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6. Feber 2011 / 09:48 Uhr

Guinea – Mit dem Sozialismus in die Armut

GoldmineObwohl Guinea zu den rohstoffreichsten Staaten Afrikas gehört, ist das Land bitterarm. Im Index der gescheiterten Staaten schafft es Guinea mit Platz neun immerhin noch unter die Top Ten. Transparency International bezeichnet es als das korrupteste Land Afrikas. Was ist falsch gelaufen in dem Staat in Westafrika?

Das sozialistische Experiment Sékou Tourés

Guinea FlaggeAls Frankreichs Präsident Charles de Gaulles seinen afrikanischen Kolonien 1958 die völlige Unabhängigkeit oder einen Verbleib in einem Staatenbund mit Frankreich anbot, war Guinea das einzige Land, das die erste Variante wählte. Sékou Touré, der Enkel eines ehemaligen Kämpfers gegen die Franzosen, hatte seit 1952 eine schlagkräftige Unabhängigkeitsbewegung aufgebaut und wurde 1958 eines der ersten unabhängigen Staatsoberhäupter Afrikas. Von “fortschrittlichen” Kreisen im Westen wurde Touré mit großem Wohlwollen betrachtet, seine Aussage “Wir ziehen die Armut in Freiheit dem Reichtum in Sklaverei vor” wurde zu einem Credo der Antikolonisationsbewegung. Neben Ghanas Kwane Nkruma und Patrice Lumumba im Kongo war Touré die wichtigste Symbolfigur des neuen, befreiten Afrika.

Sékou Touré

Sékou Touré

Guineas erster Präsident Sékou Touré.
Foto: William Firaneck / Wikimedia

Während seiner gesamten Präsidentschaft (1958 – 1984) unterstützte Tourée antikoloniale Bewegungen und linke Rebellengruppen in Afrika. Während der Kongokrise wurden die guineischen UN-Truppen zu den treuesten Unterstützern von Ministerpräsident Lumumba im Kampf um die Macht. Besonders engagiert war Guinea im angrenzenden Portugiesisch Guinea, dem heutigen Guinea Bissau. Unterstützung fand Tourée dabei in Moskau, an das er sich außenpolitisch anlehnte.

Wirtschaftspolitisch orientierte sich Touré ebenfalls an Moskau und setzte auf Verstaatlichung und Planwirtschaft. Nachdem bereits der fluchtartige Exodus französischer Fachkräfte 1958 der Wirtschaft Guineas stark geschadet hatte, trieb das sozialistische Experiment das Land völlig in den Ruin. Die Förderung der reichlich vorhandenen Rohstoffe sank auf ein Mindestmaß, die Infrastruktur zerfiel, die Bevölkerung verarmte weiter.

Auch innenpolitisch folgte Guinea dem großen Bruder. Guinea war eine Ein-Parteien-Diktatur, Sékou Touré herrschte uneingeschränkt, jegliche Opposition wurde brutal unterdrückt. Hunderttausende Guineer flohen vor Unterdrückung und Zwangsarbeit in die Nachbarländer.

Wirtschaftliche Liberalisierung in der Militärdiktatur

Lansana Conté

Lansana Conté

In der Militärdiktatur unter Lansana Conté kam es in Guinea – wie auch in
Russland unter Putin – zur wirtschaftlichen Liberalisierung.
Foto: Kremlin.ru / Wikimedia

Nach Tourés Tod 1984 übernahm das Militär die Macht, der Generalstabsoffizier Lansana Conté wurde Präsident. Conté beendete die staatlich gelenkte Wirtschaft und lockerte die Repression. Durch seine Maßnahmen kam Guineas Wirtschaft wieder in Schwung, und viele Flüchtlinge kehrten in das Land zurück. Anfang der 1990er Jahre ließ Conté eine gewisse Liberalisierung im politischen Prozess zu, ohne allerdings seine Macht abzugeben. Die regelmäßigen Wahlen, aus denen immer Conté und seine Partei als Sieger hervorgingen, waren von Manipulationsvorwürfen überschattet. Dennoch war die Zeit seiner Herrschaft von 1984 bis 2008 eine Phase von relativem Wohlstandes und Stabilität in Guinea. Seit seinem Tod 2008 kommt das Land nicht mehr zur Ruhe.

