. Die Forderungen der Bayern LB wären im Insolvenzfall wohl verloren gewesen, so wurden sie staatlich garantiert. Finanzminister Pröll und seine Beamten haben sich in den von der Bayern LB fast im Wege der Nötigung herbeigeführten Verhandlungen zumindest über den Tisch ziehen lassen und 3 Milliarden verschenkt. Was noch schwerer wiegt, ist der Verzicht auf Gewährleistungsansprüche, der im Vertrag normiert ist. Somit besteht auf zivilrechtlichem Wege keine Möglichkeit für die Republik, gegen die Praktiken der Bayern LB vorzugehen. Sie bekommt ihr Geld auf alle Fälle zurück.

Die Hektik bei der Verstaatlichung ist trotz des enormen Drucks, den die Bayern aufgebaut hatten, nicht nachvollziehbar. Man hätte ebenso auf Zeit spielen und einen Staatskommissär einsetzen können, der sich einen Überblick über den Zustand der Bank verschaffen hätte können. Doch Pröll zog es vor, ein Ende mit Schrecken für den österreichischen Steuerzahler zu suchen und in der Folge ein Exempel zu statuieren, indem er die Hypo als das Zentrum der Verwerflichkeiten in der österreichischen Bankenlandschaft hinstellte und eilig eine eigene Sonderkommission, medienwirksam CSI genannt, einsetzte.

An dem Vertrag zwischen der Republik und der Bayern LB, mit dem erstere alle Anteile für den Preis von einem Euro übernimmt, ist einiges hinterfragenswert: Erstens ist ein Kontrakt auf 12 Seiten mit gerade einmal elf Punkte ein reichlich dünnes Werk für den Kauf einer Bank.

Gewährleistungsverzicht trotz plötzlicher Fälligstellung

Zweitens mutet der in Punkt 6 festgehaltene Gewährleistungsverzicht umso seltsamer an, als zuvor in Punkt 5 (Liquiditätsmaßnahmen) klar jene Kündigung von Kreditrahmen durch die Bayern LB erwähnt wird, die maßgeblich zur Verschärfung der Hypo-Krise beigetragen hat:

Zur Wiederherstellung des vor dieser Kündigung und Aufrechnung bestehenden Zustandes und unter der Anerkennung der Rechtswirksamkeit der vorgenannten Kündigung und Aufrechnung durch die Bank, verpflichtet sich die Bayern LB unabhängig vom Closing mit Vertragsunterfertigung, der Bank (mit gesonderten Darlehensverträgen) im Umfang und mit den Konditionen der mit Schreiben vom 11.12.2009 gekündigten Darlehen und mit einer Laufzeit bis 31.12.2013 versehene neue Darlehen im Gesamtvertrag von ? 648.998.277,79 [.] zu gewähren und einen Darlehensbetrag von ? 600.000.000,00 zur Verfügung zu stellen.

Rückzahlung der Darlehen rechtswidrig?

Der Vertrag anerkennt also auch noch ausdrücklich die Rechtmäßigkeit jenes Vorgehens, mit dem die Bayern LB ihre eigene Tochterbank in die Bredouille gebracht hat. Dieses ist allerdings – und das ist das dritte Argument gegen den Vertrag – rechtlich höchst umstritten. Das Eigenkapitalersatzgesetz regelt die Ansprüche des Mehrheitsgesellschafters, der seinem Unternehmen in der Krise Darlehen gewährt. Diese werden als Eigenkapitalersatz qualifiziert, wenn die Gesellschaft sich in einer Krise befindet. Die Bayern LB hat der Hypo im Laufe des Jahres 2008 rund drei Milliarden Euro an Darlehen zur Verfügung gestellt. Ende des Jahres musste der Staat bei der Hypo 900 Millionen Partizipationskapital einschießen. Wo, wenn nicht in einer Krise, war diese Bank also im Jahr 2008, wenn sie Ende des Jahres mit Staatsgeld gerettet werden musste? Die drei Milliarden, die die Bayern nun von der Hypo zurückbezahlt bekommen sollen, müssten unter diesem Gesichtspunkt als Eigenkapital klassifiziert werden. Die Bank hätte dieses Geld vielleicht nie wieder gesehen, wenn es ihr der Finanzminister nicht großzügig geschenkt hätte.

Der vierte recht heikle Punkt ist schließlich, wer für Österreich den Vertrag verhandelt hat. Maßgeblich daran beteiligt war Mag. Alfred Lejsek, der laut einem von “profil” auszugsweise veröffentlichtem Besprechungsprotokoll auch schon bei den Gesprächen am 7. Dezember die Interessen der Republik vertrat. Lejsek ist Leiter der Gruppe “Finanzmärkte” im Finanzministerium und unterfertigte den Vertrag auch am 23. Dezember 2009 für die Republik. Er ist darüber hinaus aber auch Aufsichtsratsvorsitzender der Finanzmarktaufsichtsbehörde, was eine klassische Unvereinbarkeit darstellt, ist die FMA doch jene Organisation, welche die Transaktion zu prüfen hat, die von ihrem eigenen Aufsichtsrsatsvorsitzenden offenbar maßgeblich mitgestaltet wurde.

FPÖ will Rechnungshof-Prüfung

Die FPÖ kündigt angesichts der neuen Entwicklung umfangreiche Maßnahmen an und ruft nach einer Prüfung durch den Rechnungshof. Mehr dazu:

FPÖ mit Anfrage, Anzeige und Ruf nach Rechnungshof

Spekuliert wird über die Gründe, warum die Bayern LB derartigen Druck ausübte und die Hypo offenbar mit Gewalt los werden wollte.

Hintergrund: Warum die Bayern LB die Hypo ruinierte

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