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13. Mai 2011 / 11:15 Uhr

Schottland vor der Unabhängigkeit?

BildWährend sich heimische Berichterstatter auf die großen Verluste der linksliberalen Liberaldemokraten bei den Regionalwahlen letzte Woche in Großbritannien konzentrierten, könnte ein anderes Ergebnis dieser Wahl die Landkarte Europas nachhaltig verändern. In Schottland konnte die Schottische Nationalpartei (Scotland National Party SNP) die absolute Mehrheit im Regionalparlament gewinnen. Ihre wichtigste Forderung ist klar und einfach: Schottlands Unabhängigkeit.

SNP – eine moderne nationale Partei aller Schotten

Der Parteichef der SNP, Alex Salmond, hat es bei den Regionalwahlen am 5. Mai. nach vier Jahren als Erster Minister Schottlands geschafft, mit 44 Prozent der Stimmen die absolute Mandatsmehrheit im schottischen Parlament zu erringen.

 

Wahlen Schottland

Die SNP (gelb) konnte einen Erdrutschsieg in
Schottland erringen
Graphik: Barryob / Wikimedia

Im Gegensatz zu den Wahlen zum britischen Unterhaus wird bei den Regionalwahlen in Schottland nach einem Mischsystem aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht gewählt; dieser Wahlmodus sollte die absolute Mehrheit an Parlamentssitzen eigentlich verhindern. Bisher hatte die SNP eine Minderheitsregierung gebildet, die von den schottischen Grünen und den Liberaldemokraten gestützt wurde. Im Gegensatz zur SNP hatten sich diese beiden Parteien immer gegen eine Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands ausgesprochen, auch die sozialdemokratische Labour Party als knapp zweitstärkste Kraft sowie die konservativen Tories standen diesem Ansinnen ablehnend gegenüber. Bei den jüngsten Wahlen hatten Salmond und seine Parteifreunde es allerdings geschafft, weite Kreise der Bevölkerung anzusprechen und sich als Partei aller Schotten abseits sozialer Unterschiede  zu etablieren. Auch wenn die Forderung nach der Unabhängigkeit klar wichtigstes Thema der SNP war, gab sie auch in anderen Bereichen eindeutig die Themenführerschaft im Wahlkampf vor. Neben einem Umstieg auf alternative Energiegewinnung waren auch die Steuersenkung für Klein- und Mittelbetriebe, die Abschaffung von Studiengebühren oder die Ablehnung des Einsatzes schottischer Soldaten im Irak Anliegen der SNP. Im Gegensatz zum Gewerkschaftspublikum der Labour und den alten Männern der Tories hat die SNP ihre Anhänger in allen Schichten und Altersgruppen. Mit dieser Mischung konnte sie die die linke Labour, für die Schottland einst eine sichere Bank war, klar auf Platz zwei verweisen; die anderen Parteien, insbesondere die Liberaldemokraten wurden geradezu deklassiert.

Alex Salmond – der neue William Wallace?

Seine Anhänger feierten SNP-Chef Salmond bereits als neuen William Wallace in Anlehnung an den schottischen Freiheitshelden des 13. Jahrhunderts.

Alex Salmond

Alex Salmond

Salmond will ein Referendum über die Unabhängigkeit
Bild: Barryob / Wikimedia

Seit 1603 war Schottland de facto mit England vereinigt, 1707 wurde mit dem Act of Union das Parlament aufgelöst. Erst 1998 schaffte Labour Premierminister Tony Blair mit dem Scotland Act die die Grundlage für ein neues Regionalparlament, welches 1999 erstmals zusammentrat. Mit dieser Maßnahme sollte der stärker werdenden SNP der Wind aus den Segeln genommen werden, was aber gründlich misslang. Die Schottische Nationalpartei hatte sich von Anfang an die Unabhängigkeit des Landes auf die Fahnen geschrieben. Mit dem Slogan „It’s Scotlands Oil“ erreichte die Partei in den 1970er Jahren ihre ersten großen Erfolge. Durch den jüngsten Wahlsieg ist die Unabhängigkeit erstmals seit über 400 Jahren in greifbare Nähe gerückt. Salmond wird allerdings noch einen steinigen Weg zurücklegen müssen, will er dieses Anliegen erreichen.

Geht es nach der SNP, bleibt Schottland weiterhin vorerst Mitglied der EU, die Queen Staatsoberhaupt und das Pfund Sterling seine Währung – verwaltet von der Bank of England. Laut Meinungsumfragen können sich dennoch nur knapp ein Drittel der fünf Millionen Schotten für einen eigenen Staat begeistern. Bei der letzten Wahl hat Salmond allerdings seine Mobilisierungsfähigkeit gezeigt und alle Prognosen übertroffen. Dazu haben sowohl die Tories als auch Labour der SNP lange in die Hände gespielt. Unvergessen ist die Ära von Torie Chefin Maggie Thachter, als sich viele Schotten als Einwohner einer besseren Kolonie fühlten, ihr Nachfolger John Major änderte daran wenig. Labour billigte den Schotten zwar ein eigenes Parlament zu, hatte dabei aber vor allem ihre Wahlkreise im Augen. Zur besonderen Enttäuschung wurde Labour-Premier Gordon Brown, der sein Heimatland zu Gunsten des Vereinigten Königreichs während seiner Amtszeit links liegen ließ und erst jüngst durch Angriffe auf die SNP und ihre Forderung nach Unabhängigkeit wieder von sich reden machte. Aber vor allem die Liberaldemokraten, die in der aktuellen Koalition mit den Tories völlig untergehen und besonders in Schottland stark an Wählern verloren.

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Eine bindende Abstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands anzusetzen, ist dazu dem Parlament in Westminster vorbehalten. Salmond möchte deswegen in den kommenden fünf Jahren vor den nächsten Wahlen ein informelles Referendum durchführen. Sollte die Mehrheit der Schotten sich für die Unabhängigkeit entscheiden, würde es der Zentralregierung dennoch zumindest schwerfallen sich über diesen Entscheid hinwegzusetzen. Der britische Regierungschef David Cameron hat dennoch bereits jetzt angekündigt, mit jeder Faser seines Körpers für den Zusammenhalt des Königreiches zu kämpfen.

Schottland als Vorbild für Europa

Bereits in der Vergangenheit hatte Schottland und die SNP immer wieder als Vorbild für Parteien, die die Unabhängigkeit ihrer Heimat anstreben, wie den Vlaams Belang oder die Lega Nord gegolten. Insbesondere in Belgien, wo es seit den letzten Wahlen im Juni 2010 keine neue Regierung gibt, könnten die flämischen Separatisten starken Aufwind bekommen. Insgesamt wäre eine Unabhängeit Schottlands ein starkes Zeichen für nationale Bewegungen in Europa, von Katalonien bis Flandern oder Norditalien.

Mit besonderem Interesse wurde das Wahlergebnis in Schottland auch in Südtirol aufgenommen. Sowohl die Südtiroler Freiheitlichen als auch die Südtiroler Freiheit begrüßten den Wahlsieg der SNP als Erfolg für das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Der Landessprecher der Freiheitlichen Jugend Michael Demanega erklärte, dass „Schottland der Präzedenzfall sei, auf den Südtirol wartet". grundsätzlich solle Südtirol allerdings nicht auf einen Präzedenzfall warten, sondern versuchen, selbst Präzedenzfall zu sein. Für Werner Thaler von der Südtiroler Freiheit könnten die Schotten so auch anderen Völkern den Weg in die Freiheit ebenen.

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