Guinea kommt nicht mehr zur Ruhe

Bereits in den letzten beiden Jahren von Contés Herrschaft hatte sich das innenpolitische Klima verschlechtert. Dem schwer kranken Präsidenten entglitt mehr und mehr das Ruder. Kurz nach seinem Tod übernahm erneut das Militär in einem Putsch die Macht, oppositionelle Proteste wurden blutig niedergeschlagen. Im September 2009 verübten Regierungstruppen ein Massaker an knapp 150 Demonstranten, unzählige Frauen wurden vergewaltigt. Als Diktator Moussa Camara bei einem Attentat schwer verwundet wurde, musste er aus dem Land fliehen. Sein Stellvertreter Sékouba Konaté folgte ihm nach und ließ Wahlen durchführen, während deren Ablauf es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volksgruppen kam. Oppositionsführer Alpha Condé wurde im November 2010 zum Wahlsieger erklärt, und nach einigem Widerstand erfolgte nun auch die Machtübergabe durch das Militär. Die internationale Gemeinschaft geht offenbar von einer Stabilisierung des Landes aus. Ein für einen aktuellen Fall in Österreich relevanter Abschiebestopp für abgelehnte Asylwerber nach Guinea ist am 31. Jänner abgelaufen.

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Die ersten außenpolitischen Schritte des neuen Präsidenten lassen allerdings auch befürchten, dass Condé  eine Rückkehr zur sozialistischen Isolationspolitik von Staatsgründer Sékou Toure plant. Die erste Auslandsreise führte ihn in die libysche Hauptstadt Tripolis, wo er ankündigte, er wolle die gleiche Rolle spielen wie einst Touré.

Flüchtlinge, Völkerkonflikte und ausländische Interessen

Bauxit

Bauxit

Guinea ist besonders reich an Rohstoffen, vor allem an Bauxit.
Foto: Werner Schellmann / Wikimedia

Guinea ist ein multiethnischer Staat. Fulani (ca. 40% im zentralen Hochland), Malinke (ca. 30% im Osten Guineas) und Soussou (ca. 20% um die Hauptstadt Conacry) stellen die größten Bevölkerungsgruppen, daneben existieren noch andere kleinere ethnische Gruppen. Insbesondere bei den letzten Wahlen kam es vermehrt zu großen Auseinandersetzungen zwischen Fulani, der Volksgruppe von Condés Konkurrent, und Malinke, denen Alpha Condé angehört. Die Bürgerkriege in Liberia und Sierra Leone haben weiter zu einer Verschlechterung der Lage in Guinea beigetragen. Immer wieder wichen bewaffnete Gruppen auf das Gebiet Guineas aus und nutzten es als Rückzugsgebiet. Dazu kamen mehrere große Flüchtlingswellen.

Goldmine

Goldmine

Auch Goldminen finden sich in Guinea. Die Bevölkerung hat jedoch nichts
vom Reichtum des Landes und lebt in ärmsten Verhältnissen.
Foto: USAID / Wikimedia

Guineas Rohstoffreichtum hat nicht zur Beruhigung der Lage beigetragen und auch nicht die Armut der Bevölkerung verringert. Neben Bauxit, das zur Aluminiumherstellung verwendet wird, verfügt das Land über große Vorkommen an Eisenerz, Gold, Diamanten, Uran und möglicherweise auch Erdöl. Bisher war ein US-kanadisches Konsortium das größte im Land engagierte Unternehmen, seit kurzem drängen vor allem die Chinesen massiv nach Guinea. Der Anschlag auf Camara, der in Deutschland zum Offizier ausgebildet wurde, wird mit den rivalisierenden Interessen ausländischer Großmächte in Verbindung gebracht. Camara wollte über die Förderkonzessionen neu verhandeln und vergab diverse Genehmigungen an chinesische Unternehmen. Die Einmischung ausländischer Gruppen ist ein charakteristisches Phänomen in fast allen afrikanischen gescheiterten Staaten, die über nennenswerte Rohstoffe verfügen. Neben den USA, China und anderen Großmächten versuchen auch lokale Potentaten Gewinn aus der Handlungsunfähigkeit der einzelnen Staaten zu schlagen. Der Rohstoffreichtum erweist sich so eher als Fluch denn als Segen. In der ganzen Region um Guinea ist einzig Senegal als stabiler Staat zu bezeichnen.

Unzensuriert-Serie über "Failed States"

Unzensuriert.at stellt wöchentlich einen gescheiterten Staat vor. Bisher veröffentlicht:

Sudan – Abspaltung vom islamistischen Araber-Regime

Somalia – Nummer eins unter den gescheiterten Staaten

Nächste Woche:
Liberia und Sierra Leone – Heimat der Blutdiamanten
 

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