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23. März 2011 / 09:21 Uhr

Argentiniens triste Politik: Präsidentin und Vize reden nicht miteinander

CobosArgentinien ist gestraft mit einer spannenden Innenpolitik. Diesen Eindruck bekam die Österreich-Delegation unter der Leitung des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf  am Ende ihrer Südamerika-Exkursion: Die Politiker des Landes sind zerstritten, Staatspräsidentin Christina Fernandez de Kirchner spricht mit ihrem Stellvertreter und Vizepräsidenten Julio C. Cobos kein Wort mehr. Darunter leiden das Land und die Menschen, weil einander die beiden Kontrahenten gegenseitig boykottieren.

Ein Besuch der Politiker und Wirtschaftsvertreter aus Österreich bei Vizepräsident Cobos, der zugleich Senatspräsident ist, stand als Abschlusstermin der Südamerika-Reise mit Schwerpunkt Paraguay schon lange fest. Der Empfang im argentinischen Senat gestaltete sich auch sehr freundlich, Cobos sagte, dass der Lebensstandard in Österreich erstrebenswert für sein Land wäre. Graf bedankte sich beim Vizepräsidenten dafür, dass Argentinien vielen Österreichern in einer schweren Zeit eine neue Heimat gab. Heute befindet sich hier die größte Auslandskolonie mit rund 14.000 Österreichern.

Cobos

Cobos

Vizepräsident Julio Cobos im Gespräch mit der Österreich-Delegation.
Foto: Unzensuriert.at

Zur Sprache kam auch die Energiepolitik der beiden Länder. Dass Österreich aus der Atomenergie ausgestiegen sei, wäre der richtige Weg gewesen, sagte Graf, wohlwissend, dass Argentinien zwei Atomkraftwerke betreibt. Cobos erwähnte dies nicht, meinte zu diesem Thema, dass Argentinien aufgrund des steigenden Wirtschaftswachstums  nach neuen Energieformen suche. Man setze vermehrt auf thermische Energie wie Kohle, verfüge aber über ein großes Potenzial für Wind (in der Region Patagonien) und Solarenergie. Als die größten Zukunftsprojekte des Landes nannte Cobos den Bau einer Autobahn zwischen dem Atlantik und dem Pazifik, vor allem aufgrund der aufstrebenden Handelsbeziehungen mit Asien, wofür die Verkehrswege zu den Häfen ausgebaut werden müssten, den Ausbau der Bahn und der Wasserwege. Zur Entwicklung dieser drei Korridore wären im Budget fünf bis sechs Milliarden Dollar vorgesehen. Private Investoren hätten an den Infrastrukturprojekten großes Interesse.

Vermittlungsversuch im Streit mit Red Bull

Auf die Frage des Nationalratsabgeordneten Gerhard Deimek, in welchem Bereich Argentinien Aufholbedarf hätte,  meinte Cobos, dass Argentinien das Problem habe, zu wenig verarbeitete Produkte, stattdessen zu viele Primärprodukte zu verkaufen. Dies müsse sich ändern, um einen Mehrwert für das Land zu erreichen. So sei es zum Beispiel unvorstellbar, dass auf dem Weltmarkt kein Weizen aus Argentinien zu finden sei. Graf erwähnte noch, dass Red Bull ein Verfahren gegen den Staat Argentinien eingeleitet habe, weil dieser bei Getränken einen Koffeingehalt von 20 Prozent festgelegt hat. Red Bull habe mit einer einstweiligen Verfügung erwirkt, dass man trotz dieses Dekretes auf dem Markt bleiben dürfe. Sollte das Verfahren gegen Red Bull ausgehen, könnte dies das Produkt aus Österreich nur noch bekannter machen und den Schwarzhandel mit Red Bull fördern, gab Graf zu bedenken.

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Angesprochen auf die nächsten Präsidentschaftswahlen meinte Cobos, dass er wahrscheinlich Spitzenkandidat der Radikalen werden würde und dann gegen Präsidentin Kirchner ins Rennen gehe. Er möchte versuchen, die nationale Einheit zu fördern statt des Individualismus. Cobos hatte Kirchner nach ihrer Wahlschlappe zur Präsidentschaft verholfen. Zwar verfügt diese über keine Mehrheit im Parlament, doch auch die Opposition nicht. Regiert wird seither über so genannte Notstands-Dekrete, wohl einmalig in westlichen Demokratien. Dem nicht genug, kam es im Zuge der Landwirtschaftskrise zum Bruch zwischen Kirchner und Cobos, der bei einer Abstimmung gegen die eigene Regierung votierte und sich damit den Zorn der Peronisten um Kirchner zuzog. Nun gibt es nur noch gegenseitiges Misstrauen, die Präsidentin verlässt aus diesem Grund nur in Sonderfällen das Land, weil sonst, bei ihrer Abwesenheit, ihr größter Feind an die Macht kommt.

In Argentinien gibt es keine klassischen Rechts- oder Linksparteien, nur Peronisten in unterschiedlichen Organisationen und verschiedene Parteien von Anti-Peronisten. Wenn ein Kandidat mehr als 40 Prozent erreicht und die nachfolgende Person unter 30 Prozent liegt, hat er die Wahl gewonnen und wird Präsident. Ist das nicht der Fall, kommt es zum zweiten Wahlgang.

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