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USA

13. Feber 2011 / 10:31 Uhr

Liberia und Sierra Leone – Heimat der Blutdiamanten

Zerstörte SchuleSierra Leone und Liberia sollten zu Vorzeige-Gemeinwesen in Afrika werden, genau zum Gegenteil haben sie sich entwickelt. Wirtschaftliches Chaos und grausame Bürgerkriege zerstörten beide Staaten, sie gehören zu den ärmsten der Erde. Bekannt geworden sind die Blutdiamanten, durch die bewaffnete Banden ihre Aktivitäten finanzierten und die so den Bürgerkriegen immer wieder neue Nahrung gaben. Am Ende standen in beiden Fällen UN – Interventionen, die die Länder stabilisieren sollen.

Leuchttürme der Antisklavereibewegung

Bunce Island

Bunce Island

Bunce Island wurde vom Sklavenhändlerstützpunkt zur Siedlung
für freigelassene Sklaven.
Foto: Wikimedia

Auf der Insel Bunce Island in der Nähe des späteren Freetown befand sich einst einer der berüchtigtsten Sklavenhändlerstützpunkte an der westafrikanischen Küste. Ende des 18. Jahrhunderts entstand in Großbritannien die Antisklavereibewegung, 1807 wurde der Sklavenhandel im Vereinigten Königreich verboten, und britische Schiffe begannen mit der Jagd auf Sklavenhändler. Bereits 1787 wurde in der Nähe von Bunce Island die erste Siedlung freigelassener Sklaven, die in Großbritannien meist unter äußerst ärmlichen Bedingungen lebten, gegründet. Diese Siedlung erwies sich als Fehlschlag, ein erneuter Versuch, der 1791 zur Gründung von Freetown führte, war erfolgreicher. 1808 wurde Sierra Leone, das nur einen kleinen Küstenstreifen umfasste, zur Kronkolonie und Freetown zu einem wichtigen Stützpunkt der britischen Marine in ihrem Kampf gegen die Sklaverei. Im 19. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung durch stetigen Zuzug Schwarzer sowohl aus Europa und Amerika als auch aus anderen Teilen Westafrikas stark an, es entwickelte sich eine eigene kreolische Kultur. Das Hinterland Sierra Leones wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts kolonisiert. Bis heute unterscheiden sich die Kreolen von den angestammten Völkern des Landes; sie sind meist gebildeter und wohlhabender, immer wieder kommt es zu Konflikten.

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Ähnlich wie in Großbritannien kam auch in den USA an der Wende zum 19. Jahrhundert der Gedanke auf, freigelassene Sklaven nach Afrika zurückzubringen. Der erste Vorsitzende der American Colonization Society war der spätere Präsident James Monroe, nach dem danach die Stadt Monrovia benannt wurde. Ab 1822 entstanden eine Reihe von Siedlungen, die sich 1838 zum Commonwealth of Liberia zusammenschlossen. 1847 erklärte der Kongress von Liberia mit Zustimmung der USA die Unabhängigkeit. Die ehemaligen Sklaven organisierten ihr Staatswesen nach dem Vorbild der USA und bildeten bis 1980 die beherrschende Schicht. Einheimische wurden gezielt von der Macht ferngehalten, sodass man von schwarzer Apartheid sprach.

Günstige Voraussetzungen für Sierra Leone und Liberia

Nachrichtentafel in Monrovia

Nachrichtentafel in Monrovia

Tafel mit Nachrichten über den Prozess gegen Charles Tayler in Monrovia, Liberia.
Foto: Lieutenant Colonel Terry VandenDolder, U.S. Africa Command / Wikimedia

Als Sierra Leone 1961 in die Unabhängigkeit entlassen wurden, waren die Voraussetzungen zunächst günstig. Das Land konnte Nahrungsmittel, vor allem Reis, exportieren und die reichen Diamantvorkommen brachten Devisen ins Land. Der erste Präsident Milton Margai sorgte für Stabilität und Ausgleich unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Nach Margais Tod begann Sierra Leone immer mehr ins Chaos abzugleiten. Verschiedene Despoten lösten einander ab und plünderten das Land aus. Korruption grassierte, die Wirtschaft lag danieder, Nahrungsmittel mussten importiert werden. 1990 brach der Bürgerkrieg aus.

Liberia galt zunächst als Vorzeigestaat Afrikas. Reiche Erz- und Diamantvorkommen sowie Kautschukplantagen sicherten einen stetigen wirtschaftlichen Aufstieg des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Reichtum Liberias konzentrierte sich aber auf die Oberschicht der sogenannten American-Africans – die Nachfahren der befreiten Sklaven. Die Kluft zwischen ihnen, die nur eine Minderheit im Land stellten, und den Einheimischen wuchs immer mehr. 1980 setzte der Militärputsch Samuel Does der Herrschaft der American-Africans ein blutiges Ende. Der alte Präsident wurde ermordet, und es kam zu Ausschreitungen gegen die verhasste Minderheit. 1989 drang Charles Taylor, der sich derzeit vor einem Internationalen Tribunal für Verbrechen in Sierra Leone verantworten muss, als Rebellenführer der National Patriotic Front in Liberia ein, der Bürgerkrieg brach aus.

Bürgerkriege von unglaublicher Grausamkeit

Zerstörte Schule

Zerstörte Schule

Der Bürgerkrieg wurde mit enormen Grausamkeit geführt und machte – wie
hier in Sierre Leone – auch vor der Zerstörung einer Schule nicht Halt.
Foto: Laura Lartigue / Wikimedia

Die Bürgerkriege in den beiden Staaten wurden mit unglaublicher Grausamkeit geführt. Neben der Feindschaft zwischen den als Fremdkörper empfundenen American-Africans beziehungsweise Kreolen und Ureinwohnern brachen auch Konflikte zwischen den einzelnen Völkern auf. Die meisten Bürgerkriegsgruppen bildeten ethnisch homogene Gruppen. Alle Kriegsparteien setzten in großem Ausmaß Kindersoldaten ein. Die Kämpfer begingen teilweise im Drogenrausch unglaubliche Verbrechen: Kannibalismus, das Abhacken von Körperteilen, Massenvergewaltigungen und das Auslöschen ganzer Dörfer waren an der Tagesordnung. Der Einsatz von afrikanischen Friedenstruppen, vor allem Soldaten aus Nigeria, konnte der Gewalt keinen Einhalt gebieten. Dazu verfolgten die Friedenstruppen ihre eigenen Ziele in den rohstoffreichen Ländern. In Sierra Leone rief die Zentralregierung eine südafrikanische Söldnertruppe – Executive Outcome, hauptsächlich ehemalige Angehörige südafrikanischer Eliteeinheiten – zu Hilfe, die die Rebellen der Revolutionary United Front schnell zurückdrängen konnte. Anstelle einer Bezahlung wurde Executive Outcome mehrere Schürfrechte in Diamantminen gewährt. Erst das Eingreifen britischer Soldaten in Sierra Leone und US amerikanischer Soldaten in Liberia beendete die Gewalt.

Blutdiamanten – Treibstoff der Gewalt

Diamantenschürfer

Diamantenschürfer

Diamantenschürfer in Sierra Leone.
Foto: USAID Guinea / Wikimedia

Mit dem Kimberly-Prozess wurde 2000 ein neues Zertifizierungssystem beschlossen, das den Verkauf von sogenannten Blutdiamanten verhindern soll. Nicht nur die Kämpfer in Liberia und Sierra Leone finanzierten ihre kriegerischen Aktivitäten größtenteils über Blutdiamanten, derartiges ist auch aus anderen Konfliktregionen und mit anderen Rohstoffen (Bluthölzer, Blutgold etc.) bekannt. Das Kimberly-Abkommen gilt inzwischen aber als gescheitert, da sowohl Regierungen als auch Diamanthändler sich nicht mehr daran halten. So exportiert der Libanon wesentlich mehr Diamanten, als er importiert, obwohl es im Land keinerlei nennenswerte Vorkommen gibt. Die Praxis, Schürfrechte im Gegenzug für Militärhilfe einzuräumen, ist besonders in Afrika weit verbreitet. Auch internationale Terrororganisationen finanzieren sich mit Blutdiamanten. Diese verlängern Konflikte immer wieder um ein Vielfaches. Ohne die stetige Geldquelle würde manchen bewaffneten Gruppen, Rebellen oder korrupten Regierungen wesentlich früher die Luft ausgehen. Der Weg der Blutdiamanten führt über offiziell nicht involvierte Nachbarländer, welche die Diamanten als eigene ausgeben, obwohl es keine Vorkommen im eigenen Land gibt. Mit diesem Persilschein versehen gehen sie dann in die ganze Welt weiter.

Marines in Monrovia

Marines in Monrovia

Erst die US-Marines beendeten die Gewalt in Liberia.
Foto: 26th Marine Expeditionary Unit, Public Affairs Office / Wikimedia

In Sierra Leone und Liberia werden neben Diamanten auch Gold, Mangan, Molybdän, Platin sowie Eisenerz gefördert, vor der Küste Sierra Leones wurde inzwischen auch Erdöl gefunden.

Führten die Interventionen zum Frieden?

Die Interventionen afrikanischer Staaten und schließlich der USA und Großbritanniens dienten nicht nur humanitären Zwecken. Immer wieder drangen bewaffnete Gruppen auf das Gebiet von Nachbarstaaten vor, Millionen Flüchtlinge überfluteten die ganze Region. Sierra Leone und Liberia trugen damit zur Destabilisierung Westafrikas bei. Die reibungslose Förderung strategisch wichtiger Rohstoffe geriet so in Gefahr.

Ellen Johnson Sirleaf

Ellen Johnson Sirleaf

Ellen Johnson Sirleaf ist aktuelle Präsidentin in Liberia.
Foto: Antonio Cruz / Agencia Brazil / Wikimedia

Beide Staaten gelten inzwischen als erfolgreiche Beispiele internationaler Konfliktbeilegung, die Interventionsstreitkräfte haben sich größtenteils zurückgezogen. In Liberia wurde 2006 mit Ellen Johnson Sirleaf, deren Großvater ein deutscher Händler in Monrovia war, erstmals eine Frau zur Präsidentin gewählt. Ein Großteil der Flüchtlinge konnte zurückkehren, die Wirtschaft erholt sich langsam. Die Rohstoffförderung ist weiterhin größtenteils in der Hand ausländischer Konzerne wie der britischen Aktiengesellschaft African Minerals, die an einer weiteren ruhigen Entwicklung in den Ländern interessiert sind.

Ob die Staaten ihre unruhige Vergangenheit hinter sich lassen können, werden allen positiv Anzeichen zum Trotz erst die nächsten Jahre zeigen. Die verstümmelten Kinder Freetowns bleiben ein Mahnmal menschlicher Grausamkeiten.

Unzensuriert-Serie über "Failed States"

Unzensuriert.at stellt wöchentlich einen gescheiterten Staat vor. Bisher veröffentlicht:

Sudan – Abspaltung vom islamistischen Araber-Regime

Somalia – Nummer eins unter den gescheiterten Staaten

Guinea – Mit dem Sozialismus in die Armut 

Nächste Woche:
 Kongo – Das Herz der Finsternis

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